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Berliner Philharmoniker, quo vadis?

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    Berliner Philharmoniker, quo vadis?

    Liebe Interessierten,

    seit der Entscheidung für Karajan und gegen Celibidache, sind die Philharmoniker vom Tugendpfad der reinen künstlerischen Lehre abgekommen.

    Damals "entschieden" sie sich für Karajan, weil er bereit war die politisch erzwungene USA-Reise kurzfristig zu übernehmen und Celibidache "unökonomisch" probte (wie sich Philharmoniker ausdrückten. Er probte ca. 5 Mal vor einem Programm).

    Karajan wurde wegen seiner Kontakte zur Schallplatten(CD)-Industrie bevorzugt, seiner verkaufsfördernden medialen Inszenierungsgabe (besorgte sich selbst eine heroische Bildregie). Celibidache stand Aufnahmen ablehnend gegenüber.

    Trotz der Entscheidung der Philharmoniker für eine sukzessive Kommerzialisierung ihres Tuns, blieb der Stand der künstlerischen Aussage hoch, wenn auch ihr "Sound" sich einseitig verbreiterte.

    Nach Karajans Pultdikatur war der Wunsch nach Pluralisierung groß und es wurde mit Abbado ein Karajan-Antipode Chefdirigent. Er bereicherte die Philharmoniker mit differenzierteren Klangfarben und - wenn nötig - luzider, leichter Transparenz. Nur, das Einkommen der Musiker war nicht mehr karajanesk.

    So mußte ein "Brecher" her, ein charming boy mit Breitwandlächeln und hohem optischen Wiedererkennungswert: Sir Simon Rattle, gesegnet mit der äußeren Verbindlichkeit eines Tony Blairs.

    Nun sagte der eine Philharmoniker in der Presse, "Er schlägt die langsamen Tempi tot...", ein anderer, daß er sich bei Teilen Rattles Programmwahl vor dem Puplikum schäme.
    Ich fühle mit diesen zwei Stimmen.

    Britische neue Krawall-Klassik wird propagiert und dort fühlt sich der Chef auch daheim, vielleicht weil seine Schwächen dort am wenigsten auffallen.
    Bei den großen Werken des deutschen Kulturkreises, bemerkt man die Orientierungslosigkeit der Philharmoniker eklatant.
    Auch wenn Rattle sich am Pult verausgabt, grimassierend, mit ausladender Gestik durchweg - das Orchester ist kopflos (auf hohem technischen Niveau), weil das künstlerische Ziel ihres Chefs (wenn es so etwas gibt) im Dunkeln bleibt. Wie soll er dieses auch formulieren, wenn ihm - so scheint es - Elgar, Britten usw. über Brahms, Bruckner usw. geht?

    :S

    Beste Grüße

    Martin

    #2
    Das scheint mir doch alles etwas überzeichnet und vereinfacht.
    Jeder Dirigent hat seine Stärken und Schwächen - was sich auch anhand der erhaltenen Aufnahmen nachvollziehen lässt. Auch von Celibidache gibt es ja nicht wenige (Live)-Mitschnitte, wenn er sich auch Studioproduktionen verweigert hat.
    So kritisch man dem "späten" Karajan auch gegenüberstehen kann, in den 50er und 60er Jahren hat er einige wunderbare Interpretationen abgeliefert.
    Man kann also nicht sagen, dass es eine künstlerische Fehlentscheidung war, ihn als Dirigent einzusetzen.

    Was das Repertoire angeht, so ist das immer so eine Sache. Einerseits muss oder möchte man sich als Dirigent ein Profil verschaffen, andererseits sind gewisse Erwartungen des Publikums zu erfüllen. Und da stellen Tonträger durchaus ein Problem da. Das stelle ich ja schon an mir selber fest, dass ich manchmal nach einem Konzert denke: das hat XY aber vor 30 Jahren besser gemacht. Diese Vergleichsmöglichkeiten waren früher in dem Maße nicht gegeben.
    Abgesehen davon bin ich aber auch der Meinung, dass bei einer wirklich gesunden und sinnvollen Orchesterkultur zumindest die Hälfte des (präsentierten) Konzertrepertoires zeitgenössischer Musik gewidmet sein müsste. Sonst läuft das ganze Gefahr, zu einer musealen Angelegenheit zu werden.

    Gruß,
    Markus

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      #3
      Das Problem, das ich mit den Berliner Philharmonikern habe, ist ein Klangbild, daß nur noch auf virtuose Brillianz getrimmt ist. Alles sehr perfekt, aber die Musik >atmet< nicht mehr. Besonders bei Mahler vermisse ich das: Warum nicht mal eine melodische Linei sich ausschwingen lassen als immer dieses Forcieren! Dieser Stil geht letztlich auch auf das Konto von Abbado. Wenn man z.B. Abbados letzte Version von Mahlers 7. mit dem Festival Orchester Luzern mit seiner sehr schönen alten Aufnahme mit den Chicagoern vergleicht, dann wird klar, was ich meine!

      Ich bin absolut kein Karajan-Fan, weiß Gott nicht! Seine Art, der totalen Kontrolle wegen vor allem den Bläserklang glattzubügeln, ihnen jede Individualität zu rauben (Bläser leben nun man vom individuellen Rubato!) sagt mit überhaupt nicht zu! Aber er hat immerhin eine Klangkultur im Orchester erzeugt - die ist unter Abbado finde ich verloren gegangen. Das Orchester ist zwar viel flexibler und auch virtuoser geworden, aber kein organisches Ganzes mehr - wie etwa das Concertgebouw-Orkest, das ich viel mehr mag als die Berliner!

      Dazu kommen diese vielen Solisten-Ensembles, so daß im Orchester lauter Diven sitzen, die sich von einem Dirigenten nicht mehr gerne etwas sagen lassen möchten! Das ist vielleicht auch das Problem von Rattle. Bei Haitink haben sie jedenfalls viel gestöhnt, weil er sich erlaubt hat, den Mahler mit ihnen zu proben!

      Aber dieser virtuose Allerweltsklang der Berliner paßt in die Zeit: Viel Routine, die zur >Vielproduktion< führt, sich vor allem schnell vermarkten läßt: Das Orchester als Hans Dampf in allen Gassen möglichst gleich mit mehreren Platten-Exklusivverträgen ...

      Gruß Holger

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        #4
        Auch ich sehe das als deutlich überzeichnet an. Klar, die Wiener haben mehr "Seele", wenn sie wollen und gut aufgelegt sind, aber Rattle ist sicher nicht der, als den Du ihn beschreibst. So hat er die komplettierte 10. Sinfonie von Mahler schon eingespielt, da ist sie in Deutschland verteufelt worden. Inzwischen hat sie fast jeder renommierte Dirigent eingespielt. Nein, Rattle ist ein durchaus engagierter Dirigent. er hat seinerzeit das City of Birmingham Orchstra in die Nähje der Weltklasse geführt. Und das niemals nur mit Britten Elgar und Genossen (ich halte nicht viel von der Hodenlosen Musik von der Inse, mit Ausnahme von Pomp and Circumstance, vielleicht http://www.hififorum.at/smilies/grinsengel.gif
        Grinsengel)

        aber was die Berliner betrifft. so hat Holger wohl recht. die sind irgendwie klangbesessen und vergessen darüber manchmal die Musik. Nichts ist schlimmer, als die Haydn-Sinfonien mit diesem Klangkörper unter dem pompösen Karajan

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          #5
          Die Kritik an Rattle kam ja nicht von mir! Er hat wie ich finde als Orchestererzieher in Birmingham Großes geleistet! Nur ob er das in Berlin wiederholen kann, darf man bezweifeln! Das liegt dann natürlich nicht an ihm, sondern an den Berlinern, die Orchestererzieher nicht mögen - bei Haitink haben sie schon ziemlich gemault! Rattles Mahler-Aufnahme von Mahlers 10. kenne ich auch, überragend finde ich!

          Gruß Holger

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