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Lang Lang und Beethoven?

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    Lang Lang und Beethoven?

    Wenn man mit der Deutschen Bundesbahn fährt, sieht man auf überdimensionierten Plakaten Lang Langs neue Platte, er mit verklärtem, in die Höhe gerichtetem Blick und darauf die Werbung: der erfolgreichste klassische Pianist! Offensichtlich hat die DGG so große Stückzahlen produziert, daß sie so etwas nötig hat: Lang Lang als klassischer Popstar!

    Erfolg hin oder her - bei den Klassikern Mozart und Beethoven trennt sich die Spreu vom Weizen! Und bei Lang Lang gibt es Licht und Schatten!

    Zuerst das Licht: Das 1. Klavierkonzert. Er spielt den Beethoven von 1795 im Geiste der Empfindsamkeit des 18. Jahrhunderts. Man muß sagen: Musikalität hat er! Es wird sehr einfühlsam musiziert, sehr sorgfältig ausphrasiert mit viel Sinn fürs Konzertieren (die Spielbälle werden ziwschen Pianist und Orchester hin und her geworfen) auch Dank des sehr aufmerksamen Christoph Eschenbach am Dirigentenpult. Die Aufnahme kann sich wirklich hören lassen, ist sehr überlegt durchgestaltet, nichts wirkt irgenwie unmotiviert! Ein in sich schlüssiges Konzept! Interpretatorisch allerdings eher rückwärts gewendet: Beethoven als verspäteter Mozart! Da hat Benedetti Michelangeli letztlich gezeigt, daß auch der Beethoven von 1795 >erwachsen< ist - ganz zu Schweige von dem olympischen pianistischem Niveau, an das natürlich auch ein Lang Lang nicht annähernd herankommt! Aber nichts desto Trotz: Lang Lang gibt sich hier keine Blöße, bei diesem Konzert haben schon ganz andere Beethoven-Titanen wie z.B. Friedrich Gulda deutliche Schwächen gezeigt! Das ist auf jeden Fall eine schöne Aufnahme!

    Nun der Schatten: Das 4. Klavierkonzert ist nun mal der >erwachsene< Beethoven! Und da scheitert Lang Lang auf ganzer Linie. Bezeichnend die beiden Kadenzen, die sind geradezu >kopflos< gepielt, ohne jeden Sinn für die formalen, thematischen Zusammenhänge. Das ist kein Beethoven-Spiel, sondern Spiel mit Beethoven - nicht aus Souveränität, sondern musikalischer Ratlosigkeit. Lang Lang trifft weder die metaphysische Aura des Konzerts, diesen spezifisch mystischen Ton (der Geist des Pietismus!), der aber immer>klar< bleiben muß und nie in bloße Klangseuselei ausarten darf - Sensualismus ist hier völlig fehl am Platze! Noch hat er Sinn für die großen Zusammenhänge, den formalen Aufbau des Ganzen, in das sich alles Einzelne einzuordnen hat! Er bemüht sich zwar im langsamen Satz empfindsam zu gestalten, aber es bleibt bei der oberflächen Klangziseliererei: keinerlei Getragenheit und keine Versenkung in das absolute Schöne. Mit einem Wort: blaß - zudem wirkt das ansonsten vorzügliche Orchester hier ziemlich hölzern! Auch die pianistischen Grenzen von Lang Lang werden in diesem Konzert deutlich - ein hohl und saftlos klingendes Forte!

    Es ist zu befürchten, daß die 1,5 Millionen (!) Studierenden für Klavier in China sich >ihren< Lang Lang, der in diiesem 4. Konzert alles andere als ein >leuchtender Pfad< (Bedeutung seines Namens!) ist, zum Vorbild nehmen werden, anstatt hier etwa Rubinstein, Gilels oder Pollini zu studieren!

    Gruß Holger

    #2
    Ich habe hier sogar einmal (als Pop/Jazzhörer) einen Thread über Lang Lang eröffnet, weil ich diesen Mann als Musiker hoch einschätze.

    Lang Lang - ein Ausnahmemusiker?

    Allerdings bin ich da kein Maßstab, würde mich selbst in Bezug auf klassische Musik als ganz normalen Konsumenten beurteilen. Das meiste ist mir nämlich zu langweilig.

    Gruß
    David
    Gruß
    David


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      #3
      ich hab letzens den buchbinder die wandererphantasie spielen gehört die ich vorher hauptsächlich in der interpretation von lang lang gehört hab.

      im vergleich kann ich genau das bestätigen was du über das 4te klavierkonzert gesagt hast - kopflos. technisch einwandfrei, aber erst beim buchbinder hab ich die musik begriffen.

      allerdings hatte er mich bei seinem wien konzert überzeugt.

      man sollte dem kerl zeit geben, der hype nutzt nicht viel (ausser seinem geldbörsel, sein ihm gegönnt) aber zu 'grösse' muss er erst finden - ist auch kein wunder bei seinem alter.

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        #4
        Hallo David,

        das Problem in der sogenannten >Klassik< ist, daß es eine Ahnengalerie von Titanen großer Instrumentalisten gibt. Und da relativiert sich vieles! Zweifellos ist Lang Lang ein Ausnahmemusiker, weil er mit seiner Persönlichkeit und auch seinem Spiel weit über dem Durchschnitt rangiert. Allerdings auf dem Niveau von solchen Klavierlegenden wie z.B. Svjatoslav Richter, Arturo Benedetti Michelangeli, Emil Gilels, Vladimir Horowitz, Artur Rubinstein oder auch Dinu Lipatti, der Anfang der 50iiger mit 31 Jahren an Leukämie verstarb, ist er natürlich bei weitem nicht, musikalisch nicht und pianistisch sind! Da muß man sich nur die märchenhaften, auch musikalisch frühreifen Auifnahmen von Gilels oder Benedetii Michelangeli anhören, dann wird der Unterschied schnell klar! Der 18jährige Benedetti Michelangeli z.B. hat wirklich >magische< Aufnahmen gemacht, bei denen man eine Gänsehaut bekommt in jeder Hinsicht, völlig entmaterialisiertes Klavierspiel! Das sind olympische Höhen, die wird ein Lang Lang nie erreichen!

        Auch von den >lebenden< jüngeren Pianisten (die allerdings schon ein bischen älter sind) hat z.B. Jewgeni Kissin mehr zu bieten und z.B. ein Arcadi Volodos ist rein >pianistisch< gesehen einem Lang Lang um Längen überlegen. Wie der einen Flügel vom extremen Pianissimo zum Fortissimo mit einem immer sinnlichen und farbigen Ton zum Klingen bringen kann, dagegen wirkt ein Lang Lang so wie ein Maler, der statt mit Farbe nur mit Grautönen malt!

        Alle wirklich großen Interpreten haben in ihrem Leben eine Reihe von Aufnahmen hinterlassen, die zeitlos gültig sind. Dahin muß Lang Lang erst einmal kommen - warten wir es also ab! Was für ihn spricht ist seine chinesische Tugend: die unglaubliche Lernfähigkeit!

        Gruß Holger

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          #5
          Gut, aber er selber nimmt ja für sich gar nicht in Anspruch, ein Jahrhundertgenie oder sonstwas zu sein. Ich habe mal ein Interview mit ihm gesehen, da sagte er, er sei nichts Besonderes und in China gebe es ein potentielles Reservoir tausender Pianisten mit vergleichbarer Qualität.

          Gruß,
          Markus

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            #6
            Hallo Holger!
            Habe deine Ausführungen aufmerksam gelesen und auch verstanden. Da du dich sicher intensiv mit der Materie/Musikrichtung beschäftigst, zweifle ich nicht an der Richtigkeit deiner Aussagen.

            Schade, dass ich da ein Manko habe. Von Pop und Jazz verstehe ich wesentlich mehr, bin damit aufgewachsen.
            Bei Klassik gefallen mir - wenn überhaupt - nur die großorchestralen Sachen, wobei ein satter Flügel im Zentrum des Geschehens eine tolle Sache ist.

            Mit Mozart&Co. fange ich weniger an, Das sind zwar schöne Kompositionen, aber da fehlt mir irgendwie die Spannung, die Musik "plätschert" mir zu sehr dahin.

            Gruß
            David
            Gruß
            David


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              #7
              Hallo David,

              so ist das, jeder hat seine eigene Lebens-Musikgeschichte! Bei mir war es so. daß ich selbst Klavier gespielt habe und über das Klavier dann erst später zum Orchester gekommen bin! Manche Dinge entdeckt man früh, andere spät, oftmals durch ganz zufällige Umstände! Alles im Leben hat seine Zeit - vielleicht kommt Deine >klassische< Periode ja noch! Vielleicht triffst Du ja mal einen Freund oder Bekannten, der ein großer Mozart-Liebhaber ist und Dir eine Aufnahme vorspielt, die Dich dann auch nachhaltig beeindruckt! (Mozart ist wirklich sehr, sehr schwer: Bei den meisten (mittelmäßigen!) Interpretationen plätschert die Musik wirklich so dahin, dann bin auch ich als >eingefleischter< Klassik-Liebhaber ziemlich gelangweilt!!) Mozart ist aber eigentlich ein Dramatiker - in der Musikstadt Wien wirst Du doch bestimmt in die Oper gehen!? :M

              Gruß Holger

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                #8
                Mir geht es mit Mozart übrigens gar nicht unähnlich wie David: ich erkenne in ihm natürlich einen genialen Komponisten, aber letztlich höre ich mir seine Musik dann doch nicht allzu oft an.

                Es ist einfach eine "Tonsprache", die relativ weit weg von mir ist. Im Gegensatz zu Bach beispielsweise.

                Gruß,
                Markus

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                  #9
                  Hallo Markus,

                  Lang Lang als Person finde ich wirklich äußerst sympathisch in seiner bescheidenen, unprätentiösen Art. Auch die Art, wie er junge Menschen für die Musik begeistern kann, gefällt mir sehr! Das Problem ist seine Plattenfirma, die das große Geld >riecht< in diesem Milliardenvolk und deshalb diese peinlichen PR-Kampagnen startet!

                  Irgendwie wiederholen sich die Dinge: Die PR-Kampagne, die sie damals mit Lazar Berman (den ich sehr schätze!) gewinnbringend veranstaltet hatten, war ja auch mehr als grotesk: Berman war nie ein >Tastenlöwe<, zu dem man ihn in der Presse gemacht hat, sondern als Schüler von Goldenweiser ein äußerst gewissenhafter, jede Exzesse verabscheuender Musiker!

                  Gruß Holger

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                    #10
                    Es ist schon ein merkwürdiges Phänomen, daß wohl die meisten Freunde von Klaviermusik z.B. alle Beethoven-Sonaten kennen, aber die von Mozart nur sehr selektiv! Im Mozart-Jahr habe ich mich z.B. in den Sonaten-Kosmos von Mozart richtig eingehört und vermisse ihn seitdem immer mehr! Vielleicht liegt der Grund auch an unseren Hörgewohnheiten, die Mozart vom Geist des 19. Jahrhunderts (der von Beethoven ausgeht) aus rezipiert und so in sein vom 18. Jahrhundert geprägtes Fühlen und Denken nicht so mühelos eindringen kann, wie das bei Beethoven und den Romantikern der Fall ist!

                    Gruß Holger

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                      #11
                      Hallo Holger,

                      Ich habe sämtliche Klaviersonaten von Mozart in Notenform hier und auch schon einige seiner Sonaten für Violine und Klavier im Konzert gespielt.
                      Wie gesagt, geniale Musik, aber es ist einfach nicht so meine Wellenlänge. Muss ja auch nicht. Ich kann auch mit den frühen Romantikern nicht so viel anfangen.
                      Dafür haben andere klassisch ausgebildete Pianisten irrsinnige Probleme mit einigen Komponisten des 20. Jahrhunderts. Hatte ich noch nie, auch nicht als sehr junger Mensch. Charles Ives beispielsweise spricht mich sofort an, wenn ich eine Partitur aufschlage. Andere können dem auf Anhieb gar nichts abgewinnen.
                      Oder auch die 2. Wiener Schule. Habe ich keine Probleme mit.

                      Gruß,
                      Markus

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                        #12
                        Hallo Markus,

                        warum haben so viele Musiker und Hörer Schwierigkeiten mit der Neuen Musik? Mir scheint daran eine gewisse dogmatische Sicht der Serialisten nach dem 2. Weltkrieg nicht ganz unschuldig, nämlich die krampfhafte Vermeidung von allen historischen Bezügen und vor allem der Rhetorik! So wirken viele Interpretationen einfach >grau in grau<! Beispiel Schönberg: Die Bezüge zu Brahms, die man fast nur bei Glenn Gould heraushören kann! Anderes Beispiel: Alban Berg. Abbado hat vorzügliche Aufnahmen von Schönberg und Webern gemacht, aber seine Interpretation der Orchesterstücke von Berg schließt mir dieses Werk nicht auf. Er versteht ihn nicht anders >abstrakt< als ein Webern, aber Berg ist nicht Webern! Verstanden habe ich die Orchesterstücke von Berg erst durch die Aufnahme von Colin Davis, der eben diese >rhetorische< Dimension nicht einfach ausblendet sondern ernst nimmt!

                        Gruß Holger

                        Kommentar


                          #13
                          Ja, aber dieses bewusste Brechen mit der Tradition und Stunde Null-Denken ist manchmal notwendig und erfrischend. Ich meine jetzt wirklich die Nackkriegssachen und nicht Berg und Webern.

                          Gruß,
                          Markus

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                            #14
                            Da stimme ich Dir voll zu, Nietzsche (>Vom Nutzen und Nachteil der Historie für das Leben<) nennt das ja treffend >kritische Historie<, dieses von Zeit zu Zeit für das Leben notwendige sich vollständige Lösen von jeder Macht der Geschichte in Gestalt des Monumentalischen und Antiquarischen - ohne das gäbe es z.B. keine Stockhausen!

                            Gruß Holger

                            Kommentar


                              #15
                              Original von Dr. Holger Kaletha
                              das Problem in der sogenannten >Klassik< ist, daß es eine Ahnengalerie von Titanen großer Instrumentalisten gibt. Und da relativiert sich vieles! Zweifellos ist Lang Lang ein Ausnahmemusiker, weil er mit seiner Persönlichkeit und auch seinem Spiel weit über dem Durchschnitt rangiert. Allerdings auf dem Niveau von solchen Klavierlegenden wie z.B. Svjatoslav Richter, Arturo Benedetti Michelangeli, Emil Gilels, Vladimir Horowitz, Artur Rubinstein oder auch Dinu Lipatti, der Anfang der 50iiger mit 31 Jahren an Leukämie verstarb, ist er natürlich bei weitem nicht, musikalisch nicht und pianistisch sind! Da muß man sich nur die märchenhaften, auch musikalisch frühreifen Auifnahmen von Gilels oder Benedetii Michelangeli anhören, dann wird der Unterschied schnell klar! Der 18jährige Benedetti Michelangeli z.B. hat wirklich >magische< Aufnahmen gemacht, bei denen man eine Gänsehaut bekommt in jeder Hinsicht, völlig entmaterialisiertes Klavierspiel! Das sind olympische Höhen, die wird ein Lang Lang nie erreichen!
                              Die Klavierlegenden, die du erwähnst haben in einer anderen Epoche gelebt. Auch und vor allem das Publikum war anders und hörte bzw spürte anders. Heute sind andere Interpretationen und Ausdruckweise verlangt. Schon von vorne an sind alle Musiker, die eine grosse Zukunft haben wollen, unter starkem Druck gesetzt, wo die Technik als aller erste Priorität gesetzt ist. Die grosse Angst Fehler zu machen ist das Hauptproblem heute, weil eine Fehlerlose Performance vom Publikum und die Wettberwerbe verlangt wird.
                              Wir müssen diesen noch jungen Musikern Zeit geben, sich mehr zu entwickeln und reif werden. Trotzdem haben sie schon jetzt für uns etwas zu sagen. Wir müssen nur offen sein, sie zu verstehen auch wenn eine scheinbar gierige Plattenfirma hinten denen steht.

                              Gruss

                              titian

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