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Musik-DVDs von Michelangeli, Gould und Richter

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    Musik-DVDs von Michelangeli, Gould und Richter

    1. Arturo Benedetti Michelangeli:
    2 Scarlatti-Sonaten, Chopin-Mazurken op. 33,1 u. 4, Debussy: Hommage a Rameau (aus >Images< Heft I, Nr. 2). Paris 1965
    Debussy: Preludes Heft I, Paris 1978 (gefilmt von Christopher Nupen) (EMI)

    2. Svjatolav Richter: Der Unbeugsame. Film von Bruno Monsaigneon (EMI)

    3. Glenn Gould: Der Alchimist. Film von Bruno Monsaigneon (EMI)

    Nun gibt es ihn endlich auf DVD: Den Filmmitschnitt von ABMs-Aufnahme der Debussy-Preludes Heft 1 von 1978! Unglaublich aber wahr: Dieses Dokument von schier unglaublicher, wahrlich staunenerweckender pianistischer Perfektion und Entfaltung von Klangmagie im Grenzbereich des kaum noch Hörbaren, wo andere Pianistenkollegen bestenfalls noch improvisieren, aber nicht bewußt gestalten können, hat er doch in einem Zug >durchgespielt<: Die CD bei DGG, die mit dieser Aufnahme identisch ist, enthält keinen einzigen Schnitt! Da sitzt der Meister am Flügel, nicht im Frack, sondern gleichsam privatissime im weißen Rollkragenpuli mit dickem Ledergürtel um den Bauch -- untypisch für den sonst immer wie ein Dandy äußerst sorgsam gekleideten ABM, ein etwas surrealistisches Outfit, das sein Schüler und Produzent Cord Garben allerdings eher geschmacklos fand! Aber Debussy war schließlich >seine< Musik von Anfang an, wie er einmal bekundete.

    Man blickt in ein Gesicht mit faszinierenden Minenspiel, das ins Innere blicken läßt. Michelangeli war eine hochkomplexe, äußerst schwierige und hyper-hypersensible Persönlichkeit, die dem Zuschauer hier ausnahmsweise, in flüchtigen Augenblicken, einen kurzen Einblick ins sorgsam verschlossene Innere erlaubt. Seine unglaubliche Schüchternheit und Menschenscheue seit seiner Jugend ist überliefert -- ein Wunder, daß er dem Zuschauer solche Einblicke überhaupt gewährt! Da gibt es diese Anflüge von glücklichem Lächen und auch das Schmunzeln in den humoristischen Passagen -- er war ja bekannt für seinen skurrilen Humor! Da formt einer bewußt jeden einzelnen Ton -- Debussy als die Vollendung des Klavierspiels, der Flügel verliert seinen mechanischen Charakter und löst sich auf in einen dem menschlichen Geist vollständig unterworfenen Klangautomaten.

    Debussy hat ABM endgültig als >moderen< Komponisten neben Scriabin und Schönberg etabliert. Da wird jedes verdämmernde Romantisieren verbannt (so in der >versunkenen Kathedrale<, die von ABM radikal >entkitscht< wird!), jede pseudoimpressionistische Klangseuselei eliminiert. Man muß Debussy konturenscharf wie einen Klassiker spielen, hat er einmal gesagt. Klang ist für Michelangeli nicht Schönklang, Effekt, sondern das, was der Maler Wassily Kandinsky in einem Brief an Arnold Schönberg schrieb: >innere Bewegung<. Entsprechend bemüht er sich immer um die höchst diffizile Balance von Verschwebung und Durchzeichnung. Das musikalische Drama bekundet sich nicht in irgendwelchen aufgesetzten Gesten, sondern bleibt intim, entfaltet sich scheinbar-unscheinbar in den Ton- und feinst ausziselierten Klangbewegungen selbst.

    Die harmonischen Kühnheiten Debussys arbeitet ABM mit aller Schärfe heraus, wie das sonst niemand getan hat. Zudem zeigt er eine traumwandlerische Sicherheit, was das Treffen der Idiomatik angeht: ob es nun die parodistischen Anspielungen sind oder der typisch französische lyrisch-intime, hintersinnig zurückhaltende Ton, den z.B. Gulda nicht trifft und statt dessen ins wienerisch Süßliche abgleitet, all das erschließt sich bei diesem Klaviermagier aus dem norditalienischen Brescia mit einer Selbstverständlichkeit, als ob er eigentlich immer schon ein Pariser gewesen wäre! Das ist ein Debussy mit emotionaler Komplexität und Tiefgang -- ein Bruder von Brahms gewissermaßen, den ABM ja auch unvergleichlich spielt -- frei von jeder oberflächlichen Salon-Elegenz.

    Wie er z.B. die >Spuren im Schnee< gestaltet als eine Studie menschlicher Verlassenheit oder >Das, was der Westwind gesehen hat< -- Wellen, die an der Steilküste förmlich zerschmettert werden -- Debussys harmonisch kühnstes Stück -- oder das >Mädchen mit den goldenen Haaren< mit innerer Erregung und Unruhe durchpulst wird: Einzigartig! ABM hat die Klavierwerke Debussys endgültig als Klassiker etabliert, die ja selbst von einem Pierre Boulez eher als musikalische Leichtgewichte angesehen werden!

    Wer seine Liebe zu Debussy noch nicht entdeckt hat, der kann das hier tun! :H :H :H

    Nicht minder eindrucksvoll ist der Film, den der Geiger Bruno Monsaigneon über ABMs Freund und anderen großen Introvertieren, Svjatoslav Richter, gedreht hat. Über die abenteuerlichen Umstände des Films erzählt Monsaignon in seinem Buch ("Svjatoslav Richter. Mein Leben, meine Musik"), das im Stile einer Autobiographie geschrieben ist, das zudem Richters komplettes Tagebuch enthält. Aus diesem liest dieser große Klaviertitan immer wieder vor. Es entsteht das Bild von einem bis zur Selbstzerfleischung neigenden Grübler, aber auch einer freigeistigen und lebenslustigen Person, die ihre moralische Integrität und innere Freiheit von dem totalitären System, indem er lebte, niemals hat korrumpieren lassen! Richter hat immer das getan und gespielt, was er wollte! Auch wenn Schostakowitsch verboten war -- Richter führte ihn auf!

    Es gibt nicht nur jede Menge Mitschnitte und Bilddokumente aus Richters langem Leben, sondern man bekommt auch ein Bild von der Sowjetunion, ihrer Entstehung und viel zu langen Dauer mit all ihren Absurditäten, worüber Richter mit großer Offenheit und Aufrichtigkeit spricht! Eine wahrlich verehrungswürdige Musikerpersönlichkeit!

    Noch so eine absolute Ausnahmeerscheinung ist der Kanadier Glenn Gould -- mit ABM und Richter vom Typ her nicht vergleichbar, aber nicht weniger einzigartig! Ein Individualist und intellektueller Eigenbrödler durch und durch, der durch seine unkonventionelle Denkweise wirklich tiefe Einblicke in die Musik bieten konnte! Beeindruckend immer wieder seine schier unglaubliche Fingerunabhängigkeit, die einen großen Anteil an seinem unvergleichlichen Bach-Spiel hat. Gould hatte sich bekanntlich mit 32 Jahren vom Konzertleben völlig zurückgezogen. Monsaignon thematisiert das und zeigt Gould, wie er seine Aufnahmen im Tonstudio erarbeitet! Das ist wirklich sehr erhellend und äußerst faszinierend! Dabei erfährt man zugleich über den weiten musikalischen Horizont von Gould, der zwar von Bachs Polyphonie geprägt wurde, aber sich in diesem Geiste auch Scriabin, Schönberg, Webern und Berg erschlossen hat! Und er zeigt die Perspektiven von Bach zu Webern auf!

    Als Weihnachtsgaben sind diese drei DVDs jedenfalls bestens geeignet! :H :H :H
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