AW: Wie billig müssen Klassik-CDs eigentlich noch werden?
Da hast Du einfach klischeehafte Vorstellungen, weil Du nie in klassische Konzerte gehst. Ich habe die meisten großen und größten Pianisten des 20. Jhd. (von denen einige noch immer aktiv sind) gehört wie Svjatoslav Richter, Emil Gilels, Arturo Benedetti Michelangeli, Claudio Arrau, Maurizio Pollini, Vladimir Ashkenazy, Lazar Berman, Adam Harasiewicz, Krystian Zimerman, Arcadi Volodos, Grigory Sokolov usw. usw. Bei all diesen Konzerten habe ich nie mehr als 40 DM (deutsche Mark und nicht Euro!) oder 30 Euro ausgegeben. Und alle diese Konzerte waren rein kommerziell, veranstaltet von Konzertagenturen, die keinen Pfennig vom Staat bekommen. Die Opernkarten und Konzertkarten bewegen sich durchweg im selben Preisrahmen. Wer 30 Euro für ein kommerzielles Solistenkonzert ausgibt, der wird das Geld auch für ein Orchesterkonzert übrig haben von einem staatlich subventionierten Haus. Die staatlichen Subventionern beziehen sich auch nicht auf die Kartenpreise, sondern die Finanzierung der Institution. Es muß ein feststehendes Ensemble, Bühnenbildner, Techniker usw. finanziert werden. Manche Städte geben verbilligte Karten aus, aber erst dann, wenn die Vorstellungen nicht ausgelastet sind. Natürlich gibt es auch verbilligte Karten für Studenten, Schulklassen, für Arbeitslose (das alles freilich in jeder Kommune unterschiedlich, in Deutschland ist Kultur föderalistisch organisiert und nicht zentralistisch).
Auch da bist Du nicht richtig informiert. Ich bin zufällig befreundet mit einem Konzertveranstalter. Bekanntlich leiden die meisten Kommunen unter chronischem Geldmangel. Also haben sie die Saalmieten teilweise drastisch erhöht. Die Mieten müssen nun ausnahmslos alle zahlen - ob es der Betriebschor ist, das öffentlich finanzierte Orchester, ein Solist, ein Streichquartet, ein Jazzensemble oder eine Rockband, da wird keinerlei Unterschied gemacht. Das hat leider fatale Konsequenzen. Viele regionale Konzerte finden dann in solchen Sälen einfach nicht mehr statt, weil das unternehmerische Risiko zu groß ist. Und die Städte haben auch nichts davon. Wenn die Säle nicht mehr gebucht werden, kommt schlicht gar kein Geld in die Kasse der Kommune, was Kommunalpolitiker mit ihrem begrenzten Verstand leider schwer einsehen. Andererseits finden viele Schülerkonzerte in Aulen statt von Schulen und Universitäten, wo keine Saalmieten erhoben werden. Auch das gilt für selbstverständlich alle Musikrichtungen.
Das ist klassenkämpferisches Vokabular von vorgestern. Woher weißt Du, dass die "großbürgerliche Elite" nicht lieber Schlagermusik hört? Öffentliche Kulturförderung hat in Deutschland eine sehr lange Tradition - die gab es schon in den 30iger Jahren, und davon haben etwa so "linke" Autoren und Komponisten wie Bert Brecht und Kurt Weill profitiert (der Komponist der "Dreigroschenoper"). Diese Traditionen hat man einfach fortgeführt. Und in Rußland z.B. gehört klassische Musik, insbesondere die russische Pianistenschule (Tschaikowsky-Wettbewerb) zur nationalen Identität. Für das Horowitz-Konzert in Moskau hat die Näherin und Kassiererin in der Schlange gestanden, weil sie einmal im Leben diese Legende erleben wollte, die sie nur aus dem Radio kannte. Nicht zu vergessen die vielen Chöre (Kirchen, Betriebe), die in Deutschland eine lange Tradition haben und in vielen Opern- und Konzertaufführungen regelmäßig mitwirken.
Schöne Grüße
Holger
Zitat von ruedi01
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Holger
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