Chicago ist wahrlich eine Reise wert – man muß sich allerdings die richtige Jahreszeit aussuchen und viel Geduld mitbringen bei der Passkontrolle. Nach 9 Stunden ermüdendem Flug hat es bei mir sage und schreibe 2 ½ Stunden gedauert – Ausländer dürfen warten in einer endlosen Schlange über mehrere Räume, deren Ausdehnung man zum Glück nicht überschauen kann, man glaubt, hinter der nächsten Ecke ist man endlich am Ziel – aber von wegen, es geht immer weiter und weiter! Alle Nicht-Amerikaner werden kriminaltechnisch erfasst, von beiden Händen werden sämtliche Fingerabdrücke genommen und es wird ein „Fahndungsfoto“ erstellt. Dann muß man Adresse, Telefonnummer und Email hinterlassen, wo man sich in den USA aufhält. Und vor allem: Es muß absolut klar sein, dass man das Land wieder verlässt – danach wird man natürlich gefragt! Jedenfalls hier zeigt sich die USA nicht gerade als ein besonders gastfreundliches Land!
Wohl kaum an einem anderen Ort wie Chicago gibt es so extreme Klima- und Wetterwechsel in kürzester Zeit: mal ist es tropisch schwül und warm, dann wieder kühl, an einem Tag regnet es in Strömen, am nächsten ist blendender Sonnenschein. Typisch amerikanisch: Draußen ist es sehr heiß und die Klimaanlagen in Bussen, Geschäften, Cafes sind auf 18 (!) Grad eingestellt! Man sollte also immer eine Jacke dabei haben! Die Skyline am Michigan-See ist einmalig! Die Konzerthalle des Chicago Symphony Orchestra (Theodore Thomas Concert Hall) liegt sehr schön gegenüber dem neu angelegten Millenium-Park und dem Kunstmuseum. In diesem Juni gibt es ein Beethoven-Festival, was der derzeitige Principal Conductor Bernhard Haitink bestreitet mit einer Aufführung sämtlicher Beethoven Symphonien. Mit meiner Familie hatten wir das große Vergnügen, an einem Abend die Aufführung der 2. und 3. Symphonie erleben zu dürfen. Der Saal ist vom Stil her so eine Mischung aus Opernhaus und Konzerthalle mit seinen ovalen Rundungen, den vielen Emporen und Ballustraden, dem kuppelartigen Dach. Sehr schön! Wir saßen ganz vorne in der dritten Reihe – Maestro Haitink stand nur wenige Meter von mir entfernt – mit seinen 80 Jahren ist er sehr rüstig! Normalerweise denkt man: so nah vorne müsste es viel zu laut sein, doch durch die Kuppelarchitektur geht der Klang nach oben weg. Die Akustik ist ganz hervorragend! So nah und präsent am musikalischen Ereignis gewesen zu sein, das möchte ich im nachhinein nicht missen.
Das Chicago SO ist wirklich ein Erlebnis, das man sein Leben nicht mehr vergessen wird! Allein deshalb lohnt der Besuch in dieser aufregenden Stadt. Sonst kennt und schätzt man den Chicago-Klang ja nur von der CD, Aufnahmen mit Fritz Reiner und Solti vor allem – aber die Qualitäten dieses einzigartigen Orchesters hautnah mitzuerleben, ist etwas ganz besonderes! Da ist einmal diese unglaubliche Homogenität – ein Klang wie aus einem Guß, wohl kaum ein anderes Orchester erreicht eine solche Geschlossenheit. Dazu der Chicago typische warme und volle Ton sowohl bei den Streichern als auch den Bläsern. Ein ungemein ästhetischer Klang. Dazu kommt diese absolute virtuose Souveränität und Leichtigkeit in der Beherrschung auch schwierigster Passagen. Ich empfand es als besonders glücklich, das Orchester mit der 2. Beethoven zunächst in kleiner Besetzung zu hören, weil man dort diese überragende Orchesterkultur studieren konnte. Und Altmeister Haitink versteht es, die Vorzüge des Orchesters voll zur Geltung zu bringen, besonders in den leisen Passagen gab es feinste Schattierungen und Abtönungen.
Haitink orientiert sich an der neuen Edition der Beethoven-Symphonien von Jonathan del Mar. Vor allem wichtig ist ihm (das ist einem Interview zu entnehmen, das im Programmheft abgedruckt ist), Beethovens Metronom-Angaben zu befolgen, die in der Ausgabe von del Mar verzeichnet sind. So nimmt er den 1. Satz der Eroica in sehr flüssigem Tempo – und immer wahrt er ein exaktes, einheitliches Grundtempo. Bei der „Eroica“ stürzte er sich geradezu in den ersten Satz – kam aufs Podium gerannt und gab sofort den Einsatz für das Orchester. Das passt zu dem, was er im Interview sagt: Keine Einleitung in der 3.: „And then, with a shock, comes the third Symphony, which is totally different form 1 and 2.“ Altmeister Haitink hat es zudem nicht nötig, mit irgendwelchen aufgesetzten Gesten und Übertreibungen sich interessant zu machen. Da spricht die Musik aus sich selbst. Das ist alles mit höchster Souveränität und Leichtigkeit dirigiert – ein Scherzo der 3., das hat schon fast Züge von Mendelssohns flüchtig dahinhuschendem „Sommernachtstraum“. Philip Huscher fragt Haitink: „How do you keep this music sounding fresh and bold. Especially to audiences today who already know it, without overemphasizing things?” Haitink: “I think that overemphasizing things will kill the real sentiment. Music becomes distorted and doesn´t speak the way I think it should speak.” Recht hat er! Diesen Abend werde ich jedenfalls mein Leben nicht vergessen (Photos gibt es auch!).
Wer nach Chicago kommt, sollte das Chicago SO hören – eines der fünf besten Orchester der Welt. Das ist nicht nur ein glückliches Erlebnis, sondern rückt die Maßstäbe zurecht! Die Konzerte wurden übrigens aufgenommen – den aufgehängten Mikrophonen nach zu urteilen. Ich nehme an, es wird wie schon bei den Mahler-Symphonien, die Haitink mit dem Orchester aufführte, eine CD-Veröffentlichung geben durch das Label des Orchesters geben. Die letzte Aufnahme der Beethoven-Symphonien des Chicago SO unter Solti ist schließlich schon eine ganze Weile her! :H
Beste Grüße
Holger
Wohl kaum an einem anderen Ort wie Chicago gibt es so extreme Klima- und Wetterwechsel in kürzester Zeit: mal ist es tropisch schwül und warm, dann wieder kühl, an einem Tag regnet es in Strömen, am nächsten ist blendender Sonnenschein. Typisch amerikanisch: Draußen ist es sehr heiß und die Klimaanlagen in Bussen, Geschäften, Cafes sind auf 18 (!) Grad eingestellt! Man sollte also immer eine Jacke dabei haben! Die Skyline am Michigan-See ist einmalig! Die Konzerthalle des Chicago Symphony Orchestra (Theodore Thomas Concert Hall) liegt sehr schön gegenüber dem neu angelegten Millenium-Park und dem Kunstmuseum. In diesem Juni gibt es ein Beethoven-Festival, was der derzeitige Principal Conductor Bernhard Haitink bestreitet mit einer Aufführung sämtlicher Beethoven Symphonien. Mit meiner Familie hatten wir das große Vergnügen, an einem Abend die Aufführung der 2. und 3. Symphonie erleben zu dürfen. Der Saal ist vom Stil her so eine Mischung aus Opernhaus und Konzerthalle mit seinen ovalen Rundungen, den vielen Emporen und Ballustraden, dem kuppelartigen Dach. Sehr schön! Wir saßen ganz vorne in der dritten Reihe – Maestro Haitink stand nur wenige Meter von mir entfernt – mit seinen 80 Jahren ist er sehr rüstig! Normalerweise denkt man: so nah vorne müsste es viel zu laut sein, doch durch die Kuppelarchitektur geht der Klang nach oben weg. Die Akustik ist ganz hervorragend! So nah und präsent am musikalischen Ereignis gewesen zu sein, das möchte ich im nachhinein nicht missen.
Das Chicago SO ist wirklich ein Erlebnis, das man sein Leben nicht mehr vergessen wird! Allein deshalb lohnt der Besuch in dieser aufregenden Stadt. Sonst kennt und schätzt man den Chicago-Klang ja nur von der CD, Aufnahmen mit Fritz Reiner und Solti vor allem – aber die Qualitäten dieses einzigartigen Orchesters hautnah mitzuerleben, ist etwas ganz besonderes! Da ist einmal diese unglaubliche Homogenität – ein Klang wie aus einem Guß, wohl kaum ein anderes Orchester erreicht eine solche Geschlossenheit. Dazu der Chicago typische warme und volle Ton sowohl bei den Streichern als auch den Bläsern. Ein ungemein ästhetischer Klang. Dazu kommt diese absolute virtuose Souveränität und Leichtigkeit in der Beherrschung auch schwierigster Passagen. Ich empfand es als besonders glücklich, das Orchester mit der 2. Beethoven zunächst in kleiner Besetzung zu hören, weil man dort diese überragende Orchesterkultur studieren konnte. Und Altmeister Haitink versteht es, die Vorzüge des Orchesters voll zur Geltung zu bringen, besonders in den leisen Passagen gab es feinste Schattierungen und Abtönungen.
Haitink orientiert sich an der neuen Edition der Beethoven-Symphonien von Jonathan del Mar. Vor allem wichtig ist ihm (das ist einem Interview zu entnehmen, das im Programmheft abgedruckt ist), Beethovens Metronom-Angaben zu befolgen, die in der Ausgabe von del Mar verzeichnet sind. So nimmt er den 1. Satz der Eroica in sehr flüssigem Tempo – und immer wahrt er ein exaktes, einheitliches Grundtempo. Bei der „Eroica“ stürzte er sich geradezu in den ersten Satz – kam aufs Podium gerannt und gab sofort den Einsatz für das Orchester. Das passt zu dem, was er im Interview sagt: Keine Einleitung in der 3.: „And then, with a shock, comes the third Symphony, which is totally different form 1 and 2.“ Altmeister Haitink hat es zudem nicht nötig, mit irgendwelchen aufgesetzten Gesten und Übertreibungen sich interessant zu machen. Da spricht die Musik aus sich selbst. Das ist alles mit höchster Souveränität und Leichtigkeit dirigiert – ein Scherzo der 3., das hat schon fast Züge von Mendelssohns flüchtig dahinhuschendem „Sommernachtstraum“. Philip Huscher fragt Haitink: „How do you keep this music sounding fresh and bold. Especially to audiences today who already know it, without overemphasizing things?” Haitink: “I think that overemphasizing things will kill the real sentiment. Music becomes distorted and doesn´t speak the way I think it should speak.” Recht hat er! Diesen Abend werde ich jedenfalls mein Leben nicht vergessen (Photos gibt es auch!).
Wer nach Chicago kommt, sollte das Chicago SO hören – eines der fünf besten Orchester der Welt. Das ist nicht nur ein glückliches Erlebnis, sondern rückt die Maßstäbe zurecht! Die Konzerte wurden übrigens aufgenommen – den aufgehängten Mikrophonen nach zu urteilen. Ich nehme an, es wird wie schon bei den Mahler-Symphonien, die Haitink mit dem Orchester aufführte, eine CD-Veröffentlichung geben durch das Label des Orchesters geben. Die letzte Aufnahme der Beethoven-Symphonien des Chicago SO unter Solti ist schließlich schon eine ganze Weile her! :H
Beste Grüße
Holger
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