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  • Gast
    Ein Gast antwortete
    Gestern habe ich nach längerer Zeit mal wieder mit meiner Anlage gehört - und einmal mehr den Vergleich gemacht zwischen meiner AVM-Kette und der CD-Wiedergabe mit dem AVM CD 1-Laufwerk und dem Vorverstärker DAC 1.2 und dann am analogen Eingang des AVM angeschlossen dem Denon DCD 1600 NE. Im Vergleich gehört habe ich Sibelius Der Schwan von Tuonela op. 22 und dem Valse triste op. 4 Nr. 1 - Digitalaufnahmen der Deutschen Grammophon von 1984 mit Herbert von Karajan:

    Jean Sibelius: Herbert von Karajan - Complete Sibelius Recordings on Deutsche Grammophon (mit Blu-ray Audio) (5 CDs und 1 Blu-ray Audio) – jpc

    Im Vergleich dazu die SACD mit Hannu Lintu:

    Lemminkäinen Legends/Pohjola's Daughter - Lintu,Hannu, Finnisches Rso, Sibelius,Jean: Amazon.de: Musik

    Die Ondine-SACD ist klangtechnisch extra Klasse und die Aufnahme sehr subtil. Wirklich auch eine ganz tolle Interpretation! In dieser finnischen Aufnahme klingt der Sibelius allerdings eher ein bisschen wie Debussy. Da muss ich sagen, obwohl ich zu Karajan eher ein distanziertes Verhältnis immer hatte, dass bei dieser Musik Karajan einfach unvergleichlich ist. Diese späte Karajan-Aufnahme von 1984 ist ebenfalls hervorragend klanglich, aber Karajan gibt der Musik eine Emotionalität und Expressivität mit dieser romantisch verklärten Schwermut, die unbeschreiblich ist. Karajans von Richard Wagner herkommende Klangästhetik des dynamischen Kontinuums passt hier einfach vollkommen.

    Aber nun zum Vergleich der Geräte. Die beiden Sibelius-Stücke (großes Orchester mit Streicherbesetzung!) mit Karajan klingen mit der kompletten AVM-Kette und dem Denon nicht nur sehr unterschiedlich, sondern auch musikalisch bekommt man einen ganz anderen Eindruck. Der Denon klingt unglaublich genau und präzise. Ein ganz anderes Klangbild! Aber das geht dann klanglich mehr in Richtung französischem Impressionismus, wo man sehr akkurat die einzelnen Klangereignisse serviert bekommt. Mit der AVM-Kette kommt einfach die Emotionalität dieser Aufnahme rüber, was mit dem Denon nicht der Fall ist. Den dynamischen Aufbau der beiden Stücke mit den dramatischen Höhepunkten, all das bekommt man viel besser mit der kompletten AVM-Kette mit. Die ist einfach unglaublich homogen - und das genau passt hier perfekt zu Karajans Klangkontinuum mit den Streichern. Hier ist die Frage der klanglichen Unterschiede also nicht nur eine "akustische" - ein bisschen mehr Auflösung hier, ein etwas präziserer und schlankerer Bass dort - sondern das ästhetische Erlebnis der Musik ist mit der verschiedenen Elektronik ein komplett anderes. Den romantischen Charakter der Musik kann man mit dem Denon eben nicht so eindringlich wahrnehmen. Schön, dass ich diese Alternative habe!

    Schöne Grüße
    Holger

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  • Gast
    Ein Gast antwortete
    Meine Werkeinführung und den Interpretationsvergleich zu den "Miroirs" von Maurice Ravel habe ich weitergeführt - mit dem "spanischen" Stück Alborada del gracioso ("Morgenständchen eines Narren") - dem wohl berühmtesten und meist gespielten des Zyklus, ein teuflisch schweres Virtuosenstück:

    I. Noctuelles Die besprochenen Aufnahmen: Robert Casadesus (CBS (?), New York, 30th Street Studios 3.-7. Dez. 1951) Walter Gieseking (EMI, Abbey-Road Studios London 10.-12., 14-17.12. 1954) Monique Haas (Erato, Eglise Notre Dame du Liban,…


    Schöne Grüße
    Holger
    Zuletzt geändert von Gast; 08.02.2024, 15:03.

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  • longueval
    antwortet
    bachus ist der lateinisierte zweite name des dyonisos, das war der grund ihn einzubringen.
    zur maltechnik könnte ich was abweichendes schreiben, aber das würde zu weit führen. nur so viel, die wahren meister schichten die farbe von grund auf, die kopisten können das nicht analysieren, zumindest damals nicht. daher bleibt ihnen nur, den farbeindruck vorzumischen (ölmalerei).
    das durchscheinen der darunterliegenden schicht macht beim fertigen bild den farbeindruck aus. da vinci zb hat irre viele lasierende schichten übereinender gelegt, daher hat er auch immer irre lange für bilder gebraucht. so erzeugte er übrigens auch sein sfumato. in der fresco malerei geht das technisch nicht, daher hat er versucht andere techniken anzuwenden und ist gescheitert.e in grund, warum das letzte abendmahl kaputt ist im original, was man jetzt sieht, sind endlose reparaturversuche.

    Zuletzt geändert von longueval; 19.01.2024, 18:42.

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  • Palisanderwolf
    antwortet

    Nach Jan van Eycks Arnolfini-Porträt (1434) und vor Diego Velasquez' Las Meninas (1656) zählt dieses Gemälde zu den Meisterwerken, die für die ursprüngliche Kühnheit ihres Autors bekannt sind. Tatsächlich waren Selbstporträts vor dem Aufkommen der modernen Kunst (sehr) selten: Kein Mäzen wollte ein Künstlerporträt kaufen, und diese Malerübungen flirteten gefährlich mit dem Egozentrismus , in einem Klima, das von religiösen Dogmen gebrandmarkt war. Wir waren damals noch weit von einer #Selfie-Generation entfernt , …
    Ähnlich verhält es sich womöglich mit dem Begriff (und der individuellen Wahl ) eines „ Avatar“.
    Wiki sagt uns
    Das Wort leitet sich aus dem Sanskrit ab. Dort bedeutet अवतार (Avatāra) „Abstieg“, was sich auf das Herabsteigen einer Gottheit in irdische Sphären bezieht. Der Begriff wird im Hinduismus hauptsächlich für die Inkarnationen Vishnus verwendet.
    LG
    Bernd

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  • Gast
    Ein Gast antwortete
    Das Bild von Carravaggio ist natürlich wirklich toll.

    2006 gab es in Düsseldorf eine Caravaggio-Ausstellung, die ich besucht hatte:

    Nur wenige Künstler haben bereits zu Lebzeiten mit ihren ausdrucksstarken Werken und ihrem bewegten


    Sehr eindrucksvoll! Hoch interessant die modernen Forschungen, was in der Ausstellung gezeigt wurde. Man kann tatsächlich durch moderne technische Analysemethoden die orginalen Caravaggios von den vielen späteren Kopien und Imitationen unterscheiden. Das ist der Farbaufbau. Caravaggio und Rembrandt sind die "Erfinder" der Lichtmalerei (hell-dunkel). Caravaggio hat das erzielt, indem er einen weißen Farbgrund unterlegt hat, was den Farben die Leuchtkraft verleiht. Das haben die vielen Imitatoren nicht getan.

    Schöne Grüße
    Holger
    Zuletzt geändert von Gast; 19.01.2024, 14:30.

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  • Dezibel
    antwortet
    Gemalt von einem der größten Bad Boys der Kunstgeschichte, jahrzehntelang in der prestigeträchtigen Medici-Sammlung ausgestellt, dann verloren und verfallen in den Reservaten eines Florentiner Museums gefunden. Heute konzentrieren wir uns auf das rätselhafte Gemälde von Caravaggio: Der Bacchus .


    LG, dB

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  • Palisanderwolf
    antwortet
    Zitat von longueval Beitrag anzeigen
    hör ich da nietzsche? da werd ich gleich ganz apollinisch

    Klicke auf die Grafik für eine vergrößerte Ansicht

Name: 61542e92318328.75862454_caravaggio-bacchus-1592-1597.jpg
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ID: 689004

    Wer hat da wem Modell gesessen?

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  • Gast
    Ein Gast antwortete
    Zitat von Palisanderwolf Beitrag anzeigen
    Aber bei manchen „Musikliebhabern“ , darunter auch Holger, frage ich mich schon auch mal, wo er das Alles hernimmt, das ganze Vokabular und die vielen passenden feinsinnigen Wendungen. Hört er noch oder schreibt er schon wieder, oder schreibt er gar parallel zum Hören?

    Gast

    Ich glaube, Du schreibst/hörst Dich manchmal in eine leicht dionysisch bacchanale Ekstase.
    Ist ja nichts Verwerfliches.
    Solltest dann allerdings kein Auto fahren.
    Die "dionysisch bacchiale Ekstase" gehört zur Wirkung von Musik - und diese ist in der Tradition, die vom Christentum geprägt wird, auch immer wieder gerne dämonisiert worden. Schön nachzuvollziehen ist das in der Literatur, die sich mit Musik und dem Erleben von Musik beschäftigt. Ein Beispiel ist Eduard Mörikes Novelle Mozart auf der Reise nach Prag:

    'Mozart auf der Reise nach Prag' von 'Eduard Mörike' - Buch - '978-3-15-004741-5' (thalia.de)

    Ein Carlos Kleiber vermag eben den Hörer in Begeisterung zu versetzen mit der Begeisterung, mit der er die Musik selber erlebt. Der Kenner hat zudem verschiedene Interpretationen derselben Stückes im CD-Regal - und im Vergleich ist genau das zu bemerken, was bei anderen Interpretationen eben nicht selbstverständlich ist. Es wird wohl kaum einen Hörer geben, auf den sich diese Begeisterung Kleibers, mit der er Musik macht, nicht überträgt. Das kann man auch immer wieder lesen, z.B. in den Kommentaren zum letzten Neujahrskonzert in Wien. Thielemann war sehr gut heißt es - hatte aber nicht Kleibers Enthusiasmus.

    Es gibt übrigens ein Orchesterstück, dass das Ekstatische im Titel hat - das "Poeme de l´extase" von Alexander Scriabin. Kenner wissen zudem, dass Scriabins 5. Klaviersonate ebenfalls eine Realisierung der Ekstase ist, die offene Form einer Spirale hat, die sich immer weiter ekstatisch hochschraubt.

    Schöne Grüße
    Holger

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  • Gast
    Ein Gast antwortete
    Zitat von ruedi01 Beitrag anzeigen
    Man hört leider aber auch die Fehler, die man bei frühen Digitalproduktionen gemacht hat. Ich besitze mehrere Denon Classical Sampler aus den 80er Jahren mit ausgewählten Musikstücken aus dem Denon Repertoire. Alles ist auf vordergründig spektakuläre Dynamik getrimmt, dabei hat man es hier und da auch mal übertrieben und den Pegel zu hoch ausgesteuert. Die Analytik ist ausgezeichnet, leider fehlt es aber irgendwie an natürlicher Konzerthaus Akustik. Die Perfektion wird auf Kosten der Natürlichkeit auf die Spitze getrieben.

    Eine entspannter und stundenlang angenehmer Musikgenuss will irgendwie nicht aufkommen. Das geht (mir) nach zehn Minuten schon auf die Nerven. Das konnten DG, Decca und Philips besser. Zur Musik selber kann und will ich mangels fehlendem Wissen nicht viel sagen außer es gefällt mir oder nicht.
    Die Gefahr bei einem Sampler ist allerdings, dass da ganz bewusst die "Reißer" zusammengepackt werden. Das muss dann nicht repräsentativ sein. Die Mahler-Aufnahmen aus der Alten Oper Frankfurt jedenfalls sind in keiner Weise übertrieben, sondern sehr natürlich. Die analytische Durchhörbarkeit passt auch zu Mahler - Mahler selbst forderte vom Orchester vor allem "Deutlichkeit". Bei Ravel (Inbal) im Vergleich von Denon und DGG (Abbado) zeigt, dass die DGG-Aufnahme deutlich dynamischer ist. Denon hat auch Aufnahmen mit Klavier gemacht: Bruno Leonardo Gelber z.B. Die Aufnahmen sind sehr gut, aber auch nicht überragend im Vergleich mit anderen Labels. Ravel ist aufnahmetechnisch eine Herausforderung. Die Dynamikspanne ist so extrem hoch, dass man bei Daphnis et Chloe (der Ballettfassung) bei fast jeder Aufnahme schon beim ersten Stück merkt, wo die Tontechniker die Regler kräftig runtergezogen haben auf dem Mischpult...

    Schöne Grüße
    Holger

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  • longueval
    antwortet
    hör ich da nietzsche? da werd ich gleich ganz apollinisch

    Klicke auf die Grafik für eine vergrößerte Ansicht

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    Zuletzt geändert von longueval; 18.01.2024, 16:56.

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  • Palisanderwolf
    antwortet
    Zitat von ruedi01 Beitrag anzeigen
    Was kaum jemand weiß, Denon (Nippon Columbia) ist der Pionier der digitalen Musikproduktion. Bereits 1971 veröffentliche Denon ein digital produziertes Album. Mit der Audio-CD in den 80er Jahren war Denon dann mit Klassikproduktionen ganz vorne mit dabei.

    Man hört leider aber auch die Fehler, die man bei frühen Digitalproduktionen gemacht hat. Ich besitze mehrere Denon Classical Sampler aus den 80er Jahren mit ausgewählten Musikstücken aus dem Denon Repertoire. Alles ist auf vordergründig spektakuläre Dynamik getrimmt, dabei hat man es hier und da auch mal übertrieben und den Pegel zu hoch ausgesteuert. Die Analytik ist ausgezeichnet, leider fehlt es aber irgendwie an natürlicher Konzerthaus Akustik. Die Perfektion wird auf Kosten der Natürlichkeit auf die Spitze getrieben.

    Eine entspannter und stundenlang angenehmer Musikgenuss will irgendwie nicht aufkommen. Das geht (mir) nach zehn Minuten schon auf die Nerven. Das konnten DG, Decca und Philips besser. Zur Musik selber kann und will ich mangels fehlendem Wissen nicht viel sagen außer es gefällt mir oder nicht.

    Gruß

    RD

    Ist ja grundsätzlich keine schlechte Einstellung, hat sich auch beim Wein bewährt, selbst wenn man sehr gebildet ist und relativ viel über Wein oder Musik und die Wechsel- Beziehung der Menschen dazu weiß.

    Bei Manchen gehört aber genau das bewußte Reflektieren des Gehörten zum Musikgenuss und zum Hobby dazu.
    Da ist natürlich nichts dagegen zu sagen, es kann sogar durchaus auch sehr „ergötzlich“ sein.

    Aber bei manchen „Musikliebhabern“ , darunter auch Holger, frage ich mich schon auch mal, wo er das Alles hernimmt, das ganze Vokabular und die vielen passenden feinsinnigen Wendungen. Hört er noch oder schreibt er schon wieder, oder schreibt er gar parallel zum Hören?

    Gast

    Ich glaube, Du schreibst/hörst Dich manchmal in eine leicht dionysisch bacchanale Ekstase.
    Ist ja nichts Verwerfliches.
    Solltest dann allerdings kein Auto fahren.

    LG
    Bernd

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  • ruedi01
    antwortet
    Was kaum jemand weiß, Denon (Nippon Columbia) ist der Pionier der digitalen Musikproduktion. Bereits 1971 veröffentliche Denon ein digital produziertes Album. Mit der Audio-CD in den 80er Jahren war Denon dann mit Klassikproduktionen ganz vorne mit dabei.

    Man hört leider aber auch die Fehler, die man bei frühen Digitalproduktionen gemacht hat. Ich besitze mehrere Denon Classical Sampler aus den 80er Jahren mit ausgewählten Musikstücken aus dem Denon Repertoire. Alles ist auf vordergründig spektakuläre Dynamik getrimmt, dabei hat man es hier und da auch mal übertrieben und den Pegel zu hoch ausgesteuert. Die Analytik ist ausgezeichnet, leider fehlt es aber irgendwie an natürlicher Konzerthaus Akustik. Die Perfektion wird auf Kosten der Natürlichkeit auf die Spitze getrieben.

    Eine entspannter und stundenlang angenehmer Musikgenuss will irgendwie nicht aufkommen. Das geht (mir) nach zehn Minuten schon auf die Nerven. Das konnten DG, Decca und Philips besser. Zur Musik selber kann und will ich mangels fehlendem Wissen nicht viel sagen außer es gefällt mir oder nicht.

    Gruß

    RD

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  • Gast
    Ein Gast antwortete
    Zitat von E.M. Beitrag anzeigen
    was Du zu Carlos Kleiber geschrieben hast, kann ich nur voll und ganz bestätigen und es deckt sich ja auch mit meinen entsprechenden Beschreibungen bei "Dolores Musiktipps" (zuletzt zum Thema Neujahrskonzert im Vergleich zu Karajan, der es erst gegen Ende schaffte das Publikum so zu begeistern, wie Kleiber vom Start weg).
    Die berühmten DENON-Aufnahmen gibt es seit einigen Jahren wieder im Handel bei Dabringhaus und Grimm (www.mdg.de), allerdings nicht das Gesamtprogramm, sondern nur "passende" Titel - ist möglicherweise ein Rechteproblem.
    Die Mahler-Box und etliche andere habe ich natürlich auch im Archiv.
    Lieber Edward,

    Deinen Thread finde ich toll - das muss ich hier auch nochmals sagen und schaue gerne immer wieder rein! Seit ich diesen genialen Probenmitschnitt kürzlich gesehen habe, höre ich die Fledermaus-Ouvertüre ganz anders! Der Erzromantiker Novalis sprach von einer "Kultur des Enthusiasmus". "Enthusiasmus" - grenzenlose Leidenschaft und Begeisterung, genau das ist es, was Carlos Kleiber der Musik geben konnte und was wie ich finde kein anderer Dirigent verkörpert. Er lebt und leidet mit der Musik, in die er voll und ganz aufgeht.. Und das ist einfach elektrisierend. Dabei hat er nie übertrieben wie manche Dirigenten heute (Stichwort HIP). Kleiber ist temperamentvoll bis in die letzte Note, aber er forciert die Musik nie künstlich. Wenn man das nämlich tut, dann wirkt die Musik nicht mehr so frei und der Ausdruck von Ausgelassenheit stellt sich nicht ein. Das ist so bei Karajans auf Virtuosität getrimmer Einspielung der Beethoven Symphonien aus den 70igern (da ist die alte von 1963 finde ich auf jeden Fall vorzuziehen). Er spielt die beiden letzten Sätze der 7. Symphonie von Beethoven so schnell, dass man meint, der Dirigient ist ein Einpeitscher von Galeerensklaven, zu denen er die Musiker verurteilt hat. Die können dieses Höllentempo mitgehen freilich, aber dass alles wirkt nicht mehr selbstverständlich, sondern wie gemacht und gelenkt und deshalb irgendwie zwanghaft und von außen "dirigiert". Damit geht genau das Entscheidende verloren: das von allen Zwängen befreite, extatisch ausgelassene Musizieren, was für diese Musik wirklich wesentlich ist. Man darf ja nicht vergessen, dass Beethoven das geschrieben hat im Zeitalter des Deutschen Idealismus. Die "Freiheit" ist der zentrale Gedanke des Idealismus. Musik soll uns befreien von allen weltlichen Unzulänglichkeiten, den tausend Gefängnissen, in die uns das alltägliche Leben einsperrt. Das ist gelebte Utopie - genau so sollte man den Jubel der 7. Beethoven verstehen, als Ausdruck eines grenzenlosen Freiheitsgefühls. Bei Kleiber stellt sich genau das sofort ein - vor allem bei diesem Konzertmitschnitt.

    Nun nochmal zu Ravel. Die Denon-Aufnahmen sind in der Regel sehr gut. Nur gerade bei Ravel gibt es eine nicht nur musikalisch, sondern auch aufnahmetechnisch herausragende Einspielung, die ist gerade auch klanglich von der Technik her der Denon-Aufnahme turmhoch überlegen - eine der besten Aufnahmen, die die Deutsche Grammophon je gemacht hat. Eine Lautsprecher-Testplatte par excellence. Exttrem klar und sauber, farbig und unglaublich dynamisch - vor allem bei der Rhapsodie espagnole: Claudio Abbado mit dem London SO:






    Schöne Grüße
    Holger

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  • E.M.
    antwortet
    Lieber Holger,
    was Du zu Carlos Kleiber geschrieben hast, kann ich nur voll und ganz bestätigen und es deckt sich ja auch mit meinen entsprechenden Beschreibungen bei "Dolores Musiktipps" (zuletzt zum Thema Neujahrskonzert im Vergleich zu Karajan, der es erst gegen Ende schaffte das Publikum so zu begeistern, wie Kleiber vom Start weg).
    Die berühmten DENON-Aufnahmen gibt es seit einigen Jahren wieder im Handel bei Dabringhaus und Grimm (www.mdg.de), allerdings nicht das Gesamtprogramm, sondern nur "passende" Titel - ist möglicherweise ein Rechteproblem.
    Die Mahler-Box und etliche andere habe ich natürlich auch im Archiv.

    LG
    E.M.

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  • Gast
    Ein Gast antwortete
    Gestern hatte ich - glaube ich zum ersten Mal im neuen Jahr - wieder einmal Zeit, mit meiner "großen" Anlage zu hören, also der AVM-Kette inclusive angeschlossenem Denon DCD 1600 NE.

    "Klassische Musik" wird ja oft synonym verwendet mit "ernste Musik", wobei man sich dann vorstellt, dass man die Musik stocksteif mit einer Leichenbittermiene spielen und als Hörer aufnehmen müsste. Keiner hat das eindrucksvoller widerlegt als der legendäre Carlos Kleiber. Diesen unglaublichen Probenmitschnitt von 1970 sollte man sich anschauen - fälschlich wird dort die Freischütz-Ouvertüre angegeben, es handelt sich aber um die Feldermaus-Ouvertüre von Johann Strauss, also "ur-wienerische" Musik:




    1970 - das war die Zeit der 1968iger Revolte. Unter den Musikern merkt man das an einigen Herren, die unverschämt im Rollkragenpullover dasitzen. Die anderen sitzen da noch ganz stocksteif im Anzug - wirken eher wie Staatsbeamte aus der Adenauer-Ära als Musiker, die zudem eine federleichte Operettenmusik spielen sollen. Was für ein Kontrast Carlos Kleiber! Er sprüht nur so vor Witz, Charme und glühender Lebensfreude. Was er da vollbringt, ist ein pädagogisches Wunder: Aus diesen grauen Mäusen von braven Orchesterbeamten holt er Musik heraus, die nur so sprüht vor Energie und der Leichtigkeit der Lebenslust. Carlos Kleiber mit seinem Witz, seiner Ironie bekommt alles was er will. Er ist bemerkenswert kein Pultdikator wie Toscanini oder Karajan, sondern unglaublich charmant. Und diesem seinem Chamre kann Niemand widerstehen. Niemand gelingt die Feldermaus-Ouvertüre so wienerisch leicht wie Carlos Kleiber. Legendär sind seine beiden Neujahrskonzerte mit den Wiener Philharmonikern - und das habe ich mir von der CD angehört, gleich zweimal, einmal mit der AVM Wandler-Laufwerkskette und dann mit dem Denon. Hier hatte der Denon seine Vorteile mit dem schlanken und präzisen Klang. Er vermittelt einfach diese unglaubliche, federnde Leichtigkeit besser. Wie schön, wenn man zwei solche außergewöhnlich gut klingenden Alternativen hat und wählen kann...

    Provided to YouTube by Sony ClassicalDie Fledermaus: Overture · Carlos Kleiber · Wiener Philharmoniker · Johann Strauss IICarlos Kleiber Conducts Johann Stra...


    Für mich "die" Carlos Kleiber-Aufnahme schlechthin ist die 7. Symphonie von Beethoven, die Richard Wagner die "Apotheose des Tanzes" nannte. Die revolutionäre Emotionalität dieser Musik vermittelt Niemand so wie Kleiber (die Zeitgenossen hielten Beethoven schlicht für verrückt, dass er so etwas komponiert): die totale Ausgelassenheit und den orgiastischen Taumel. Lebensfreude und Lebensenergie pur! Im Konzert hat Kleiber das noch viel drastischer ausgelebt als in der perfekten Studioaufnahme mit den Wiener Philharmonikern. Es gibt diesen Live-Mitschnitt mit dem Bayrischen RSO als SACD - den kann ich nur wärmstens empfehlen. Bezeichnend die Reaktion des Publikums: Bevor der Beifallssturm losbricht wirkt es wie betäubt in Trance nach dem Feuerwerk an leidenschaftlicher Energie, das Carlos Kleiber da entfacht hat. Zuerst kommt nur zögerliches, zaghaftes Klatschen...

    https://www.jpc.de/jpcng/classic/detail/-/art/Ludwig-van-Beethoven-1770-1827-Symphonie-Nr-7/hnum/1344293?iampartner=spon6&awc=150&awa=1261&gclid=EA IaIQobChMIguKImdTkgwMVToCDBx1WGgQWEAQYASABEgI-MfD_BwE

    Und nun der Nachtrag zu Ravel. Ich hatte geschrieben, dass der Denon DCD 1600 NE bei der Orchesterversion von Une barque sur l´ocean mir zu trocken klingt im Vergleich mit der AVM Laufwerks/Wandlerkombi. Inzwischen habe ich mich erinnert, dass ich noch einen anderen interessanten Vergleich machen kann. Denon hatte früher ein eigenes Label und hat CDs produziert. Die Aufnahmen waren berühmt für ihre hervorragende Klangqualität. Einen sehr guten Ruf haben nach wie vor die Denon-Aufnahmen der Mahler Symphonien aus der Alten Oper Frankfurt mit Eliahu Inbal. Inbal hat auch das komplette Orchesterwerk von Ravel mit dem Orchestre National de France aufgenommen. Das Label Denon gibt es schon lange nicht mehr - die Denon-Ravel-Aufnahmen sind aber mal als eine Box von Brilliant Classics wiederveröffentlicht worden - und die habe ich:

    https://www.ebay.de/itm/325447374113?chn=ps&_ul=DE&_trkparms=ispr=1&amdata =enc:1ENRoovGkTge4dgAQL0Jdlw27&norover=1&mkevt=1&m krid=707-134425-41852-0&mkcid=2&mkscid=101&itemid=325447374113&targeti d= 1716911582119&device=c&mktype=pla&googleloc=904394 4&poi=&campaignid=17943303986&mkgroupid=14064215 01 18&rlsatarget=pla-1716911582119&abcId=9301060&merchantid=7364532

    Meine Vermutung hat sich bestätigt. Die Aufnahme von Denon selbst, gemacht mit Denon-Elektronik, hat den typischen etwas trockenen Klang im Hochtonbereich, den auch mein DCD 1600 NE bei der Exton-Aufnahme von Vladimir Ashkenazy zeigt. Das ist sowohl mit der Wiedergabe über AVM als auch mit dem Denon nachvollziehbar. Interpretatorisch finde ich Inbal bei Ravel (anders als bei Mahler, da ist er hervorragend!) nicht so berauschend. Aber der Klangvergleich ist spannend! Das versteht man auch, wenn man sich mit Ravel näher beschäftigt. Jean Cocteau sprach davon, dass Ravel den Impressionismus geläutert habe, das sei eine "Musik ohne Sauce!" - also eher trocken, kein Monet-Bild in der Musik also. In Alborada del gracioso, ebenso aus dem Zyklus Miroirs, steht sogar am Anfang die Spielanweisung "sec" = deutsch "trocken". Die Orchestrierung ist bei Une barque sur l´ocean, was ursprünglich ein Klavierstück ist, ist auch eher ein wenig unsinnlich-spröde. Wenn das dann noch durch die Aufnahme- und Wiedergabetechnik betont wird, fällt es schließlich auf. Es ist meine Erfahrung über Jahre, dass solche ästhetischen Feinheiten der unterschiedlichen klanglichen Wiedergabe nicht bei jeder Aufnahme gleich gut nachzuvollziehen sind, aber bei manchen dann deutlich. Das ist hier der Fall!

    Im Tamino-Forum auf meiner Kolumnenseite gibt es eine Werkeinführung mit Interpretationsvergleich von Ravels Miroirs - ich habe bisher allerdings nur die ersten drei Stücke geschafft, die beiden letzten folgen noch. Wer sich dafür interessiert, kann das hier nachlesen in einer Mußestunde und sich dann die Musik anhören:

    I. Noctuelles Die besprochenen Aufnahmen: Robert Casadesus (CBS (?), New York, 30th Street Studios 3.-7. Dez. 1951) Walter Gieseking (EMI, Abbey-Road Studios London 10.-12., 14-17.12. 1954) Monique Haas (Erato, Eglise Notre Dame du Liban,…


    Schöne Grüße
    Holger

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