Zu diesem Beitrag bin ich durch den Tiefkühlkabeldiskussionsfaden angeregt worden. Wie wird man also zum gefühlskalten, tauben und rechthaberischen Technokraten, der den feingeistigen Philosophen nicht ihr Hörglück und den um die Nuancen kämpfenden Boutique-High-End-Herstellern nicht die Butter auf dem Brot gönnt?
Vorab: Ich habe eine Naturwissenschaft studiert und arbeite auch als Naturwissenschaftler.
1.Phase: Jugendliche Audiobegeisterung
Sowohl Musik als auch Audiotechnik (ursprünglich Radiotechnik) haben mich als Jugendlicher extrem begeistert. Meine erste Anlage:
CEC /Visonik Plattenpieler (gab es ca. 1980 für sehr wenig Geld, meiner hat, glaub' ich, DM 99,- gekostet). Davor ein geschenkter Dual 1210, aber der zählt nicht …
Shure M75-6S Tonabnehmer (DM 27,-)
Dual CV31 Vollverstärker. Ich glaube, der hatte 2x10W. Heute wäre das High-End. DM 198,-
Teleton Stereo-Tuner: DM 98,-. Vorführgerät. Ich konnte dem Verkäufer sogar noch das passende DIN-Kabel abschwatzen - war ich stolz!
Grundig Röhren-Stereo-Tonbandgerät TM60 Baujahr 1959. Geschnorrt, DM 0,-
Dual Einweglautsprecher (schon damals habe ich großen Wert auf "Zeitrichtigkeit" gelegt ;)), ca. 20x30x12cm, je ein Oval-Lautsprecherchassis, aus dem Müll gezogen. DM 0,-
Und, soll ich euch was sagen? Mit dieser Anlage habe ich Platten wie die Dark Side of the Moon von Pink Floyd kennengelernt und im Nachhinein würde ich subjektiv (unter Würdigung des Gesamterlebnisses) sagen: Das war die geilste Anlage, die ich je hatte. (Der Dual hatte eine Pseudo-Quadro-Schaltung am Lautsprecherausgang. Für das ultimative Klangglück mussten die Eltern aus dem Haus sein. Dann wurden die Lautsprecher der elterlichen Anlage als Hauptlautsprecher angeschlossen, die Dual-Lautsprecher wurden zu den "Rears" und er Hubschrauber flog um mich herum.) Ich war extrem glücklich und zufrieden damit. Wenn ich damals schon Geld gehabt hätte, dann wäre meine Anlage wohl von Thorens, Kenwood, Yamaha, Infinity usw. gewesen …
2.) Phase: Jugendliche Bastelbegeisterung
Danach habe ich Lautsprecher und Verstärker nur noch selbst gebaut. Audax, KEF, Elektor und diverse Bücher waren meine Freunde. Gleichzeitig habe ich in der Bibliothek Audio, Stereoplay und Hifi-Stereophonie verschlungen. Weil ich auch als Jugendlicher schon klassische Musik gehört habe, haben mich Schallplatten schon zu dieser Zeit wegen Knistern, Knacken und (vor allem!) Verzerrungen genervt. Ich habe Anfang der Achtziger wirklich gehofft, dass sich das Philips-System für eine Digitalschallplatte durchsetzen möge (berührungslose Abtastung mit Laser) und nicht das Telefunken System (piezoelektrische Abtastung ähnlich TED – mit Verschleiß). 1984 habe ich meinen ersten CD-Player gekauft, einen Philips CD 100. Von 1982 bis ca. 2005 habe ich nur selbst gebaute Verstärker und Lautsprecher benutzt.
3. Phase: Immer noch Basteln, aber es muss immer besser werden. Erste Zweifel.
Das war die Hochzeit des Lautsprecherbastelns. Bei Läden wie Mivoc, ACR oder irgendwelchen kleinen Klitschen hat man wirklich alles zum Basteln bekommen. Die Lektüre der Hifiblätter (inkl. echter "Profi"-Magazine wie "Das Ohr") war inzwischen Pflicht, auch die "High-End" (netterweise direkt vor der Tür) wurde regelmäßig besucht. Eine Zeitlang habe ich mich bei der Wahl "Essen oder neue CDs" klar für "neue CDs" entschieden (würde mir heute sehr gut bekommen …).
Gleichzeitig war mein Selbstgebasteltes inzwischen auch halbwegs anhörbar und erste Zweifel kamen auf. Selbst wenn in den gierig gelesenen Hifi-Postillen einfachste Lautsprecher für DM 600,-/Paar besprochen wurden (irgendwelche Mission oder Celestion-Kisten fallen mir da ein …), waren die Beschreibungen so, dass diese Lautsprecher eigentlich um Welten besser sein mussten, als das, was ich hatte. Weil bei Händlern oder auf der Messe aber leicht zu hören war, dass diese Lautsprecher nicht näherungsweise so großartig klangen, wie in den Postillen beschrieben, war mein Vertrauen in letztere nachhaltig erschüttert.
4. Genug gelernt, um selbst Elektronik zu entwickeln und zu testen
Immer noch waren Lautsprecher und Elektronik selbstgebaut (die letzten selbstgebauten, aber nicht selbst entwickelten, Lautsprecher waren Manger 103 und Linkwitz Orion), aber inzwischen hatte ich z.B. irgendwelche supertollen diskreten Schaltungen direkt mit einem Operationsverstärker verglichen und – bevorzugt mit Kopfhörern – keinen Unterschied gehört. Auch die Umschaltung zwischen einem Stück Draht und einem OP27 oder einem NE5534 mit V=1 erbrachte keinen hörbaren Unterschied. Mein einfachster Test für so etwas war ein Drucktaster, den ich mit geschlossenen Augen ein paar Mal sehr schnell betätigt habe, so dass ich am Ende nicht mehr wusste, welche Stellung aktiv war (geht auch sehr gut mit einem Endlosdrehschalter). Und weg waren all die tollen Unterschiede, die ich zuvor natürlich auch gehört hatte und die immer überall so beeindruckend geschildert wurden. Gleichzeitg hatten die Hifi-Postillen gerade noch rechtzeitig Klangunterschiede zwischen CD-Playern entdeckt und bei den Verstärkern gab es auch Riesen-Unterschiede.
Kurz danach habe ich dann das letzte Mal irgendwelche Hifiblätter gekauft – seitdem bin ich clean. Meine Lautsprecher machen ca. 60% der Kosten für meine Anlage aus und ich habe sowohl theoretisches als auch praktisches (Erfahrungs-) Wissen, dass mich davon abhält, mir von Boutique-High-End-Herstellern das Geld aus den Taschen ziehen zu lassen. Für euch, liebe Boutique-High-End-Industrie, ist das durchaus tragisch: Ich habe euch noch geglaubt, als ich noch nicht das Geld hatte. Heute habe ich das Geld – aber ich glaube euch nix mehr und kaufe euch nichts mehr ab … Ich gebe gern zu, dass das wahrscheinlich nicht ganz gerechtfertigt ist, aber so ist es halt.
Meine aktuelle Nicht-Boutique-High-End-Anlage:
Sony CDP-X 202ES
Benchmark DAC1
MacBook Pro
Funk MTX
K+H O410
Nicht wirklich gut, aber man erkennt die Musik wieder …
Wenn man also eines ganz sicher nicht zu Recht über mich sagen kann, dann, dass mir die eigene Erfahrung fehlt. Was mir fehlt, ist die Leichtgläubigkeit, die mir auch in meinem Beruf große Probleme bereiten würde.
Gruß
Thomas
Vorab: Ich habe eine Naturwissenschaft studiert und arbeite auch als Naturwissenschaftler.
1.Phase: Jugendliche Audiobegeisterung
Sowohl Musik als auch Audiotechnik (ursprünglich Radiotechnik) haben mich als Jugendlicher extrem begeistert. Meine erste Anlage:
CEC /Visonik Plattenpieler (gab es ca. 1980 für sehr wenig Geld, meiner hat, glaub' ich, DM 99,- gekostet). Davor ein geschenkter Dual 1210, aber der zählt nicht …
Shure M75-6S Tonabnehmer (DM 27,-)
Dual CV31 Vollverstärker. Ich glaube, der hatte 2x10W. Heute wäre das High-End. DM 198,-
Teleton Stereo-Tuner: DM 98,-. Vorführgerät. Ich konnte dem Verkäufer sogar noch das passende DIN-Kabel abschwatzen - war ich stolz!
Grundig Röhren-Stereo-Tonbandgerät TM60 Baujahr 1959. Geschnorrt, DM 0,-
Dual Einweglautsprecher (schon damals habe ich großen Wert auf "Zeitrichtigkeit" gelegt ;)), ca. 20x30x12cm, je ein Oval-Lautsprecherchassis, aus dem Müll gezogen. DM 0,-
Und, soll ich euch was sagen? Mit dieser Anlage habe ich Platten wie die Dark Side of the Moon von Pink Floyd kennengelernt und im Nachhinein würde ich subjektiv (unter Würdigung des Gesamterlebnisses) sagen: Das war die geilste Anlage, die ich je hatte. (Der Dual hatte eine Pseudo-Quadro-Schaltung am Lautsprecherausgang. Für das ultimative Klangglück mussten die Eltern aus dem Haus sein. Dann wurden die Lautsprecher der elterlichen Anlage als Hauptlautsprecher angeschlossen, die Dual-Lautsprecher wurden zu den "Rears" und er Hubschrauber flog um mich herum.) Ich war extrem glücklich und zufrieden damit. Wenn ich damals schon Geld gehabt hätte, dann wäre meine Anlage wohl von Thorens, Kenwood, Yamaha, Infinity usw. gewesen …
2.) Phase: Jugendliche Bastelbegeisterung
Danach habe ich Lautsprecher und Verstärker nur noch selbst gebaut. Audax, KEF, Elektor und diverse Bücher waren meine Freunde. Gleichzeitig habe ich in der Bibliothek Audio, Stereoplay und Hifi-Stereophonie verschlungen. Weil ich auch als Jugendlicher schon klassische Musik gehört habe, haben mich Schallplatten schon zu dieser Zeit wegen Knistern, Knacken und (vor allem!) Verzerrungen genervt. Ich habe Anfang der Achtziger wirklich gehofft, dass sich das Philips-System für eine Digitalschallplatte durchsetzen möge (berührungslose Abtastung mit Laser) und nicht das Telefunken System (piezoelektrische Abtastung ähnlich TED – mit Verschleiß). 1984 habe ich meinen ersten CD-Player gekauft, einen Philips CD 100. Von 1982 bis ca. 2005 habe ich nur selbst gebaute Verstärker und Lautsprecher benutzt.
3. Phase: Immer noch Basteln, aber es muss immer besser werden. Erste Zweifel.
Das war die Hochzeit des Lautsprecherbastelns. Bei Läden wie Mivoc, ACR oder irgendwelchen kleinen Klitschen hat man wirklich alles zum Basteln bekommen. Die Lektüre der Hifiblätter (inkl. echter "Profi"-Magazine wie "Das Ohr") war inzwischen Pflicht, auch die "High-End" (netterweise direkt vor der Tür) wurde regelmäßig besucht. Eine Zeitlang habe ich mich bei der Wahl "Essen oder neue CDs" klar für "neue CDs" entschieden (würde mir heute sehr gut bekommen …).
Gleichzeitig war mein Selbstgebasteltes inzwischen auch halbwegs anhörbar und erste Zweifel kamen auf. Selbst wenn in den gierig gelesenen Hifi-Postillen einfachste Lautsprecher für DM 600,-/Paar besprochen wurden (irgendwelche Mission oder Celestion-Kisten fallen mir da ein …), waren die Beschreibungen so, dass diese Lautsprecher eigentlich um Welten besser sein mussten, als das, was ich hatte. Weil bei Händlern oder auf der Messe aber leicht zu hören war, dass diese Lautsprecher nicht näherungsweise so großartig klangen, wie in den Postillen beschrieben, war mein Vertrauen in letztere nachhaltig erschüttert.
4. Genug gelernt, um selbst Elektronik zu entwickeln und zu testen
Immer noch waren Lautsprecher und Elektronik selbstgebaut (die letzten selbstgebauten, aber nicht selbst entwickelten, Lautsprecher waren Manger 103 und Linkwitz Orion), aber inzwischen hatte ich z.B. irgendwelche supertollen diskreten Schaltungen direkt mit einem Operationsverstärker verglichen und – bevorzugt mit Kopfhörern – keinen Unterschied gehört. Auch die Umschaltung zwischen einem Stück Draht und einem OP27 oder einem NE5534 mit V=1 erbrachte keinen hörbaren Unterschied. Mein einfachster Test für so etwas war ein Drucktaster, den ich mit geschlossenen Augen ein paar Mal sehr schnell betätigt habe, so dass ich am Ende nicht mehr wusste, welche Stellung aktiv war (geht auch sehr gut mit einem Endlosdrehschalter). Und weg waren all die tollen Unterschiede, die ich zuvor natürlich auch gehört hatte und die immer überall so beeindruckend geschildert wurden. Gleichzeitg hatten die Hifi-Postillen gerade noch rechtzeitig Klangunterschiede zwischen CD-Playern entdeckt und bei den Verstärkern gab es auch Riesen-Unterschiede.
Kurz danach habe ich dann das letzte Mal irgendwelche Hifiblätter gekauft – seitdem bin ich clean. Meine Lautsprecher machen ca. 60% der Kosten für meine Anlage aus und ich habe sowohl theoretisches als auch praktisches (Erfahrungs-) Wissen, dass mich davon abhält, mir von Boutique-High-End-Herstellern das Geld aus den Taschen ziehen zu lassen. Für euch, liebe Boutique-High-End-Industrie, ist das durchaus tragisch: Ich habe euch noch geglaubt, als ich noch nicht das Geld hatte. Heute habe ich das Geld – aber ich glaube euch nix mehr und kaufe euch nichts mehr ab … Ich gebe gern zu, dass das wahrscheinlich nicht ganz gerechtfertigt ist, aber so ist es halt.
Meine aktuelle Nicht-Boutique-High-End-Anlage:
Sony CDP-X 202ES
Benchmark DAC1
MacBook Pro
Funk MTX
K+H O410
Nicht wirklich gut, aber man erkennt die Musik wieder …
Wenn man also eines ganz sicher nicht zu Recht über mich sagen kann, dann, dass mir die eigene Erfahrung fehlt. Was mir fehlt, ist die Leichtgläubigkeit, die mir auch in meinem Beruf große Probleme bereiten würde.
Gruß
Thomas
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