1. Der Begriff 2. Das Problem 3. Die Kritik des Reproduktionsbegriffs und die Alternative 4. Anwendung auf Hifi
1. Der Begriff
„Reproduktion“ impliziert immer Identität, nämlich die Vorstellung, dass es ein „Original“ gibt, ein „Erstes“, was dann quasi redupliziert, „kopiert“ wird. Reproduktion ist stets identische Reproduktion, zumindest dem Sinne nach. Nun ist es natürlich so, dass es immer auch Veränderung im Reproduktionszusammenhang gibt. Hier ermöglicht es die Vorstellung von Reproduktion als unveränderte Kopie eines Originals, dass man die Komponente der Veränderung vom Original sozusagen abziehen kann, als „Abweichung“ von der Norm, vom Regelfall der identischen Reproduktion, betrachtet. D.h. die Reproduktion wird auch da, wo sie faktisch keine bloße Kopie ist, sondern mit einer Veränderung verbunden ist, an der Norm identischer Reproduktion gemessen.
Erläutert am Hifi-Beispiel: Ist ein Kabel nun ein „Leiter“ oder ein „Filter“? Die Vorstellung eines Leiters ist die der identischen Reproduktion: Eine Information wird idealer Weise von Gerät A unverändert wie sie ist zu Gerät B „weitergeleitet“, damit sie von diesem unverändert reproduziert werden kann. Nun ist es aber faktisch so, dass tatsächlich existierende Kabel wie Filter wirken, d.h. die Information damit immer auch verändern. Dann sagt die Anwendung des Reproduktionsmodells: Es gibt eben soundende und nicht soundende Kabel, solche Kabel also, die Leiter sind im Unterschied zu solchen, die Filter sind. So gedacht erhebt man den „Leiter“ zur Norm einer „richtigen“ Hifi-Reproduktion, wovon das Kabel als „Filter“ irregulär abweicht. Die theoretische Alternative wäre – und hier kann man das grundsätzliche Problem einer solchen normativen Reproduktions-Vorstellung erkennen – das Kabel überhaupt als Filter zu definieren. Dann müsste man allerdings akzeptieren, dass es im Prinzip keine andere als veränderliche Reproduktion gibt und die Vorstellung der identischen Reproduktion nur ein Konstrukt ist, ein – durchaus sehr fragwürdiges – theoretisches Modell.
2. Das Problem
In der Biologie wurde nicht zuletzt durch Charles Darwin deutlich, dass „identische Reproduktion“ eine problematische Vorstellung ist. Man kann nämlich „Reproduktion“ nicht mehr für die Garantierung von Artenkonstanz biologisch reklamieren. Der Artbegriff wird damit prekär, weil es keine Reproduktion ohne Mutationen gibt. „Reproduktion“ ist seit Darwin biologisch gesehen nicht die Garantierung von Identität, sondern von Diversität als Ursprung von Artenvielfalt. In der Psychologie droht der Reproduktionsbegriff ebenfalls zu einem Konstrukt zu werden, nämlich die Vorstellung, dass Erinnerungen identische Reproduktionen von ursprünglichen Wahrnehmungen seien. Wenn die Grenze von der Naherinnerung zur Fernerinnerung überschritten wird, gibt es nämlich nur noch verändernde Erinnerungen, die den Inhalt der ursprünglichen Wahrnehmung verdichten, Verschiebungen in der Vorstellung produzieren, die sukzessive Ordnung der Vorstellungen durcheinanderbringen usw. So bleibt für die Reproduktionstheorie nur noch der Rettungsanker der Rekonstruktion: Man behauptet, auch wenn faktisch keine (identisch) reproduzierenden Erinnerungen im Bewusstsein gegeben sind, könnten sie als Möglichkeit doch immer zumindest in der Theorie rekonstruiert werden. Dann wird aus dem Reproduktionsbegriff ein Restitutionsbegriff und eine hyperkomplexe Theorie entsteht, wo das theoretische Konstrukt „Reproduktion“ schließlich am seidenen Faden einer allerletzten, ziemlich kontingenten Restitutionsbedingung hängt. (Damit habe ich mich ausführlich beschäftigt.) Erkenntnistheorie, die mit dem Modell der Reproduktion operiert, nimmt immer gerne einfache Beispiele wie 2 plus 2 gleich 4 – so eine Erkenntnis müsse ja identisch reproduzierbar sein, sonst breche die Wissenschaft zusammen. Nur besteht Wissenschaft in der Realität aus komplexen Begründungszusammenhängen, also nicht nur isolierten Einzelaussagen, sondern größeren zusammenhängenden „Systemen“ von Aussagen, die als Ganze reproduziert werden müssen. Hier genau zeigt sich, dass die Vorstellung von „identischer Reproduktion“ nur eine Naivität ist, die mit der Realität des Umgangs mit Wissen reichlich wenig zu tun hat. Systemisches Wissen – sei es nun in der Mathematik oder in den Naturwissenschaften oder den Geisteswissenschaften – wird immer nur in denkökonomischer Abkürzung, Paradigmenwechsel eingeschlossen, also „veränderlich“, reproduziert. An der Vorstellung von „identischer Reproduktion“ kann man also wissenschaftlich nur festhalten, wenn man lediglich die allereinfachsten Fälle berücksichtigt und die komplexen „systemischen“ Fälle des Wissens unberücksichtigt lässt.
1. Der Begriff
„Reproduktion“ impliziert immer Identität, nämlich die Vorstellung, dass es ein „Original“ gibt, ein „Erstes“, was dann quasi redupliziert, „kopiert“ wird. Reproduktion ist stets identische Reproduktion, zumindest dem Sinne nach. Nun ist es natürlich so, dass es immer auch Veränderung im Reproduktionszusammenhang gibt. Hier ermöglicht es die Vorstellung von Reproduktion als unveränderte Kopie eines Originals, dass man die Komponente der Veränderung vom Original sozusagen abziehen kann, als „Abweichung“ von der Norm, vom Regelfall der identischen Reproduktion, betrachtet. D.h. die Reproduktion wird auch da, wo sie faktisch keine bloße Kopie ist, sondern mit einer Veränderung verbunden ist, an der Norm identischer Reproduktion gemessen.
Erläutert am Hifi-Beispiel: Ist ein Kabel nun ein „Leiter“ oder ein „Filter“? Die Vorstellung eines Leiters ist die der identischen Reproduktion: Eine Information wird idealer Weise von Gerät A unverändert wie sie ist zu Gerät B „weitergeleitet“, damit sie von diesem unverändert reproduziert werden kann. Nun ist es aber faktisch so, dass tatsächlich existierende Kabel wie Filter wirken, d.h. die Information damit immer auch verändern. Dann sagt die Anwendung des Reproduktionsmodells: Es gibt eben soundende und nicht soundende Kabel, solche Kabel also, die Leiter sind im Unterschied zu solchen, die Filter sind. So gedacht erhebt man den „Leiter“ zur Norm einer „richtigen“ Hifi-Reproduktion, wovon das Kabel als „Filter“ irregulär abweicht. Die theoretische Alternative wäre – und hier kann man das grundsätzliche Problem einer solchen normativen Reproduktions-Vorstellung erkennen – das Kabel überhaupt als Filter zu definieren. Dann müsste man allerdings akzeptieren, dass es im Prinzip keine andere als veränderliche Reproduktion gibt und die Vorstellung der identischen Reproduktion nur ein Konstrukt ist, ein – durchaus sehr fragwürdiges – theoretisches Modell.
2. Das Problem
In der Biologie wurde nicht zuletzt durch Charles Darwin deutlich, dass „identische Reproduktion“ eine problematische Vorstellung ist. Man kann nämlich „Reproduktion“ nicht mehr für die Garantierung von Artenkonstanz biologisch reklamieren. Der Artbegriff wird damit prekär, weil es keine Reproduktion ohne Mutationen gibt. „Reproduktion“ ist seit Darwin biologisch gesehen nicht die Garantierung von Identität, sondern von Diversität als Ursprung von Artenvielfalt. In der Psychologie droht der Reproduktionsbegriff ebenfalls zu einem Konstrukt zu werden, nämlich die Vorstellung, dass Erinnerungen identische Reproduktionen von ursprünglichen Wahrnehmungen seien. Wenn die Grenze von der Naherinnerung zur Fernerinnerung überschritten wird, gibt es nämlich nur noch verändernde Erinnerungen, die den Inhalt der ursprünglichen Wahrnehmung verdichten, Verschiebungen in der Vorstellung produzieren, die sukzessive Ordnung der Vorstellungen durcheinanderbringen usw. So bleibt für die Reproduktionstheorie nur noch der Rettungsanker der Rekonstruktion: Man behauptet, auch wenn faktisch keine (identisch) reproduzierenden Erinnerungen im Bewusstsein gegeben sind, könnten sie als Möglichkeit doch immer zumindest in der Theorie rekonstruiert werden. Dann wird aus dem Reproduktionsbegriff ein Restitutionsbegriff und eine hyperkomplexe Theorie entsteht, wo das theoretische Konstrukt „Reproduktion“ schließlich am seidenen Faden einer allerletzten, ziemlich kontingenten Restitutionsbedingung hängt. (Damit habe ich mich ausführlich beschäftigt.) Erkenntnistheorie, die mit dem Modell der Reproduktion operiert, nimmt immer gerne einfache Beispiele wie 2 plus 2 gleich 4 – so eine Erkenntnis müsse ja identisch reproduzierbar sein, sonst breche die Wissenschaft zusammen. Nur besteht Wissenschaft in der Realität aus komplexen Begründungszusammenhängen, also nicht nur isolierten Einzelaussagen, sondern größeren zusammenhängenden „Systemen“ von Aussagen, die als Ganze reproduziert werden müssen. Hier genau zeigt sich, dass die Vorstellung von „identischer Reproduktion“ nur eine Naivität ist, die mit der Realität des Umgangs mit Wissen reichlich wenig zu tun hat. Systemisches Wissen – sei es nun in der Mathematik oder in den Naturwissenschaften oder den Geisteswissenschaften – wird immer nur in denkökonomischer Abkürzung, Paradigmenwechsel eingeschlossen, also „veränderlich“, reproduziert. An der Vorstellung von „identischer Reproduktion“ kann man also wissenschaftlich nur festhalten, wenn man lediglich die allereinfachsten Fälle berücksichtigt und die komplexen „systemischen“ Fälle des Wissens unberücksichtigt lässt.
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