Neulich im schweizer Tagesanzeiger (Zürich) war ein Interview mit dem Erfinder von MP3 Karlheinz Brnadenburg. Thema war die Rezeption von MP3 bei "audiophilen" und deren Bedenken betreffend Klangverlust.
Neil Young sagt, er hasse MP3. Nehmen Sie das persönlich?
Nein, aber ich bin immer ein bisschen traurig, wenn derart bekannte Leute sich mit Nichtwissen hervortun.
Was halten Sie von seinem Pono-Projekt, das unkomprimierter digitaler Musik mit eigenem Player zum Durchbruch verhelfen soll?
Es muss jeder selber wissen, für was er sein Geld ausgibt. Es werden aber erstaunlich viele seltsame Dinge erzählt, wenn es um die Qualität von komprimierter Musik geht.
Was hat Young nicht verstanden?
Wir lernen mehr und mehr darüber, wie das menschliche Gehör und Gehirn zusammenarbeiten. Unser Gehirn spielt uns Höreindrücke vor: Was ich erwarte, hat einen Einfluss auf das, was ich höre. Das beweist auch der sogenannte McGurk-Effekt. Wird die Audioaufnahme einer Silbe mit einem Video kombiniert, das eine abweichende Mundbewegung zeigt, hört man plötzlich eine andere Silbe, als wenn man die Audioaufnahme mit geschlossenen Augen anhört.
Ein Placeboeffekt?
Wenn jemand für 2000 Euro ein Kabel kauft, dann hat er natürlich das Gefühl, die Musik klinge besser. Viele Hi-Fi-Fans können ja das Gras wachsen hören! Doch ich will mich darüber gar nicht lustig machen, denn dieses Gefühl ist nicht zu unterschätzen, es ist ja – subjektiv gesehen – real. Mit Placebos können Leute ja tatsächlich geheilt werden. Den in Hörtests deutlich messbaren Unterschied machen aber andere Komponenten aus als das Format. Etwa die Kopfhörer oder der Lautsprecher.
Dann spielt es keine Rolle, ob ich Musik als MP3 oder als ein teureres Format wie etwa WAV kaufe?
Wenn die Bitrate hoch genug ist, reicht MP3 zum Hören im Auto oder im Flugzeug. 128 kbit sind das Minimum mit manchmal noch klaren Beeinträchtigungen, ab 192 kbit hört man den Unterschied zu einer CD kaum noch. Weil viele Stücke im Umlauf sind, die mit weniger kbits aufgenommen wurden, hat das Format bei einigen Leuten aber einen schlechten Ruf.
Bei einer hohen Bitrate gibt es tatsächlich keine Unterschiede zu Hi-Res-Formaten?
Natürlich weiss ich um die Schwächen von MP3. Sogenannte trocken perkussive Geräusche sind akustisch nicht ganz sauber – Kastagnetten etwa. Und auch für die Aufnahme von Musik im Studio empfehle ich andere Formate, wie den MP3-Nachfolger AAC, das ja auch im iTunes-Shop verwendet wird. Bei Bitraten von 256 kbit ist es selbst für trainierte Ohren praktisch ausgeschlossen, einen Unterschied zu unkomprimierter Musik wahrzunehmen. Der Trick ist ja, dass die Mechanik im Gehör ausgenutzt wird. Im Gehirn kommen dieselben Daten an, egal ob ich ein sehr gutes AAC-codiertes Stück habe oder sogenanntes Hi-Res.
Sie forschen seit Jahrzehnten im Audiobereich. Was treibt Sie an?
Es ist eine Mischung aus wissenschaftlichem Interesse, dem Ehrgeiz für die Suche nach dem perfekten Klang und der Freude an der Musik.
Wie nahe sind wir am perfekten Klang?
Bei Mono-Aufnahmen sind wir sehr nahe dran. Was den dreidimensionalen Klang angeht, etwa ein Gewitter in einem Raum so glaubhaft abzubilden, dass man tatsächlich glaubt, man sitze draussen – da müssen wir noch vieles lernen. Denn die Reflexion des Tons an den Wänden spielt eine wichtige Rolle für das Hören. Unser Gehirn merkt, in welchem Raum wir tatsächlich sitzen. Wir sind viel mehr Fledermaus, als man denkt. Unser Produkt «Wellenfeldsynthese» beschäftigt sich damit.
Wie muss man sich Wellenfeldsynthese vorstellen?
Es geht dabei um eine Rekonstruktion der Schallwellen im Raum. Dazu verwenden wir einen Ring von Lautsprechern, die in einem Raum Schallwellen und in ihrer Gesamtheit ein homogenes Schallfeld erzeugen. Damit entsteht ein völlig neues Klangerlebnis. Wir haben mit dieser Technologie beispielsweise die Bregenzer Festspiele ausgestattet. Wichtig für den Raumklangeffekt sind auch die raumakustischen Eigenschaften. Diese werden ebenfalls aufgenommen und sorgen dafür, dass man einen virtuellen Konzertsaal an jedem beliebigen Ort entstehen lassen kann.
Hat Musik eine Seele – die man nie wird konservieren können?
In einem gewissen Sinn ja. Das Hirn und somit das Audioerlebnis werden während eines Konzerts von Dingen beeinflusst, die wir nicht reproduzieren können. Etwa ob ich gute Laune habe oder nicht. Es wird also immer etwas fehlen.
Wie sieht die Zukunft von MP3 aus?
MP3 ist jenes Format, das überall abgespielt werden kann. Sieben Milliarden Geräte verstehen MP3, ähnlich viele AAC. Damit sind die beiden Formate wohl noch für eine Weile gesetzt.
Für viele User ist es ärgerlich, dass es nach wie vor viele verschiedene Standards gibt – einige davon mit Kopierschutz. Wie sehen Sie das?
Wir haben uns seit 20 Jahren mit dem Thema Kopierschutz beschäftigt. Meine Meinung dazu hat sich auch nicht geändert: wenn Kopierschutz, dann nach einem einheitlichen Standard, der so funktioniert, dass normale Nutzer nichts davon merken. Das Vorhandensein verschiedener Verfahren mit Kopierschutz und erst recht der sogenannte Kopierschutz von CDs – genau betrachtet, waren das ja einfach Fehler auf der CD, die je nach Abspielgerät das Abspielen ermöglichen oder nicht – sind kontraproduktiv und beschädigen das Geschäft.
Wurden Sie oder das Institut eigentlich reich mit MP3?
Es gab ein Patent, das auf mich lief. Inzwischen ist es ausgelaufen. Viele andere Patente sind von der Fraunhofer-Gesellschaft für das Erlanger Fraunhofer-Institut angemeldet worden–- denn das ist ja das «Home of mp3». , Die Einnahmen daraus kommen dann teilweise wieder den Erfindern zugute. Genaue Zahlen möchten wir nicht bekannt geben. Sagen wir: Ich habe so viel daran verdient, dass mein Salär als Professor ein Nebenverdienst ist.
Der erste jemals abgespielte MP3-Song war «Tom's Diner» von Suzanne Vega. Wieso eigentlich?
In der Entwicklungsphase von MP3 waren wir auf der Suche nach Testmaterial. In einer deutschen Hi-Fi-Zeitschrift las ich, dass die ihre Lautsprecher mit einem Stück von Suzanne Vega testeten. Das probierten wir spontan auch – und ihre Stimme wurde vom MP3-Vorläufer zerstört. Nach diesem ersten, etwas frustrierenden Test haben wir den Song immer wieder eingesetzt, um zu testen, welche Fortschritte wir erzielt haben.
Können Sie das Stück noch hören?
Natürlich, ich habe Suzanne Vega inzwischen sogar getroffen. Man bezeichnet uns ja gerne auch als Vater und Mutter von MP3. Allerdings: Historisch korrekt gibt es viele Väter von MP3. An der Entwicklung waren eine ganze Menge Leute über lange Zeit beteiligt.
(Tagesanzeiger.ch/Newsnet)
Nein, aber ich bin immer ein bisschen traurig, wenn derart bekannte Leute sich mit Nichtwissen hervortun.
Was halten Sie von seinem Pono-Projekt, das unkomprimierter digitaler Musik mit eigenem Player zum Durchbruch verhelfen soll?
Es muss jeder selber wissen, für was er sein Geld ausgibt. Es werden aber erstaunlich viele seltsame Dinge erzählt, wenn es um die Qualität von komprimierter Musik geht.
Was hat Young nicht verstanden?
Wir lernen mehr und mehr darüber, wie das menschliche Gehör und Gehirn zusammenarbeiten. Unser Gehirn spielt uns Höreindrücke vor: Was ich erwarte, hat einen Einfluss auf das, was ich höre. Das beweist auch der sogenannte McGurk-Effekt. Wird die Audioaufnahme einer Silbe mit einem Video kombiniert, das eine abweichende Mundbewegung zeigt, hört man plötzlich eine andere Silbe, als wenn man die Audioaufnahme mit geschlossenen Augen anhört.
Ein Placeboeffekt?
Wenn jemand für 2000 Euro ein Kabel kauft, dann hat er natürlich das Gefühl, die Musik klinge besser. Viele Hi-Fi-Fans können ja das Gras wachsen hören! Doch ich will mich darüber gar nicht lustig machen, denn dieses Gefühl ist nicht zu unterschätzen, es ist ja – subjektiv gesehen – real. Mit Placebos können Leute ja tatsächlich geheilt werden. Den in Hörtests deutlich messbaren Unterschied machen aber andere Komponenten aus als das Format. Etwa die Kopfhörer oder der Lautsprecher.
Dann spielt es keine Rolle, ob ich Musik als MP3 oder als ein teureres Format wie etwa WAV kaufe?
Wenn die Bitrate hoch genug ist, reicht MP3 zum Hören im Auto oder im Flugzeug. 128 kbit sind das Minimum mit manchmal noch klaren Beeinträchtigungen, ab 192 kbit hört man den Unterschied zu einer CD kaum noch. Weil viele Stücke im Umlauf sind, die mit weniger kbits aufgenommen wurden, hat das Format bei einigen Leuten aber einen schlechten Ruf.
Bei einer hohen Bitrate gibt es tatsächlich keine Unterschiede zu Hi-Res-Formaten?
Natürlich weiss ich um die Schwächen von MP3. Sogenannte trocken perkussive Geräusche sind akustisch nicht ganz sauber – Kastagnetten etwa. Und auch für die Aufnahme von Musik im Studio empfehle ich andere Formate, wie den MP3-Nachfolger AAC, das ja auch im iTunes-Shop verwendet wird. Bei Bitraten von 256 kbit ist es selbst für trainierte Ohren praktisch ausgeschlossen, einen Unterschied zu unkomprimierter Musik wahrzunehmen. Der Trick ist ja, dass die Mechanik im Gehör ausgenutzt wird. Im Gehirn kommen dieselben Daten an, egal ob ich ein sehr gutes AAC-codiertes Stück habe oder sogenanntes Hi-Res.
Sie forschen seit Jahrzehnten im Audiobereich. Was treibt Sie an?
Es ist eine Mischung aus wissenschaftlichem Interesse, dem Ehrgeiz für die Suche nach dem perfekten Klang und der Freude an der Musik.
Wie nahe sind wir am perfekten Klang?
Bei Mono-Aufnahmen sind wir sehr nahe dran. Was den dreidimensionalen Klang angeht, etwa ein Gewitter in einem Raum so glaubhaft abzubilden, dass man tatsächlich glaubt, man sitze draussen – da müssen wir noch vieles lernen. Denn die Reflexion des Tons an den Wänden spielt eine wichtige Rolle für das Hören. Unser Gehirn merkt, in welchem Raum wir tatsächlich sitzen. Wir sind viel mehr Fledermaus, als man denkt. Unser Produkt «Wellenfeldsynthese» beschäftigt sich damit.
Wie muss man sich Wellenfeldsynthese vorstellen?
Es geht dabei um eine Rekonstruktion der Schallwellen im Raum. Dazu verwenden wir einen Ring von Lautsprechern, die in einem Raum Schallwellen und in ihrer Gesamtheit ein homogenes Schallfeld erzeugen. Damit entsteht ein völlig neues Klangerlebnis. Wir haben mit dieser Technologie beispielsweise die Bregenzer Festspiele ausgestattet. Wichtig für den Raumklangeffekt sind auch die raumakustischen Eigenschaften. Diese werden ebenfalls aufgenommen und sorgen dafür, dass man einen virtuellen Konzertsaal an jedem beliebigen Ort entstehen lassen kann.
Hat Musik eine Seele – die man nie wird konservieren können?
In einem gewissen Sinn ja. Das Hirn und somit das Audioerlebnis werden während eines Konzerts von Dingen beeinflusst, die wir nicht reproduzieren können. Etwa ob ich gute Laune habe oder nicht. Es wird also immer etwas fehlen.
Wie sieht die Zukunft von MP3 aus?
MP3 ist jenes Format, das überall abgespielt werden kann. Sieben Milliarden Geräte verstehen MP3, ähnlich viele AAC. Damit sind die beiden Formate wohl noch für eine Weile gesetzt.
Für viele User ist es ärgerlich, dass es nach wie vor viele verschiedene Standards gibt – einige davon mit Kopierschutz. Wie sehen Sie das?
Wir haben uns seit 20 Jahren mit dem Thema Kopierschutz beschäftigt. Meine Meinung dazu hat sich auch nicht geändert: wenn Kopierschutz, dann nach einem einheitlichen Standard, der so funktioniert, dass normale Nutzer nichts davon merken. Das Vorhandensein verschiedener Verfahren mit Kopierschutz und erst recht der sogenannte Kopierschutz von CDs – genau betrachtet, waren das ja einfach Fehler auf der CD, die je nach Abspielgerät das Abspielen ermöglichen oder nicht – sind kontraproduktiv und beschädigen das Geschäft.
Wurden Sie oder das Institut eigentlich reich mit MP3?
Es gab ein Patent, das auf mich lief. Inzwischen ist es ausgelaufen. Viele andere Patente sind von der Fraunhofer-Gesellschaft für das Erlanger Fraunhofer-Institut angemeldet worden–- denn das ist ja das «Home of mp3». , Die Einnahmen daraus kommen dann teilweise wieder den Erfindern zugute. Genaue Zahlen möchten wir nicht bekannt geben. Sagen wir: Ich habe so viel daran verdient, dass mein Salär als Professor ein Nebenverdienst ist.
Der erste jemals abgespielte MP3-Song war «Tom's Diner» von Suzanne Vega. Wieso eigentlich?
In der Entwicklungsphase von MP3 waren wir auf der Suche nach Testmaterial. In einer deutschen Hi-Fi-Zeitschrift las ich, dass die ihre Lautsprecher mit einem Stück von Suzanne Vega testeten. Das probierten wir spontan auch – und ihre Stimme wurde vom MP3-Vorläufer zerstört. Nach diesem ersten, etwas frustrierenden Test haben wir den Song immer wieder eingesetzt, um zu testen, welche Fortschritte wir erzielt haben.
Können Sie das Stück noch hören?
Natürlich, ich habe Suzanne Vega inzwischen sogar getroffen. Man bezeichnet uns ja gerne auch als Vater und Mutter von MP3. Allerdings: Historisch korrekt gibt es viele Väter von MP3. An der Entwicklung waren eine ganze Menge Leute über lange Zeit beteiligt.
(Tagesanzeiger.ch/Newsnet)
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