Hallo
In diesem Thread soll es um Messungen und Überlegungen zu verschiedenen Werkstoffen auf ihre Eignung zum Bau von Lautsprechergehäusen oder anderen Anwendungen gehen.
Die Idee dazu entstammt diesem Thread:
den ich hier nicht weiter mit Off Topic belasten will.
Im obigen Thread werden zum Teil etwas Kraut und Rüben durcheinander geworfen.
Zitat von Reno Barth:
<äh...darf ich darauf hinweisen, dass @elodis Lautsprecher baut und keine Plattenspieler? Die kleinen Brettchen werden dann wohl nicht sein Thema sein....>
Genau so ist es. Ich habe aber immer verschiedenste Abfallreste herumliegen, also wird es kein Problem sein, auch keinere Teile zu testen.
Meine Testobjekte sind so ab 620x560 mm groß.
Zitat von Scheller:
<Da du das Material anscheinend gewerblich/kommerziell für deine Produkte verwendest>
Auch hier, meine Aussage bezüglich "Akustisch ist es top für diesen Einsatzzweck" bezieht sich nur auf Lautsprechergehäuse.
Ich habe im obigen Thread versucht, die Materialeigenschaften von Kunstharzpressholz wertfrei anhand der öffentlich verfügbaren Datenblätter und meiner Erfahrungen besser ersichtlich zu machen, da offensichtlich MDF, HDF und Kunstharzpressholz (=Sperrholzsorte) in einen Topf geworfen wurden.
Bezüglich klanglicher Auswirkungen habe ich hier keine Aussagen gemacht und werde damit auch künftig sehr sparsam umgehen!
Also:
Bezüglich HDF - MDF: Ein Brei aus Leim und Holzfasern wird zu einer Platte verpresst.
Bei MDF (mitteldichte Faserplatte) sind die äußeren - so etwa 2 Millimeter - höher verdichtet als der Kern. Würde man den Kern entfernen, hätte man nun eine 4 mm starke HDF-Platte. Auch daran zu erkennen, dass man keine MDF-Platte unter 4 mm finden wird. Der Übergang von HDF zur MDF-Platte ist aber etwas fließend.
Man wird HDF-Platten üblicherweise standardmäßig in den Stärken 3 bis 6 mm finden und MDF-Platten ab 4 mm.
Ich verwende MDF-Platten im Lautsprecherbau nur für Prototypen und wenns besonders billig werden soll. Mir ist das Material einfach zu minderwertig und zu weich für diesen Einsatzzweck. Warum wird es hier hauptsächlich verwendet? Klar, es ist billig und leicht zu verarbeiten ist.
Um zu wissen was weich und hart im Vergleich zu anderen Werkstoffen bedeutet, muss man mit den Begriffen, die für die Festigkeitswerte verwendet werden, etwas anfangen können, um vergleichende Berechnungen anstellen zu können. Vieles kann man durchaus berechnen. (Siehe weiter unten!)
Ich musste aber in letzter Zeit leider feststellen, dass die Qualität von MDF/HDF-Standardware dramatisch schlechter wird: Immer weniger Faseranteil und immer mehr Leim!
Kunstharzpressholz = hochverdichtetes Sperrholz, besteht also wie jedes andere Sperrholz aus miteinander verleimten Holzlagen, im Falle von Kunstharzpressholz aus hochwertigen Buchenfurnieren.
Bezüglich der Verwendung von Kunstharzpressholz als Tonarmträger kann ich nicht viel beitragen, weil:
1. Plattenspieler interessieren mich nicht.
2. aus dem Foto und der Beschreibung mit dem Thorens mit der blauen Zarge am Anfang des obigen Threads geht für mich nicht einmal klar hervor, wie der Tonarmträger vom Chassis entkoppelt ist (sollen das die 3 Gummi-/Neopren-Elememte sein? Sind die unter den sichtbaren 3 Schrauben?)
3. Über den Sinn und Unsinn der Verwendung verschiedener Werkstoffe bei Plattenspielern kann und will ich mich daher nicht äußern.
Zu den Vergleichs-Messungen, die ich so Anfang Jänner hier in diesem Thread zeigen werde im Vorfeld einige Überlegungen:
Um spätere Messungen besser interpretieren zu können, sollte man zumindest folgende Eigenschaften des Werkstoffes zur Verfügung haben und sich allgemein etwas mit den üblicherweise verwendeten Bezeichnungen und Bedeutungen der Materialeigenschaften auseinandergesetzt haben:
1. Dichte
2. E-Modul
Mit folgender Formel (die folgenden Formeln kann man so wie sie hier stehen in Mathematica eingeben und dann mit den entsprechenden Variablen in den geschwungenen Klammern spielen) kann man die 1. Materialresonanzfreuenz abschätzen:
Man kann also abschätzen, ab welcher Frequenz mit Materialresonanzen (der 1., und deren Vielfache in weiterer Folge) zu rechnen ist.
N[(e*h^2/(12*rho*(1-v^2))*(3.5/a^4+2/(a*b)^2+3.5/b^4))^0.5*6/Pi]/.{e->2500*10^6,rho->700,h->0.012,v->0.3,a->0.3,b->0.1}
(* e = E - Modul N/mm^2, Massendichte rho = kg/m^3, h = Materialstärke m, v = Poisson - Zahl, a = Länge m, b = Breite m,
Ergebnis = 1.Materialresonanzfrequenz Hz *)
(Anmerkung: die Poisson-Zahl kann man immer auf den 0.3 belassen, da nur sehr kleiner Einfluss)
Wenn man als Beispiel ein Brettchen in der Größe 300x100mm und 12 mm Stärke nimmt (um etwa die Große der genannten Tonarmbasis zu haben) hernimmt und die Daten von MDF eingibt, erhält man:
rho = 700 kg/m^3, E-Modul = 2500 N/mm^2
1. Materialresonanz = 2543 Hz
bei Panzerholz B15
rho = 1400 kg/^3, E-Modul 17000 N/mm^2
1. Materialresonanz = 4690 Hz
bei Aluminium
rho = 2700 kg/m^3, E-Modul = 72000 N/mm^2
1. Materialresonanz = 6950
wenn man hier etwas herumspielt, wird man schnell die Zusammenhänge feststellen:
Wenn man das E-Modul vervierfacht, erhält man die doppelte Frequenz.
Wenn man gleichzeitig auch die Dichte vervierfacht, halbiert sich die Frequenz, landet also wieder beim ursprünglichen Wert.
Hat das im Falle der Tonarmbasis schon eine relevante Aussagekraft? Ich sehe noch keine, da alle Frequenzen im möglichen Anregungsbereich.
Wie schnell diese dann abklingen, zeigen die Messungen.
Im Falle eines Lautsprechergehäuses kann ich hier schon einmal die materialbedingten Resonanzen der einzelnen Teilflächen abschätzen.
Als nächstes die Schalldämmung durch den Werkstoff:
N[20*Log[10,1+(a*b)]]/.{a->1350,b->20}
(* a = Massendichte rho kg/m^3, b = Frequenz Hz, Ergebnis = Dämmung dB *)
Eine Verdoppelung der Dichte ergibt 6 dB höhere Dämmung
Eine Verdoppelung der Frequenz ergibt ebenfalls eine 6 dB höhere Dämmung.
Im Falle der Tonambasis kann ich keine Relevanz erkennen.
Beim Lautsprechergehäuse hat das klarerweise eine sehr hohe Bedeutung, weil durch die höhere Dichte des Materials eben entsprechend weniger Schall vom Inneren des Gehäuses nach außen dringen kann. Besonders bei großen Gehäusen, deren gesamte Gehäuseoberfläche im Verhältnis zur Membranfläche groß ist, ist das relevant.
Als nächstes die Durchbiegung des Werkstoffes bei Beaufschlagung mit einer Kraft:
(der Einfachheit halber nur eine punktförmige Kraft in der Mitte der Probe)
Durchbiegung eines beidseitig fest eingespannten oder gelenkig gelagerten Balkens:
N[((f*l^3)/(k*(e*10^6)*((b*h^3)/12)))*1000]/.{f->10000,l->0.08,e->6000,b->0.028,h->0.023,k->48}
k = 192 (beidseitig fest eingespannt)
k = 48 (beidseitig gelenkig gelagert)
f = Kraft in Nm punktförmig in der Mitte des Balkens
l = Länge des Balkens in m
e = E-Modul in N/mm^2
b = Breite des Balkens in m
h = Höhe des Balkens in m
Ergebnis in mm!
(b*h^3)/12) in der Formel = Flächenträgheitsmoment I (od.J)
Ich bitte darum, mit dieser Formel etwas herum zu spielen, da werden unter Umständen viele Zusammenhänge klar.
Man wird schnell erkennen, dass es günstiger sein wird, ein Gehäuse gut zu verstreben, als die Materialstärke zu erhöhen.
Die Reduzierung der Länge des Balkens auf die Hälfte ergibt ein Achtel an Durchbiegung.
Eine Verdoppelung der Materialstärke reduziert die Durchbiegung ebenfalls auf ein Achtel.
Eine Verzehnfachung des E-Moduls ergibt ein Zehntel für die Durchbiegung, eine Verdoppelung die Hälfte usw.
Wie man vielleicht schon erahnen kann, ist es nicht egal, wo die Kraft ansetzt: Je nachdem, ob eher in der Mitte, oder eher am Rand - das Ergebnis wird ein anderes sein.
Für den Lautsprechergehäusebauer interessant, um hier die Zusammenhänge zwischen E-Modul, Materialstärke und den Abmessungen der verwendeten Platten zu verstehen - und insbesondere - um zu erkennen, was bei Reduzierung dieser Abmessungen durch Verstrebungen passiert.
Hat das nun eine Relevanz bezüglich der Tonarmbasis? Natürlich - weil aufgrund des höheren E-Moduls die Amplitude der Anregung entsprechend niedriger ausfällt und somit weniger Schaden anrichtet!
Hat das nun einen klanglichen Vorteil bei der Tonarmbasis? Das mögen andere entscheiden!!!
Vom Ansatz her wäre die Wahl des Materials hierfür schon nicht schlecht, wenn man alles was ich bisher geschrieben habe verstanden hat:
Da wäre dann:
Hohes E-Modul bei gleichzeitig vergleichsweise niedriger Dichte ist gut (= Verschiebung der Materialresonanzen nach oben bei gleichzeitig niedriger Amplitude bei Krafteinwirkung). Wenns hier auch was bringen soll, ist jetzt aber auch ein schnelles Abklingen der angeregten Schwingungen erforderllich, sonst würde sich kein Vorteil im Vergleich - zum Beispiel zu Aluminium - ergeben. (Ich kann schon einmal soviel verraten, dass das Kunstharzpressholz etwa 10 mal schneller zur Ruhe kommt als Stahl und dass die Stahlprobe bei entsprechend hoher Anregung noch vor dem Kunstharzpressholz bricht).
MDF hat ja ein sehr viel niedrigeres E-Modul bei vergleichsweise hoher Dichte.
Genauere Erkenntnisse werden dann die Vergleichsmessungen mit exakt gleichen Proben und Messbedingungen zeigen.
Ich ersuche, das bisher geschriebene als eine Art Leitfaden zu sehen, um gewisse Zusammenhänge besser verstehen und die dann später folgenden Messergebnisse besser interpretieren zu können.
LG
Franz
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