AW: Streitlust und Streitfrust im Internet
O.K. Dann war das vielleicht nicht klar genug und ich mache noch einen Versuch!
Die physikalische Methode, ein "An-sich" zu beschreiben durch Ausschaltung von Subjektivität, macht einfach in der Wahrnehmungsanalyse keinen Sinn. Ich hatte angedeutet, dass die Wahrnehmung ein Korrelationsphänomen ist. Es gibt kein Wahrgenommenes, also kein Wahrnehmungsobjekt, ohne eine Wahrnehmung und ein Subjekt der Wahrnehmung. Was macht die hirnphysiologische oder physikalische Untersuchung? Sie wechselt von der Wahrnehmungseinstellung in eine Erkenntniseinstellung und betrachtet z.B. Lichtwellen, die auf die Netzhaut treffen oder Hirnstrombilder. Dadurch kann man in der Tat von der Subjektivität des Wahrnehmens abstrahieren. Nur: Die Wahrnehmung selber weiß gar nichts von einer Netzhaut oder Hirnströmen, wenn sie nur sieht oder hört. D.h. das alles gehört nicht zum Inhalt der Wahrnehmung. Genau deshalb kann die naturwissenschaftliche Betrachtung von Kausalzusammenhängen die Subjektivität des Wahrnehmens methodisch ausschalten, weil sie überhaupt keine Wahrnehmungsgegebenheiten mehr beschreibt. Denn ein Wahrnehmungsobjekt, das von Niemandem, also von keinem Wahrnehmungssubjekt, mehr wahrgenommen wird, ist schlicht keine Wahrnehmung mehr. Zur Wahrnehmung gehört die Korrelation eines wahrnehmenden Subjekts und eines wahrgenommenen Objekts und man kann deshalb nicht einfach eine Seite der Korrelation - das Subjekt - herausstreichen.
Wir wollen aber nun mal die Wahrnehmung beschreiben und nicht etwas, was wir uns nur "denken" können, was mit einer Wahrnehmung in Verbindung steht. Deswegen hat die phänomenologisch-psychologische Analyse das strenge Methodenprinzip, alles solches Erklärungs-"Wissen", was nicht zum Inhalt der Wahrnehmung gehört, auszuschalten und als unzulässig für die Wahrnehmungsanalyse zu betrachten. Die Wahrnehmung kann in ihrem immanenten Wahrnehmungssinn nur erfasst werden, wenn man sich in der Analyse der Wahrnehmung ausschließlich an den Inhalt der Wahrnehmung hält.
Die Wahrnehmungsanalyse entdeckt dann die "Intentionalität", d.h. die Fähigkeit der Wahrnehmung, nicht nur subjektive und ausschließlich subjektbezogene Empfindungen zu haben, sondern diese als Eigenschaften eines Wahrenhmungsobjektes zu erfassen. Es gibt nämlich auch Sinne, die diese Fähigkeit der intentionalen Objektivierung nicht haben. Beispiel:
Bei optischen und akustischen Wahrnehmungen gibt es diese Objektivierung, nicht aber beim Geruchssinn. Ich kann sagen: "Die Banane ist gelb". Anders ist es aber wenn ich eine verfaulte Banane vor mir habe und sage: "Die Banane riecht widerlich." Der widerliche Geruch der Banane ist ausschließlich meine Empfindung und keine Eigenschaft der Banane, wie die optische Empfindung gelb. Eduard Hanslick sagte schön: "Die Rose kann duften, aber man kann den Duft der Rose nicht darstellen." Die intentionale Darstellungsfunktion - eine Empfindung stellt sich als Eigenschaft eines Wahrnehmungsobjektes dar - fällt bei der Geruchsempfindung weg. (Eine solche intentionale Objektivierung von Geruchsempfindungen gibt es allerdings bei Synästhesien, etwa in der impressionistischen Malerei, wo man von "duftigen" Farben bei Claude Monet etwa spricht.)
Noch interessanter ist die Ästhetik. Es gibt nämlich intentionale Gefühle und nichtintentionale, lediglich assoziative Gefühlswirkungen. Wenn ich einen Clown oder Pantomimen betrachte, dann ist die Traurigkeit die Eigenschaft seines Gesichts. Ich muss aber nicht selber traurig sein, also "subjektiv" mich traurig fühlen, um die Traurigkeit dieses Gesichtsausdrucks zu erfassen. Eine solche Gefühlswirkung kann freilich hinzukommen, wenn ich mich einfühlend oder mitfühlend verhalte, mich das traurige Gesicht "rührt" und "anrührt". Die subjektiv-wahrnehmende, assoziative Gefühlswirkung ist also von der intentional-objektivierenden Ausdruckserfassung eines Gefühls verschieden. Genauso ist es beim Hören: Ich kann die Traurigkeit einer traurigen Melodie als deren Ausdrucksgehalt "objektiv" erfassen. Das ist aber etwas anderes als die assoziative Gefühlswirkung, die mich "subjektiv" in einen traurigen Gemütszustand versetzt. Gefühl ist also keineswegs mit einer nur subjektiven Gefühlswirkung gleichzusetzen, wie es die naturalistische Psychologie getan hat, welche psychische Phänomene ausschließlich als Fälle von kausaler Verursachung und nicht intentional betrachtet. Auch hier zeigt sich der Vorzug der phänomenologischen Analyse, weil sie die Phänomene differenzieren kann.
Und nun kommen wir noch einmal zum Thema Hifi zurück. Das Problem in diesem Forum ist die Weigerung, sich mit elementaren psychologischen Erkenntnissen auseinanderzusetzen. Wenn man den Versuch macht, kommen Veralberungen wie "meine Tochter kennt ja Psychologen...". Das alles ist dann zu kompliziert und man kapriziert sich auf die einfachen technischen Erklärungen. So aber will man nicht wahrhaben, dass der "phänomenologische" Zugang zu Hifi, sich ausschließlich auf die Wahrnehmung und die Wahrnehmungsanalyse zu verlassen, ebenso legitim ist.
Für unterschiedlich klingende Verstärker und Kabel mag es technisch keine unstrittige Erklärung geben, phänomenologisch-psychologisch ist sie erklärbar. Meine Erfahrung: Wenn man historische und unprofessionelle Aufnahmen hat, dann kann man mit hochwertiger Elektronik und hochwertigeren Kabeln sich besser auf die Musik konzentrieren als mit Elektronik und Kabeln durchschnittlicher Qualität. Das Mehr an Auflösung und Kontrast bewirkt nämlich, dass aus dem Gewusel des Empfindungskomplexes eine Figur-Grund-Beziehung erfasst wird, also die Nebengeräusche zum Hintergrund werden gegenüber der "Figur" der Musik im Vordergrund, sich also nicht mehr in die Musik als Störungen so stark einmischen. Das alles erledigt das suggestive Suggestionsgeschwafel, was hier endlos betrieben wird.
Noch eine Anmerkung: Im Alter von 9 Jahren habe ich meine erste Naturstudie gemacht. Wenn man sich ein Leben lang mit Malerei beschäftigt, dann lernt man, seine Wahrnehmungen zu analysieren. Diese Fähigkeit scheint bei den Holzohren verkümmert zu sein, weswegen sie dann zu technischen Erklärungen Zuflucht nehmen. Wenn Leute, die selber es nie gelernt haben, ihre Wahrnehmungen zu analysieren, ausgerechnet mir unterstellen, ich sei ein Suggestionist und müsse meine Wahrnehmen "hinterfragen", dann kann ich sie schlicht nicht Ernst nehmen. Sollen sie sich doch erst einmal selber darum kümmern, ihr Defizit an Analysefähigkeit ihrer Wahrnehmungen zu beheben: also Wahrnehmungen erst einmal richtig zu befragen statt sie hinterfragen zu wollen, weil man sie nie wirklich befragt hat und auch wegen Technikfixierung und der damit zusammenhängenden Verbildung nicht befragen kann.
Das hier so beliebte Ritual, den "Hörern" Defizite an technischer Bildung vorzuhalten, lenkt also nur von den eigenen Defiziten ab was die mangelhaft entwickelte psychologische Analysefähigkeit angeht. Wer diese aber besitzt, kann auf das technische "Hinterfragen" nämlich getrost verzichten. Das mag ja in vielen Fällen hilfreich sein, aber zur "Objektivierung" von Wahrnehmungen braucht man es nicht. Das ist dann naturalistisch-technizistische Weltanschauung.
Einen schönen Sonntag wünscht
Holger
Zitat von hifi_angel
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Die physikalische Methode, ein "An-sich" zu beschreiben durch Ausschaltung von Subjektivität, macht einfach in der Wahrnehmungsanalyse keinen Sinn. Ich hatte angedeutet, dass die Wahrnehmung ein Korrelationsphänomen ist. Es gibt kein Wahrgenommenes, also kein Wahrnehmungsobjekt, ohne eine Wahrnehmung und ein Subjekt der Wahrnehmung. Was macht die hirnphysiologische oder physikalische Untersuchung? Sie wechselt von der Wahrnehmungseinstellung in eine Erkenntniseinstellung und betrachtet z.B. Lichtwellen, die auf die Netzhaut treffen oder Hirnstrombilder. Dadurch kann man in der Tat von der Subjektivität des Wahrnehmens abstrahieren. Nur: Die Wahrnehmung selber weiß gar nichts von einer Netzhaut oder Hirnströmen, wenn sie nur sieht oder hört. D.h. das alles gehört nicht zum Inhalt der Wahrnehmung. Genau deshalb kann die naturwissenschaftliche Betrachtung von Kausalzusammenhängen die Subjektivität des Wahrnehmens methodisch ausschalten, weil sie überhaupt keine Wahrnehmungsgegebenheiten mehr beschreibt. Denn ein Wahrnehmungsobjekt, das von Niemandem, also von keinem Wahrnehmungssubjekt, mehr wahrgenommen wird, ist schlicht keine Wahrnehmung mehr. Zur Wahrnehmung gehört die Korrelation eines wahrnehmenden Subjekts und eines wahrgenommenen Objekts und man kann deshalb nicht einfach eine Seite der Korrelation - das Subjekt - herausstreichen.
Wir wollen aber nun mal die Wahrnehmung beschreiben und nicht etwas, was wir uns nur "denken" können, was mit einer Wahrnehmung in Verbindung steht. Deswegen hat die phänomenologisch-psychologische Analyse das strenge Methodenprinzip, alles solches Erklärungs-"Wissen", was nicht zum Inhalt der Wahrnehmung gehört, auszuschalten und als unzulässig für die Wahrnehmungsanalyse zu betrachten. Die Wahrnehmung kann in ihrem immanenten Wahrnehmungssinn nur erfasst werden, wenn man sich in der Analyse der Wahrnehmung ausschließlich an den Inhalt der Wahrnehmung hält.
Die Wahrnehmungsanalyse entdeckt dann die "Intentionalität", d.h. die Fähigkeit der Wahrnehmung, nicht nur subjektive und ausschließlich subjektbezogene Empfindungen zu haben, sondern diese als Eigenschaften eines Wahrenhmungsobjektes zu erfassen. Es gibt nämlich auch Sinne, die diese Fähigkeit der intentionalen Objektivierung nicht haben. Beispiel:
Bei optischen und akustischen Wahrnehmungen gibt es diese Objektivierung, nicht aber beim Geruchssinn. Ich kann sagen: "Die Banane ist gelb". Anders ist es aber wenn ich eine verfaulte Banane vor mir habe und sage: "Die Banane riecht widerlich." Der widerliche Geruch der Banane ist ausschließlich meine Empfindung und keine Eigenschaft der Banane, wie die optische Empfindung gelb. Eduard Hanslick sagte schön: "Die Rose kann duften, aber man kann den Duft der Rose nicht darstellen." Die intentionale Darstellungsfunktion - eine Empfindung stellt sich als Eigenschaft eines Wahrnehmungsobjektes dar - fällt bei der Geruchsempfindung weg. (Eine solche intentionale Objektivierung von Geruchsempfindungen gibt es allerdings bei Synästhesien, etwa in der impressionistischen Malerei, wo man von "duftigen" Farben bei Claude Monet etwa spricht.)
Noch interessanter ist die Ästhetik. Es gibt nämlich intentionale Gefühle und nichtintentionale, lediglich assoziative Gefühlswirkungen. Wenn ich einen Clown oder Pantomimen betrachte, dann ist die Traurigkeit die Eigenschaft seines Gesichts. Ich muss aber nicht selber traurig sein, also "subjektiv" mich traurig fühlen, um die Traurigkeit dieses Gesichtsausdrucks zu erfassen. Eine solche Gefühlswirkung kann freilich hinzukommen, wenn ich mich einfühlend oder mitfühlend verhalte, mich das traurige Gesicht "rührt" und "anrührt". Die subjektiv-wahrnehmende, assoziative Gefühlswirkung ist also von der intentional-objektivierenden Ausdruckserfassung eines Gefühls verschieden. Genauso ist es beim Hören: Ich kann die Traurigkeit einer traurigen Melodie als deren Ausdrucksgehalt "objektiv" erfassen. Das ist aber etwas anderes als die assoziative Gefühlswirkung, die mich "subjektiv" in einen traurigen Gemütszustand versetzt. Gefühl ist also keineswegs mit einer nur subjektiven Gefühlswirkung gleichzusetzen, wie es die naturalistische Psychologie getan hat, welche psychische Phänomene ausschließlich als Fälle von kausaler Verursachung und nicht intentional betrachtet. Auch hier zeigt sich der Vorzug der phänomenologischen Analyse, weil sie die Phänomene differenzieren kann.
Und nun kommen wir noch einmal zum Thema Hifi zurück. Das Problem in diesem Forum ist die Weigerung, sich mit elementaren psychologischen Erkenntnissen auseinanderzusetzen. Wenn man den Versuch macht, kommen Veralberungen wie "meine Tochter kennt ja Psychologen...". Das alles ist dann zu kompliziert und man kapriziert sich auf die einfachen technischen Erklärungen. So aber will man nicht wahrhaben, dass der "phänomenologische" Zugang zu Hifi, sich ausschließlich auf die Wahrnehmung und die Wahrnehmungsanalyse zu verlassen, ebenso legitim ist.
Für unterschiedlich klingende Verstärker und Kabel mag es technisch keine unstrittige Erklärung geben, phänomenologisch-psychologisch ist sie erklärbar. Meine Erfahrung: Wenn man historische und unprofessionelle Aufnahmen hat, dann kann man mit hochwertiger Elektronik und hochwertigeren Kabeln sich besser auf die Musik konzentrieren als mit Elektronik und Kabeln durchschnittlicher Qualität. Das Mehr an Auflösung und Kontrast bewirkt nämlich, dass aus dem Gewusel des Empfindungskomplexes eine Figur-Grund-Beziehung erfasst wird, also die Nebengeräusche zum Hintergrund werden gegenüber der "Figur" der Musik im Vordergrund, sich also nicht mehr in die Musik als Störungen so stark einmischen. Das alles erledigt das suggestive Suggestionsgeschwafel, was hier endlos betrieben wird.
Noch eine Anmerkung: Im Alter von 9 Jahren habe ich meine erste Naturstudie gemacht. Wenn man sich ein Leben lang mit Malerei beschäftigt, dann lernt man, seine Wahrnehmungen zu analysieren. Diese Fähigkeit scheint bei den Holzohren verkümmert zu sein, weswegen sie dann zu technischen Erklärungen Zuflucht nehmen. Wenn Leute, die selber es nie gelernt haben, ihre Wahrnehmungen zu analysieren, ausgerechnet mir unterstellen, ich sei ein Suggestionist und müsse meine Wahrnehmen "hinterfragen", dann kann ich sie schlicht nicht Ernst nehmen. Sollen sie sich doch erst einmal selber darum kümmern, ihr Defizit an Analysefähigkeit ihrer Wahrnehmungen zu beheben: also Wahrnehmungen erst einmal richtig zu befragen statt sie hinterfragen zu wollen, weil man sie nie wirklich befragt hat und auch wegen Technikfixierung und der damit zusammenhängenden Verbildung nicht befragen kann.
Das hier so beliebte Ritual, den "Hörern" Defizite an technischer Bildung vorzuhalten, lenkt also nur von den eigenen Defiziten ab was die mangelhaft entwickelte psychologische Analysefähigkeit angeht. Wer diese aber besitzt, kann auf das technische "Hinterfragen" nämlich getrost verzichten. Das mag ja in vielen Fällen hilfreich sein, aber zur "Objektivierung" von Wahrnehmungen braucht man es nicht. Das ist dann naturalistisch-technizistische Weltanschauung.
Einen schönen Sonntag wünscht
Holger
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