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Das Ende von Lang Lang? Konzert in Wien 28.2.2010

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    Zitat von Spalatro Beitrag anzeigen
    Ich sehe es so: Die Musik drückt nichts aus, sie weckt Assoziationen in dir. Schon der Titel "Zigeunerweisen" gibt die Richtung vor, und prompt stellen sich (nehme ich an) die konventionellen Vorstellungen von Leuten mit malerischen Kopftüchern und großen goldenen Ohrringen ein, die auf ihren Fideln traurige Lieder spielen. Wenn man dieses verbale Programm nämlich erst einmal im Kopf hat, entkommt man ihm kaum noch. Überspitzt gesagt: Musik hat keinen Ausdruck, sie erweckt beim Zuhörer einen Eindruck.
    Das ist die Meinung von Hanslick. Die Musik kann keine Gefühle "darstellen" oder "ausdrücken", sondern nur eine Gefühlswirkung haben. Die Gefühlswirkung ist eine bloße Assozation, die in keinem notwendigen Zusammenhang mit den musikalischen Strukturen steht. Deshalb ist sie auch ästhetisch irrelevant, ihre Betrachtung gehört deshalb in die Psychologie und nicht die Ästhetik. Ich gehöre zu denjenigen, die Hanslick sehr ernst nehmen. Er hat in der Tat auf die Schwierigkeit hingewiesen, eine musikalische Ausdrucksästhetik zu begründen. Im 18. Jahrhundert hat man tatsächlich nicht zwischen Ausdruck und Wirkung unterschieden, also wenn von Ausdruck gesprochen wurde, war eigentlich Wirkung gemeint. Diesen Schwachpunkt hat Hanslicks Kritik messerscharf offen gelegt. Nur: Wiir unterscheiden bei einem Pantomimen den heiteren Ausdruck seines Gesichts von der heiteren Befindlichkeit, die sein Gesichtsausdruck wiederum in uns auslöst. Ich kann nun durchaus traurig sein, und trotzdem den heiteren Gesichtsausdruck verstehen. Es ist nicht einsehbar, warum Entsprechendes nicht auch für ein musikalisches Thema gelten soll: Das Thema hat den Ausdruck von Heiterkeit und Trauer, unabhängig von meiner Befindlichkeit. Voraussetzung dafür ist, daß man die Musik als eine Sprache intepretieren kann. Das hat Hanslick abgelehnt, und da steckt das Problem. Hanslick ist für mich der Ansporn, eine Ausdrucksästhetik vernünftig zu begründen - seine reduktionistische These halte ich jedoch für - auch theoretisch - nicht haltbar.

    Zitat von Spalatro Beitrag anzeigen
    Meiner Meinung nach ist die Sache mit dem "Ausdruck" genau so ein Mißverständnis wie die "Inspiration". Musik kann nicht inspiriert sein, dazu bräuchte sie ein eigenes Bewußtsein. Sie kann nur den Zuhörer inspirieren. Das bedeutet aber: Sie legt im Zuhörer etwas frei, was in diesem steckt - und nicht in der Musik. Die Bezeichnung "inspirierte Musik" dreht diesen Sachverhalt genau um.
    Wenm man Musik als eine Form von sprachlicher Artikulation vertshet, dann kann sie auch reflektiert und inspiriert sein. Das erschließt sich dann einer Einfühlung.


    Zitat von Spalatro Beitrag anzeigen
    Du glaubst im Ernst, die Musiker der letzten 500 Jahre hätten sich damit beschäftigt, eine Schrift zu entwickeln, die genau das Wesentliche nicht festhalten kann? Entschuldige, aber diese Idee finde ich geradezu grotesk. Damit wäre der Wert jeder schriftlichen Überlieferung von Musik radikal in Frage gestellt. Das Gegenteil ist wahr: Erst die Entwicklung einer adäquaten Notenschrift hat die rasante Entwicklung der abendländischen Musik überhaupt erst möglich gemacht. Wenn man sich immer alles vorsingen muß, geht da nämlich nicht viel weiter.
    Das stimmt im Prinzip, aber nicht immer wird alles Wesentliche aufgeschrieben. Beispiel: Johann Sebastian Bach. Die Notierung ist äußert spärlich, weil sich der Komponist auf die >Aufführungspraxis verlassen hat. Man wußte zu Bachs zeiten, wie man das spielt. Leider ist dieses Wissen verloren gegangen und dann wird es schwierig für die Interpreten. Bachs Notentext fordert deshalb die konkretiiserende Intepretation heraus.

    Beste Grüße
    Holger

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      Zitat von ken Beitrag anzeigen
      Das hast du ja im "Ausgehen in Wien" Thread noch gar nicht erwähnt :C


      lg
      Weiß nicht, ob es meiner Frau dort gefällt. Und die Kinder müssen gegen 20.00 ins Bett.

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        Zitat von Dr. Holger Kaletha Beitrag anzeigen
        Die Musikwissenschaft sieht das völlig anders
        Mag sie. Ich bleibe Formalist. Danke für dieses Wort!

        Zitat von Dr. Holger Kaletha Beitrag anzeigen
        Es gibt im übrigen eine Musiksoziologie - allen voran Adorno, die zeigt, wie soziale Denkmuster in musikalischen Formen widergespiegelt werden.
        Nochmals: Ich bestreite nicht, daß die Denkmuster eines Komponisten seine Musik beeinflussen. (Eine besonders tiefe Erkenntnis ist das übrigens nicht!) Ich bestreite aber weiterhin, daß Musik ein adäquates Transportmittel für nicht-musikalische Gedanken ist. Wer etwas sagen will, soll ein Buch schreiben und keine Symphonie.

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          Zitat von Dr. Holger Kaletha Beitrag anzeigen
          Das ist die Meinung von Hanslick.
          Offenbar ein kluger Mann :-) Ich überlege ernsthaft, mir ein Buch von ihm zuzulegen. Ein Glück, daß er seine Ideen nicht in einem Streichquartett niedergelegt hat.

          Wünsche noch einen schönen Abend allseits!

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            Zitat von Spalatro Beitrag anzeigen
            Ich sehe es so: Die Musik drückt nichts aus, sie weckt Assoziationen in dir. Schon der Titel "Zigeunerweisen" gibt die Richtung vor, und prompt stellen sich (nehme ich an) die konventionellen Vorstellungen von Leuten mit malerischen Kopftüchern und großen goldenen Ohrringen ein, die auf ihren Fideln traurige Lieder spielen. Wenn man dieses verbale Programm nämlich erst einmal im Kopf hat, entkommt man ihm kaum noch. Überspitzt gesagt: Musik hat keinen Ausdruck, sie erweckt beim Zuhörer einen Eindruck.
            Kann demnach nur die Sprache etwas ausdrücken? Mimik und Gestik drückt auch etwas aus! Warum sollte ein Musiker nicht auch mit Tönen etwas ausdrücken können, eben etwas, das sich sprachlich nicht so leicht fassen lässt? Oder warum sollte ein bildender Künstler nicht mir Linien und Farben etwas ausdrücken können, oder ein Tänzer mit Bewegungen? Vielleicht besteht das Missverständnis schlichtweg darin, dass man oft davon spricht, dass Musik etwas ausdrückt. Das ist aber nur verkürzt für "Der Musiker drückt mit seiner Musik etwas aus". Dass dieser Ausdruck bei jedem unterschiedliche Eindrücke hinterlässt, ist ja wohl klar.

            Meiner Meinung nach ist die Sache mit dem "Ausdruck" genau so ein Mißverständnis wie die "Inspiration". Musik kann nicht inspiriert sein, dazu bräuchte sie ein eigenes Bewußtsein. Sie kann nur den Zuhörer inspirieren. Das bedeutet aber: Sie legt im Zuhörer etwas frei, was in diesem steckt - und nicht in der Musik. Die Bezeichnung "inspirierte Musik" dreht diesen Sachverhalt genau um.
            Ich sage deshalb auch lieber "inspierierende Musik". Aber ich würde trotzdem sagen, dass ein Musiker "inspiriert" gespielt hat.


            Du glaubst im Ernst, die Musiker der letzten 500 Jahre hätten sich damit beschäftigt, eine Schrift zu entwickeln, die genau das Wesentliche nicht festhalten kann? Entschuldige, aber diese Idee finde ich geradezu grotesk. Damit wäre der Wert jeder schriftlichen Überlieferung von Musik radikal in Frage gestellt. Das Gegenteil ist wahr: Erst die Entwicklung einer adäquaten Notenschrift hat die rasante Entwicklung der abendländischen Musik überhaupt erst möglich gemacht. Wenn man sich immer alles vorsingen muß, geht da nämlich nicht viel weiter.
            KSTR hat einige Seiten weiter oben so ziemlich das Gegenteil behauptet:


            Die Wahrheit liegt wohl in der Mitte. Die Notation von Musik ist sicher kein Notbehelf, sondern ein wichtiges Kommunikationsmittel für Komponisten, Musiker und Dirigenten. Du hast sicher Recht damit, dass es die Entwicklung der abendländischen Musik stark vorangetrieben hat. Übrigens hat die Entwicklung der musikalischen Notation von Musik nicht erst vor 500 Jahren begonnen:


            Trotz dieser sehr langen Entwicklungsspanne konnte der Komponist mit seinen Noten immer nur bestimmte Parameter festhalten: Tonhöhe, -länge, Rhythmus, Betonung, Dynamik, ...
            Vieles hat sich erst im Laufe der Jahrhunderte entwickelt. Beethoven war z. B. der erste Komponist, der genaue Geschwindigkeitsangaben machte. Die Notation ist aber trotz aller Fortschritte noch immer nicht so genau, dass kein Interpretationsspielraum mehr bestünde. Lässt man einen Computer eine Melodie von Schubert spielen, so klingt das nicht gerade befriedigend. Es braucht den Interpreten, der den Noten leben einhauchen kann.

            Womit wir wieder beim Ausgangspunkt wären. Rein hypothetisch wäre natürlich eine Software denkbar, die alle möglichen Eigenheiten unterschiedlicher Interpreten beherrscht und jeden Stil reproduzieren könnte. Meine persönliche Meinung dazu (siehe auch den Anfang der Diskussion) ist: interessant, aber für mich auf Dauer unbefriedigend. Ich verwies u. a. auf die unterschiedliche kontextabhängige Bedeutung. Nicht einmal die geschriebene Sprache ist ja letztlich so genau, dass sie in jedem Kontext das Gleiche bedeuten würde. Der Satz "Ich liebe dich" von einem hübschen Mädchen ausgesprochen bedeutet einfach etwas anderes als aus dem Munde eines alten Mannes. Und von einem Computer ausgesprochen bedeutet er wieder was anderes. Ohne Kontext ist alles nur bedeutungslose Oberfläche. "The medium is the message" (Marshall McLuhan), wenn auch nicht ausschließlich.

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              Zitat von MusikistTrumpf Beitrag anzeigen
              was man in eine, HIFi Forum alles lernt. Da laufe ich seit Monaten am Weg vom Hotel zu den 3 Hacken vorbei und wundere mich immer über die Rufe "Hallo" von stämmigen Herren und das verspiegelte Fenster an der Tür.

              Aha! Deshalb also.

              .... wobei wenn ich mirs recht überlege kann man dort auch sehr gut essen ....
              also wir kennen natürlich den Koch sehr gut, lassen uns immer ein 4gängiges Menue zusammenstellen ..... das geht natürlich nur als Stammgast ;)

              ach übrigens, der "Eintritt" liegt bei € 150,-- (ohne "Nachspeise") und ab € 500,-- (mit 1h "Nachspeise") - Stammgäste haben Sonderkonditionen

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                Zitat von Spalatro Beitrag anzeigen
                Mag sie. Ich bleibe Formalist. Danke für dieses Wort!
                Gern geschehen!

                Zitat von Spalatro Beitrag anzeigen
                Nochmals: Ich bestreite nicht, daß die Denkmuster eines Komponisten seine Musik beeinflussen. (Eine besonders tiefe Erkenntnis ist das übrigens nicht!) Ich bestreite aber weiterhin, daß Musik ein adäquates Transportmittel für nicht-musikalische Gedanken ist. Wer etwas sagen will, soll ein Buch schreiben und keine Symphonie.
                Du unterstellst damit, daß Ausdruck und wortsprachlicher Ausdruck ein und dasselbe ist. Karl hat zu Recht auf die Mimik und Gestik hingewiesen. Auch ein Taubstummer kann einen Ausdruck verstehen. Da gibt es eine Parallele zur Instrumentalmusik. Es gehört zu ihr eine musikalische Phrasierung, und die hat gestischen Charakter. Franz Liszt spricht von einer sprachdeutlichen "charakteristischen Melodie". Auch ohne daß sie in Worten spricht, kann Musik also etwas ausdrücken. Die Unterscheidung von Musikalischem und Außermusikalischem hat Hanslicks Formalismus "erfunden". Damit läßt sich aber nun mal ein Großteil romantischer Musik überhaupt nicht verstehen. Schaue da doch nochmals in meinen Liszt-Thread. Die literarische Ebene, die bildende Kunst, das Biographische, all das gehört als Reflexionsebene mit zum Verstehen dieser Musik - bis hinein in den Notentext. Ohne all das bleibt diese Musik ein leeres Geklingel. Hermeneutisch gibt es keinen Grund, all diese Ebenen als "außermusikalisch" auszuschließen. Denn sie tragen etwas zum Sinnverstehen bei - und zwar notwendig und unverzichtbar.

                Beste Grüße
                Holger

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                  Zitat von carlinhos Beitrag anzeigen
                  Trotz dieser sehr langen Entwicklungsspanne konnte der Komponist mit seinen Noten immer nur bestimmte Parameter festhalten: Tonhöhe, -länge, Rhythmus, Betonung, Dynamik, ...
                  Vieles hat sich erst im Laufe der Jahrhunderte entwickelt. Beethoven war z. B. der erste Komponist, der genaue Geschwindigkeitsangaben machte. Die Notation ist aber trotz aller Fortschritte noch immer nicht so genau, dass kein Interpretationsspielraum mehr bestünde. Lässt man einen Computer eine Melodie von Schubert spielen, so klingt das nicht gerade befriedigend. Es braucht den Interpreten, der den Noten leben einhauchen kann.

                  Womit wir wieder beim Ausgangspunkt wären. Rein hypothetisch wäre natürlich eine Software denkbar, die alle möglichen Eigenheiten unterschiedlicher Interpreten beherrscht und jeden Stil reproduzieren könnte. Meine persönliche Meinung dazu (siehe auch den Anfang der Diskussion) ist: interessant, aber für mich auf Dauer unbefriedigend. Ich verwies u. a. auf die unterschiedliche kontextabhängige Bedeutung. Nicht einmal die geschriebene Sprache ist ja letztlich so genau, dass sie in jedem Kontext das Gleiche bedeuten würde. Der Satz "Ich liebe dich" von einem hübschen Mädchen ausgesprochen bedeutet einfach etwas anderes als aus dem Munde eines alten Mannes. Und von einem Computer ausgesprochen bedeutet er wieder was anderes. Ohne Kontext ist alles nur bedeutungslose Oberfläche. "The medium is the message" (Marshall McLuhan), wenn auch nicht ausschließlich.
                  Karl, das trifft den Nagel auf den Kopf! :M

                  Beste Grüße
                  Holger

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                    Noch eine Ergänzung: Der Formalismus neigt dazu, die Musik zu "entsemantisieren", sie ihrer Funktion der Ausdrucksmitteilung zu berauben. Höchst problematisch ist das schon in Bezug auf Barockmusik. Die barocken Kompositionslehren haben eine hochkomplexe Figurenlehre entwickelt. Die Figuren haben eine genau festgelegte musikalische Form mit einer exakt definierten Ausdrucksbedeutung und werden entsprechend mit Namen versehen. Eine berühmte Figur ist z.B. der passus duriusculus als Ausdruck für Schmerz und Leiden. Noch Gustav Mahler verwendet ihn in seiner 6. Symphonie. Komponisten benutzen die Figuren wie Vokabeln einer Musiksprache, die jeder versteht. Selbstverständlich wurden in der Barockzeit die Figuren vom Hörer sofort erkannt - heute dagegen ist das nicht mehr selbstverständlich. Nicht alle Interpreten von Barockmusik sind mit der Figurenlehre vertraut, was die Sterilität mancher Intepretationen erklärt. Die Aufgabe der Interpretation ist es hier, die Zeitdistanz zu überbrücken und diese Musiksprache für den heutigen Hörer wieder verständlich zu machen - und damit erfüllt sie ein wesentliches Grundanliegen von musikalischer Hermeneutik, welcher der "Formalismus" so gerne bekämpft.

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                      Zitat von Spalatro Beitrag anzeigen
                      Da ich von afrikanischer und afroamerikanischer Musik praktisch keine Ahnung habe, kann ich gar nicht auf die Idee kommen, daß es sich dabei um "Konversation" oder was auch immer handeln könnte. Dazu bräuchte ich erst einmal das entsprechende Hintergrundwissen. Was ich höre, sind ein Wechselspiel zwischen verschiedenen Musikern, rhythmische Strukturen, teilweise fremdartige Harmonien und Skalen. Damit kann schon etwas anfangen. Was ich ohne weitere Beschäftigung mit den Rahmenbedingungen sicher nicht höre, sind eventuell zusätzlich mit der Musik übertragene Botschaften. Die gehen mir aber auch nicht wirklich ab. Falls es mich doch einmal interessieren sollte, kann ich mich ja immer noch in das Thema einlesen. Bis dahin genügt es mir, wenn es groovt.

                      Es ist eh ok, wenn einem der Groove ausreicht. Aber glaub mir, in der meisten afrikanischen Musik finden Konversationen statt. Das ist einfach so, und das ist auch einfach zu hören. Ich beschäftige mich aber auch schon 30 Jahre mit solcher Musik, wenngleich ich in letzter Zeit hauptsächlich auf europäische Kunstmusik abfahre (ist vielleicht auch altersbedingt ;-))
                      Noch besser, du fragst selber afrikanische Musiker. Es wird dir jeder bestätigen können, dass da mit musikalischen Mitteln Konversation betrieben wird.

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                        Zitat von Dr. Holger Kaletha Beitrag anzeigen
                        Du unterstellst damit, daß Ausdruck und wortsprachlicher Ausdruck ein und dasselbe ist.
                        Nein, ich meine nur, daß Musik weit unterlegen ist, wenn es darum geht, etwas auszudrücken, was im Normalfall die Domäne des Wortsprachlichen ist. Also z.B. alles, was üblicherweise der Inhalt von Programmusik ist. Das Beispiel mit dem Taubstummen zeigt sehr schön, worauf es ankommt: Das, was ein Sprechender mit einem einfachen Satz sagen kann (z.B.: "Ein solcher Reiter möcht' ich werden, wie mein Vater einer gewesen ist"), muß er mühsam durch Augenrollen und Gestikulieren vermitteln. Für eine ernsthafte Unterhaltung muß er auf Schrift oder Gebärdensprache zurückgreifen. Am Klavier vorspielen wird er dir sein Anliegen sicher nicht.

                        Zitat von Dr. Holger Kaletha Beitrag anzeigen
                        Damit läßt sich aber nun mal ein Großteil romantischer Musik überhaupt nicht verstehen.
                        Schon, nur eben nicht so, wie sich die Romantiker das vorgestellt haben. Im Prinzip sind sie mit ihrer Auffassung von Musik daran gescheitert, daß sie deren angestrebten Wirkungsbereich überdehnt und versucht haben, alles mit allem zu vermischen. Das war ein verfehltes Konzept, daß sich letzten Endes auch nicht durchgesetzt hat und heute weitgehend als ausgestorben gelten kann. Was von der romantischen Musik bleibt, sind die Entdeckung der Klangfarbe als selbständiger Wert und die Befreiung von den überkommenen Formzwängen - beides formale bzw. strukturelle Kriterien.

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                          Zitat von carlinhos Beitrag anzeigen
                          Aber glaub mir, in der meisten afrikanischen Musik finden Konversationen statt.
                          Und wovon reden die da? Vom Wetter?

                          Ich lade alle Mitdiskutanten ein, den heutigen Leitartikel einer beliebigen Tageszeitung in Musik zu fassen.

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                            Zitat von Spalatro Beitrag anzeigen
                            Und wovon reden die da? Vom Wetter?

                            Ich lade alle Mitdiskutanten ein, den heutigen Leitartikel einer beliebigen Tageszeitung in Musik zu fassen.
                            Nein, aber das habe ich (und auch Holger) schon mehrmals und klar genug erklärt, dass es eben nicht um verbal Ausdrückbares geht. Für dich gibt es offensichtlich nur den verbalen Ausdruck, und womöglich ist dir auch dabei nicht bewusst, wie mehrdeutig auch dieser ist.

                            Egal, ich versuche es nochmals:
                            Ist für dich - im Gegensatz zu wahrscheinlich mehr als 99% der Experten und Nicht-Experten - Körpersprache, also vor allem Mimik und Gestik kein Kommunikationsmittel. Man kann nicht "Nicht-Kommunizieren" sagt schon Watzlawick. Auch wenn jemand schweigt, kommuniziert er.
                            Wenn du dich mal mit Semantik oder sogar Semiotik beschäftigt hast, müsstest du wissen, dass deine Position nicht haltbar ist. Nenne mir einen einzigen Wissenschafter, der deine Position teilt! Es gibt sprachliche Zeichen, aber das ist bei Weitem nicht alles. Wenn sich Musiker in einer Improvisation unterhalten, dann verwenden sie Rhythmen und Melodien, die sie sich gegenseitig zuspielen, die sie kommentieren, abwandeln, interpretieren usw. So ein Dialog kann sehr kooperativ ausfallen (Melodien und Rhythmen werden gemeinsam weiterentwickelt), es kann sich aber auch ein musikalisches Streitgespräch daraus entwickeln, man denke nur an die Battles im Bebop.

                            Deine Vorstellung einer 1:1-Übersetzung in ein anderes Medium ist rührend naiv. Ich habe weiter oben schon auf die Schwierigkeiten bei der Übersetzung von Sprachen, vor allem aber von Lyrik hingewiesen.

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                              Zitat von Spalatro Beitrag anzeigen
                              Nein, ich meine nur, daß Musik weit unterlegen ist, wenn es darum geht, etwas auszudrücken, was im Normalfall die Domäne des Wortsprachlichen ist. Also z.B. alles, was üblicherweise der Inhalt von Programmusik ist. Das Beispiel mit dem Taubstummen zeigt sehr schön, worauf es ankommt: Das, was ein Sprechender mit einem einfachen Satz sagen kann (z.B.: "Ein solcher Reiter möcht' ich werden, wie mein Vater einer gewesen ist"), muß er mühsam durch Augenrollen und Gestikulieren vermitteln. Für eine ernsthafte Unterhaltung muß er auf Schrift oder Gebärdensprache zurückgreifen. Am Klavier vorspielen wird er dir sein Anliegen sicher nicht.
                              Da hast Du mein Beispiel bezeichnend völlig falsch aufgenommen: Es ging um das Verstehen von Ausdurcksgebärden wie das Lächeln eines Chlowns, wozu es gar keiner Worte bedarf und auch keiner Taubstummensprache. Die Musik ist eine eigene Sprache, die ihre Stärke darin hat, ausdrücken zu können, was sich mit Worten gerade nicht sagen läßt.

                              Zitat von Spalatro Beitrag anzeigen
                              Schon, nur eben nicht so, wie sich die Romantiker das vorgestellt haben. Im Prinzip sind sie mit ihrer Auffassung von Musik daran gescheitert, daß sie deren angestrebten Wirkungsbereich überdehnt und versucht haben, alles mit allem zu vermischen. Das war ein verfehltes Konzept, daß sich letzten Endes auch nicht durchgesetzt hat und heute weitgehend als ausgestorben gelten kann. Was von der romantischen Musik bleibt, sind die Entdeckung der Klangfarbe als selbständiger Wert und die Befreiung von den überkommenen Formzwängen - beides formale bzw. strukturelle Kriterien.
                              Nicht durchgesetzt haben sich die weltanschaulichen Alternativen des 19. Jahrunderts - Programmmusik oder symphonische Musik, Musikdrama oder Oper usw. Die Entwicklungen in der Musik des 20. Jahrhunderts zeigen, daß alle diese Konzepte ihre Berechtigung und Folgen haben - auch die Literarisierung von Musik, die Grenzüberschreitungen: Stockhausens szenische Aufführungen von Instrumentalstücken, die Postmoderne usw. Durch die Postmoderne interpretiert man gerade heute die Grenzüberschreitungen ganz anders - nämlich positiv - als in den "neusachlich" orientierten 60igern und 70igern.

                              Beste Grüße
                              Holger

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                                Lang Lang in der Lehre bei Barenboim (Beethoven: Appassionata)

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