Toller Beitrag. Und genau wegen solcher Beitraege waere es schade, wenn Du das Forum wegen in paar Sturkoepfen, die das ohnehin nicht interessiert, verlassen wurdest.
"Transparenz bedeutet hier, dass das menschliche Gehör für beliebige Eingangssignale nach Durchlaufen eines Übertragungssystems keinen Unterschied zum Ausgangssignal feststellen kann. Liefert eine Audio-CD das Quellenmaterial, so spricht man hier oft auch von 'CD-Qualität'". (Kursiv durch mich, A.)
Es wird in dieser Sicht der Dinge unmißverständlich ein Bezug zwischen Technik und Hörer gesetzt. Und so ist es denn auch.
Das scheint nur so. In Wirklichkeit lautet die Forderung doch, daß der Output gleich dem Input sein soll, d.h. daß die durch das Übertragungssystem verursachte Abweichung gleich null ist. Und das ist eine von jeder Philosophie, Psychologie oder Kultur unabhängig verifizierbare Forderung: Denn das Eingangssignal ist nichts anderes (!) als eine reelle Funktion der Zeit. D.h. es ist vollständig! beschrieben durch den Amplitudenverlauf A(t). Wenn F die durch das Übertragungssystem erzeugte Wirkung auf das Eingangssignal ist, so bedeutet die Forderung nach Transparenz F(A(t)) = A(t) + ε, wobei im Idealfall ε = 0 ist. Nicht mehr und nicht weniger. Mit Psychologie hat das nicht das Geringste zu tun.
In der Praxis läßt man allerdings für ε sehr kleine Werte zu, solange sichergestellt ist, daß sie garantiert unhörbar sind. Durch das Hereinbringen des menschlichen Hörers als Maßstab für die Transparenz handelt man sich aber das Problem ein, daß man entweder von einem idealisierten "Normalhörer" ausgehen oder sicherstellen muß, das kein einziger Hörer auf der Welt in der Lage ist, etwas wahrzunehmen. Beides ist schwierig und keine rein technische Aufgabe mehr. Erst an dieser Stelle beginnt das Ganze ein bißchen unscharf zu werden und die Hörpsychologie kommt ins Spiel (Hörschwellen etc.). Die Aufgabe in ihrer ursprünglichen Ausformung ist aber zur Gänze frei davon.
...heute genauso...es gibt z.B. die theoretische Mathematik (Physik) und es gibt genauso angewandte Mathematik (Physik). Und das technische Wissen kann man pauschal als zweckorientierte Anwendung naturwissenschaftlichen Wissens bezeichen. Gegenfrage, was ist daran so schwer zu begreifen?!?
Da hast Du selbst das schöne Beispiel dafür gebracht, was ich meine. Diese Substantive griechischen Ursprungs, die auf "ik" enden sind Abkürzungen für Adjektive die mit dem Substantiv "techne" zu ergänzen sind: Rhetorik, Logik, Pädagogik, Mathematik usw. - griech. vollständig zu ergänzen "rhetorike techne", "logike techne", "paidagogike techne" usw. D.h. die ursprüngliche Bedeutung ist, das sagt das Wort, daß es sich hier um technisches und nicht wissenschaftliches Wissen handelte. Sehr viel später, als dann daraus Wissenschaften wurden, unterschied man dann z.B. die Logik als formale Wissenschaft und als Technik (angewandte Logik) - das war im 19. Jahrhundert die denkökonomische Logik. Ein besonders schönes Beispiel ist die Pädagogik (paidagogike techne, wörtlich: die Kunst, das Kind (pais) zu führen). Über Jahrhunderte wurde da fleißig Wissen gesammelt und tradiert. Erst Immanuel Kant kam dann überhaupt auf die Idee zu fordern, aus der Pädagogik sei eine Wissenschaft zu machen. Das war damals revolutionär neu.
Wenn man einen zig Kilometer langen Kanal bauen wollte und diesen auch noch von beiden Endpunkten her vorangetrieben hat, dann musste man sicher stellen, dass man sich irgendwo in der Mitte traf und nicht Kilometer weit auseinander lag...genau das haben die ollen Griechen gemacht. Und wie haben sie das gemacht? Richtig, mit angewandter Mathematik. Warum? Weil sie es konnten und weil es sinnvoll war...da hat dann niemand mehr danach gefragt, ob das Wissen auch 'technische Züge' haben durfte...es war opportun, deshalb war es erlaubt...das war die Grundlage.
Das Beispiel ist richtig. Nur die Bezeichnung "angewandte Mathematik" ist falsch - sie setzt nämlich voraus, daß es damals schon eine reine (wissenschaftliche) und nicht angewandte Mathematik gegeben und diejenigen, die so vorgingen, auch das Bewußtsein gehabt hätten, rein wissenschaftliches Wissen nur anzuwenden. Um es nochmals zu sagen: "Techne" im griechischen Sinne ist die Bezeichnung für eine Art des Wissens, was man wohl am besten mit "praktisches Sichauskennen" übersetzt.
Soweit es meine diesbezüglich bescheidenen Kenntnisse zulassen, sehe ich das auch so. Der viel interessantere Punkt ist doch, wie das heute der Fall ist. Zumindest bei Holger kann ich keinerlei nennenswerte Kenntnisse von Technolgie oder Naturwissenschaft erkennen. Dennoch argumentiert und spekuliert er munter auf diesem Gebiet. So wünschenswert philosophische Grundkenntnisse auf der einen Seite wären, so erforderlich wären technisch naturwissenschaftliche auf der anderen Seite, zumal es, und das zu verleugnen halte ich für frech, bei der Erzeugung von auf technischer Reproduktion basierenden Informationen keinerlei philosophischen Aspekt gibt. Die fangen bei der menschlichen Verarbeitung an. Um es deutlich zu sagen, die Qualität einer Anlage ist völlig unabhängig vom Vorhandensein eines menschlichen Rezipienten. Sie ändert sich allenfalls marginal durch die rein körplichen Eigenschaften eines Menschen, der sich auf das Schallfeld auswirkt (Dicke mehr als Dünne!). Der technischen Darbietung ist der Mensch völlig egal, sie hat keinerlei Bewußtsein. Sie spielt für die Heizung genauso gut, wie für Tote, völlig Taube oder Goldohren. Das es zwischen diesen Adressaten natürlich gewaltige Empfindungsunterschiede gibt, hat nichts mit der Technik zu tun, denn es gibt keine Rückwirkung vom Menschen auf die Technik, es sei denn er greift aktiv in die Technik ein (Hochtöner zuhalten, Kaffee in den Verstärker kippen). Diesbezügliche Berichte halte ich für esoterisch. Aber darüber lässt sich auch trefflich streiten, sofern man den Nerv dazu hat.
Bruce, man sollte generell nicht den Fehler machen, über Menschen und ihr vermeintliches Nichtwissen zu spekulieren, die man nicht kennt. Technische Reproduktion ist nicht philosophisch oder wissenschaftlich - richtig. Es handelt sich ja auch nur um Technik.
Deine Aussage, die "Qualität einer Anlage" sei "völlig unabhängig vom Vorhandensein eines Rezipienten", halte ich für einen absurd unsinnigen Satz. Denn dann wäre es legitim, Hifi-Anlagen für eine Menschheit zu konstruieren, die nur aus Taubstummen bestände und die auch noch als gut oder schlecht zu bewerten für einen Zweck, den sie gar nicht haben können: zum Hören.
Wenn F die durch das Übertragungssystem erzeugte Wirkung auf das Eingangssignal ist, so bedeutet die Forderung nach Transparenz F(A(t)) = A(t) + ε, wobei im Idealfall ε = 0 ist. Nicht mehr und nicht weniger. Mit Psychologie hat das nicht das Geringste zu tun.
Dieser Ansatz ist aber nur sinnvoll, wenn ε = 0 wirklich erreichbar ist. Bei realer elektroakustischer Übertragung ist das nicht der Fall (z.B. wegen der Lautsprecher). Bei Übertragung mit verlustbehafteter Kompression (MP3 …) auch nicht.
Die spannende Frage ist also, welches ε ist hörbar und welches nicht. Ich kann zum Beispiel unhörbare Gruppenlaufzeitverzerrungen einfügen, die das ε höher treiben als ein leiser hinzugefügter 2 kHz-Ton. Trotzdem wäre die eine Übertragung (Gruppenlaufzeit) noch transparent, die andere (2kHz-Ton) nicht.
Die Transparenz einer Überrragungsstrecke kann man nur mit dem vorgesehenen Empfänger bestimmen, also z.B. mit dem menschlichen Gehör. Eine bandbreitenbegrenzte Übertragung mit einer oberen Grenzfrequenz von 20kHz ist z.B. für das menschliche Gehör transparent, während es für eine Fledermaus über diese Stecke praktisch nichts wichtiges zu hören gäbe.
In vielen Fällen kann man vorhersagen, ob das Gehör den Fehler ε hören wird (Amplitudengang, Gruppenlaufzeit, nichtlineare Verzerrungen, Rauschen, …) in anderen Fällen (Kompressionsartefakte) versucht man es inzwischen (->PEAQ), in weiteren Fällen (z.B. Lautsprecher im Raum) gibt es noch einiges zu tun.
Die spannende Frage ist also, welches ε ist hörbar und welches nicht.
Aber es ist eben keine elektrotechnische Frage. Genau hier ist der Punkt, und zwar der einzige Punkt, wo die Psychologie hereinspielt: Welches ε lasse ich noch als transparent gelten und welches nicht mehr? Selbstverständlich wurde mp3 in der Absicht entwickelt, einen zumimdest bei den hohen Bitraten transparenten Codec zu schaffen. Trotzdem gibt es in der Szene genug Leute, die meinen, auch mit 320 kbit/s könne man nicht ernsthaft Musik hören.
da stellt sich mir allerdings die Frage, wie akzeptiert oder alternativlos (sag's mit Mutti :D) diese Unterscheidung war. Wäre das common sense gewesen, hätte es Plato ja nicht im Symposion lange ausführen müssen. Das wurde ja nicht für Grundschüler geschrieben...
Hallo Reno,
die Frage läßt sich eigentlich relativ einfach beantworten. Zum Selbstverständnis der Philosophie und Wissenschaft gehört es, daß sie sich durch Selbstunterscheidung definiert. Wenn so etwas wie Philosophie und Wissenschaft in der Kultur auftaucht, dann grenzt sie sich selbst ab von anderen konkurrierenden Meinungen, die sie allesamt als "vorwissenschaftlich" betrachtet und kritisiert (siehe die Vorsokratik, die Polemik gegen die "Doxa", gemeint sind nicht zuletzt die Dichter, Erkenntnisse in Form von mythischen Erzählungen). Genauso ist es mit dem technischen Wissen. Die Unterscheidung techne-episteme hat natürlich die Philosophie eingeführt. Und wenn die dann in die Lebenswelt "einströmt" mit Husserl gesprochen, dann wird sie zum Kulturgut. Das läßt sich bei den Griechen und vor allem bei den Römern gut belegen. Denn philosophische Bildung war weit verbreitet, bis hin zu den römischen Kaisern - Marc Aurel als stoischer Philosoph. Es gibt dann Bereiche, die entwickeln ein wissenschaftliches Selbstverständnis, andere nicht, sie bleiben eine "techne" für lange Zeit. Ich habe das Beispiel der Pädagogik genannt.
Genau hier ist der Punkt, und zwar der einzige Punkt, wo die Psychologie hereinspielt: Welches ε lasse ich noch als transparent gelten und welches nicht mehr?
Das klingt so, also könne/wolle/würde man das willkürlich festlegen. Wenn man ε als technischen Parameter festlegen will, dann mag das so sein.
Genau deshalb wird aber bei Tests auf Transparenz kein solches ε festgelegt, sondern man führt in den Test das Eingangssignal als Testsignal bzw. Referenz mit ein. Alle Übertragungen, die innerhalb der Reproduzierbarkeit genauso gut wie das Original bewertet werden, waren in einem solchen Test "transparent". Außer der Bewertung durch die Teilnehmer spielt da gar nichts rein, jedenfalls nicht willkürliches. Bei einem solchen Test wird den Teilnehmern das Original auch nicht als solches identifiziert.
Außer der Bewertung durch die Teilnehmer spielt da gar nichts rein, jedenfalls nicht willkürliches.
Ich meine nicht, daß der Test per se willkürlich ist. Aufgrund der üblichen Vorbehalte (Teststreß, die Probanden hatten Bohnen in den Ohren etc.) wird es aber in den einschlägigen Kreisen keine Akzeptanz dafür geben. Sonst müßte die Transparenz guter datenreduzierender Codecs heute längst unbestritten sein.
Hifi-Psychologie besteht zu vielleicht zehn Prozent aus Hörpsychologie; der Rest ist Attitüde.
Denn dann wäre es legitim, Hifi-Anlagen für eine Menschheit zu konstruieren, die nur aus Taubstummen bestände und die auch noch als gut oder schlecht zu bewerten für einen Zweck, den sie gar nicht haben können: zum Hören.
So absurd Dir das auch vorkommen mag, es ist tatsächlich richtig. Das ureigene Ziel einer Anlage ist Reproduktion. Dazu sind ausschließlich technische Parameter relevant, ein Zuhörer ist es nicht. Was die Bewertung einer Reproduktion anbelangt, die ist für den Einzelnen so individuell wie eben der persönliche Geschmack individuell ist. Mein Beitrag war aber derart gemeint, dass die Qualität der Reproduktion nicht davon abhängt, ob es einen Zuhörer gibt oder nicht, was heißt, das Änderungen in der Qualität ausschließlich technische Ursachen haben. Philosophie hat da nichts zu suchen. Und noch viel weniger irgendwelche Esoterik ... Tiefenbits oder dergleichen zähle ich dazu.
Bruce, man sollte generell nicht den Fehler machen, über Menschen und ihr vermeintliches Nichtwissen zu spekulieren, die man nicht kennt.
Oh, da bin ich schmerzfrei, ich bewerte ausschließlich nach Beiträgen. Und bislang bist Du mir nicht durch naturwissenschaftliche oder technische Kompetenz aufgefallen. Eher im Gegenteil. Deine Kernkompetenz, die Du wie eine Monstranz vor dir trägst, kann ich magels eigener nicht bewerten.
da mußt Du mir helfen. Meines Wissens habe ich über B&W nie etwas Schlechtes gesagt, sondern: Auf ihre Art sind das perfekt gemachte LS.
Beste Grüße
Holger
Hallo Holger! (Rest gelöscht - Admin)
ich finde es leider nicht mehr, kann es also nicht beweisen. Vielleicht zeigt sich derjenige welche ja gnädig und schickt mir ein weiteres mal einen Link. Du warst doch bei Franz zur Hörprobe, anschließend gabs einen Hörbericht.;)
Ich will das auch garnicht weiter ausschlachten, jetzt wo es wieder ruhiger geworden ist, führt zu nichts. :S
Aber es ist eben keine elektrotechnische Frage. Genau hier ist der Punkt, und zwar der einzige Punkt, wo die Psychologie hereinspielt: Welches ε lasse ich noch als transparent gelten und welches nicht mehr?
Der zweite Punkt, wo die Psychologie zum Tragen kommt ist die Frage: Ist maximale Transparenz überhaupt das beste Kriterium zur Bewertung einer Hifi-Anlage? Ich persönlich höre lieber mit Anlagen, die messtechnisch sicher ein relativ großes ε aufweisen. Und damit bin ich keineswegs alleine. Programmatisch hat das Shindo mit dem schönen Satz "we are sound create producer" formuliert.
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