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J.S. Bach - Sechs Suiten für Violoncello Solo

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    #46
    Ja, traditionell ist das so.

    Aber bei Stockhausen z.B. nicht mehr.
    Das ist der Unterschied zwischen Mystik und Formalismus.

    Hier ist ganz gut zusammengefasst, was ich meine, auch unter ausdrücklicher Bezugnahme auf Bach:


    Gruß,
    Markus

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      #47
      Zitat von Markus Berzborn Beitrag anzeigen
      Hier ist ganz gut zusammengefasst, was ich meine, auch unter ausdrücklicher Bezugnahme auf Bach:
      http://www.lebensquellen.de/?p=284
      Da stellt sich für mich die Frage, ob das nicht schon ein sehr romantisiertes Bild ist (romantisch hier verstanden im Sinne der Idee der Kunstreligion). Zu Bachs Zeiten war das Komponieren erst einmal ein Handwerk zu einem bestimmten Zweck. Die meisten Werke von Bach waren Auftragskompositionen und viele davon rein weltlich. Da finde ich es doch ziemlich gewagt, überall einen religiösen Hintergrund zu unterstellen. Selbst wenn das Komponieren geistlich geprägt sein sollte, muß das nicht unbedingt in das Werk eingehen. Daß das Werk die Intentionen des Autors - seines Schaffensprozesses - spiegeln soll, ist auch wieder eine ganz bestimmte gar nicht selbstverständliche Annahme. Zu Bachs Zeiten war es zudem noch sehr strittig, ob die Musik überhaupt in der Lage ist, >Werke< hervorzubringen, d.h. man definierte ein Musikstück erst einmal durch seinen Gebrauch, und nicht das, was es >ist<. Und der konnte eben geistlich oder weltlich sein. All das spricht dafür, daß diese >religiöse< Betrachtung von Bach eigentlich wenig historisch ist! Daß die Cellosuiten einen religiösen Hintergrund haben - wodurch ist das denn wirklich nachweisbar belegt, also mehr als bloß spekulativ?

      Beste Grüße
      Holger

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        #48
        Für Bach stand sein ganzes Schaffen, ja sein ganzes Leben unter dem Wahlspruch „soli deo gloria“. Und somit war auch sein ganzes Leben im gewissen Sinne geistlich.
        Ich weiss ja nicht, woher der gute Mensch seine Kenntnisse über J.S. Bach bezogen hat. Aber mit Verlaub: das halte ich für eine nicht haltbare Aussage. Wer sich mit Bach´s Leben und Werk etwas näher befasst wird feststellen, dass der gute Johann Sebastian ein knallharter - wenn auch nicht immer sehr erfolgreicher - Geschäftsmann war, für den auch die geistlichen Kompositionen in erster Linie dem Gelderweb diente. Entweder waren es Gelegenheitsauftragkompositionen oder war - wie vor allem in seiner Leipziger Zeit - zu einer bestimmten Anzahl von Kompositionen verpflichtet. Er kannte seinen Marktwert und war beständig bemüht, ihn zu erhöhen. Es dürfte kaum ein Zweifel bestehen, dass er liebend gerne, die Stelle als Kirchenmusiker zu Gunsten einer Hofmusikerstelle aufgegeben hätte, wenn denn die Bezahlung gestimmt hätte. Meines Wissens war er auch immer um solche anderen Stellen bemüht.

        Gerade in der Zeit, in der die Cello-Suiten mutmaßlich entstanden (das genaue Entstehungsdatum ist unbekannt und wird vermutlich mangels eines Autographs auch immer im Dunkeln bleiben), war Bach am Hofe des Fürsten Leopold von Anhalt-Köthen als Hofkapellmeister. Hier entstanden auch viele andere weltliche Werke. Davor war er übrigens am Hof in Weimar (und verbrachte vier Wochen im Gefängis, weil der damalige Fürst mit dem Abgang Bach´s gar nicht einverstanden war).

        Zitat von Dr. Holger Kaletha Beitrag anzeigen
        ...Daß die Cellosuiten einen religiösen Hintergrund haben - wodurch ist das denn wirklich nachweisbar belegt, also mehr als bloß spekulativ?
        Es gibt keine Belege dafür. Wie ich schon sagte ist noch nicht einmal klar, ob die Suiten überhaupt für eine öffentliche Aufführung gedacht waren, oder ob es sich - wie andere Stücke von Bach aus dieser Zeit - um "Übungsstücke" gehandelt hat. Gleichwohl gibt es mehrere Interpretaionsansätze - spontan fallen mir da jetzt Gavriel Lipkind und Steven Isserlis ein - die eine solche "religiöse" Interpretation versuchen. Besonders bemerkenswert ist dabei Isserlis, der erst ausführlich darlegt, welchen religiösen Gehalt die einzelnen Suiten in Form von christlich-religiösen Bildern nach seinem Gefühl haben um dann am Schluss anzumerken:

        "Falls all dies den Hörer anspricht, freue ich mich, wenn nicht - vergessen Sie es ! Diese Bilder sind nur für diejenigen gedacht, die (wie ich) in ihnen Inspiration finden, aber es besteht absolut keine Notwendigkeit für außermusikalische Zusätze. Die Suiten sind in sich perfekt."

        Das Booklet ist sehr empfehlenswert ! Die Aufnahmen übrigens auch.

        VG, Bernd

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          #49
          Zitat von zatopek Beitrag anzeigen
          Wer sich mit Bach´s Leben und Werk etwas näher befasst wird feststellen, dass der gute Johann Sebastian ein knallharter - wenn auch nicht immer sehr erfolgreicher - Geschäftsmann war, für den auch die geistlichen Kompositionen in erster Linie dem Gelderweb diente.
          Ja und? Das ist doch kein Widerspruch.

          Es sind gerade immer wieder Leute, die von spirituellem Leben keine Ahnung haben, die der irrigen Vorstellung nachhängen, Religion bedeute, freiwillig arm zu sein oder ähnlichen Blödsinn.

          Gruß,
          Markus

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            #50
            Zitat von Dr. Holger Kaletha Beitrag anzeigen
            Selbst wenn das Komponieren geistlich geprägt sein sollte, muß das nicht unbedingt in das Werk eingehen.
            Behauptet ja auch keiner.

            Gruß,
            Markus

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              #51
              Der Einspruch von Bernd ist finde ich sehr berechtigt - gegen einen >Bach-Mythos< als den protestantischen Musiker.

              Man muß einfach verschiedene Dinge auseinanderhalten:

              1. Es gibt Musikstücke mit religiösem Inhalt wie z.B. das religiöse Klavierstück von Liszt mit Titeln wie >Sursum corda! (>Erhebet Eure Herzen<) oder >Angelus< (Engel). Einen solchen religiösen Inhalt haben Bachs Cellosuiten einfach nicht - es sei denn, man legt ihn in ein solches Stück hinein.

              2. Für Buddhisten ist das Putzen ein religiöser Akt, eine Form der Meditation. Der endet aber mit der Tätigkeit: Die geputzten Schuhe sind nicht heilig, nur weil der Akt des Putzens heilig war. Selbst wenn man unterstellt, daß für Bach die Tätigkeit des Komponierens religiös motiviert war, muß sich das also nicht auf das Werk übtertragen. Das sind zwei verschiedene Paar Schuhe.

              3. Die Rezeptionsästhetik. Die Romantik kritisierte den Zweckrationalismus, wonach das Hören eines Musikstücks einen Zweck haben soll, etwa einen moralischen oder einfach nur unterhalten will. Die ästhetische Wahrnehmung ist zweckfrei und wurde von den Romantikern religiös-metaphysisch interpretiert als eine >Andacht<. Sowohl das Spielen eines Musikstücks und auch das Hören ist in diesem Sinne >religiös<, erfordert eine andachtsvolle Haltung. Da diese zweckfrei ist, kann sie sich sowohl auf Stücke religiösen Inhalts (eine Messe z.B.) als auch weltlichen Inhalts (eine Tanzsuite) beziehen. Die religiöse Haltung betrifft hier die Rezeption und nicht den Inhalt des Musikstücks! Casals kann also die Bach-Suiten andachtsvoll spielen, ohne daß sie damit einen religiösen Sinn bekämen. >Historisch< ist dieser Ansatz freilich nicht - man muß wohl davon ausgehen, daß der Barockmensch Bach nicht generell (!) in dieser romantisch-andachtsvollen Haltung Musik komponieren und hören wollte. Illegitim ist das aber auch nicht - nichts verbietet uns, eine ästhetische und nicht zweckrationale Einstellung einzunehmen, was das Rezipieren von Musik angeht!

              Beste Grüße
              Holger

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                #52
                Terakado vs. Kuijken

                Tach,

                heute habe ich mal die beiden Aufnahmen der Suiten von Terakado und Kuijken verglichen.



                und



                Beide verwenden neu gebaute Instrumente nach alten Vorlagen, nämlich sogen. Violoncelli da spalla, d.h. Celli, die nicht zwischen den Knien gehalten werden, sondern an der Schulter. Sieht gewöhnungsbedürftig aus. Das Instrument, das deutlich kleiner ist, als ein richtiges Cello, wird dabei mit einem Riemen gehalten.

                Terakado hat bei Kuijken gelernt, was man imo auch hören kann. Die Spielweisen scheinen mir doch sehr ähnlich zu sein. Beide spielen recht unpretentiös aber virtuos, ohne große hörbare Mängel (wenn ich das beurteilen kann) und ohne Vibrato, eben nach der historischen Spielweise. Stilistisch tun sie sich nicht allzuviel. Vielleicht spielt Kuijken manchmal etwas flotter obwohl er mit 2:15 h etwas länger braucht, als Terakado (2:10). Das dürfte aber den etwas längeren Pausen zwischen den Sätzen geschuldet sein.

                Was erstaunt ist, dass der Klang der Instrumente so unterschiedlich ist, obwohl sie beide von demselben Instrumentenbauer Dmitry Badiarev stemmen. Während Terakados Cello dunkler, fast ein wenig "mulmig" klingt und damit einem richtigen Cello näher kommt, ist das Cello Kuijkens wesentlich heller, "strahlender". Beiden Intrumenten fehlt natürlich das Voluminöse des richtigen Violoncello. Sie klingen für mich etwas dünn.

                Beide Aufnahmen zeichnen sich durch einen deutlich hörbaren Hall aus, in dem die Aufnahmen jedoch nicht verlorengehen. Griffgeräusche sind kaum, Atemgeräusche - bei manchen Einspielungen der Suiten fast etwas störend zu hören (könnte das an der Position des Mikrophons liegen ?) - gar nicht zu hören.

                Das deutsche Booklet der Kuijken - Aufnahme ist sehr informativ und geht auf die Geschichte der unterschiedlichen Bauarten und Spielweisen der Celli ein. Über das Booklet der Terakado-Aufnahme kann ich nichts sagen; ich kann kein Japanisch.

                Welche ist besser ? Wieso oft ist das wohl Geschmacksache. Ich persönlich tendiere derzeit aber mehr zu der CD von Kuijken, weil sie mit ihrem doch so anderen Klang neue Aspekte der Suiten eröffnen kann.

                VG, Bernd

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                  #53
                  Die Cello Suite BWV 1007, die Du da hören kannst, steht mir in einer Auktion noch offen. Ich hoffe mich überbietet in den nächsten 7 Tagen niemand, denn solange muss ich warten. Auf der gleichen Platte, sorry wegen dem leichten off-Topic, hier gehts ja im Grunde um CDs, ist auch die Cello Suite BWV 1008 zu hören.
                  Auf der Platte in der Auktion spielt Pablo Casals Cello.


                  Die Suite Nr 1 BWV 1007 kann ich dann, wenn mein Gebot erfolgreich ist, auch mit der Starker Einspielung vergleichen. Das wird hoffentlich interessant werden, denn dieser starke Cello Ton kommt analog gut zu Gehör :N.

                  Ob und wo ich eventuell schon mal ein Violoncello gehört habe, ist mir jetzt nicht klar.

                  In manchen Fällen könnte es eventuell auch vorteilhaft sein, anstatt die Musik von LP zu hören, die entsprechenden Veröffentlichungen auf CD herzunehmen. Vieles ist auf CD ja auch günstig zu haben.
                  Dennoch, ich möchte diese älteren analogen Aufnahmen nicht mehr missen.
                  Wie gut die CD ist, darf ich ja mit den Michelangeli Aufnahmen hören.

                  .
                  Last.fm Was ich zuletzt gehört habe ...

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                    #54
                    Zitat von Höhlenmaler Beitrag anzeigen
                    Auf der gleichen Platte, sorry wegen dem leichten off-Topic, hier gehts ja im Grunde um CDs, ist auch die Cello Suite BWV 1008 zu hören.
                    Also eigentlich geht es mir in diesem Thread nur um die Musik, nicht um das Medium. Deshalb hatte ich ja auch schon auf die DVD von Miklos Perenyi und Wenn Sinn Yang hingewiesen.

                    Wenn du die LP nicht ersteigern kannst: für ca. 12 EUR gibt es dieselbe Aufnahme bei Naxos auf CD.



                    Bei EMI ist sie teurer: 19,99 EUR



                    Unterschiede kann ich nicht hören, obwohl die Naxos neu abgemischt sein soll (was aber nichts daran ändert, dass Pablo sich im Eifer des Gefechtes auch schon mal vergreift).

                    VG, Bernd

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                      #55
                      Wenn sich heute - oder sagen, wir seit Einführung des Magnetbands überhaupt - ein Musiker vergreift, ist da ja auch kein Problem mehr. Die Stelle wird einfach herauseditiert und neu eingespielt.
                      In historischen Zeiten war das nicht möglich, es waren ja sozusagen "Direktschnitte".
                      Man hätte die Aufnahme dann wieder ganz von vorne anfangen müssen.

                      Gruß,
                      Markus

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                        #56
                        Hallo Markus,

                        für mich macht es manchmal einfach auch den Reiz aus, mal solche "unvollkommenen" Aufnahmen zu hören. Man spürt dahinter dann doch den "fehlbaren" Menschen.

                        Es soll aber auch zu allen Zeiten Musiker gegeben haben, die sich nie im Leben mit solchen Aufnahmen zufrienden gegeben hätten.

                        VG, bernd

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                          #57
                          Mag sein. Aber vor Casals hat sich ja überhaupt erst niemand an eine Gesamteinspielung der Cello-Suiten herangewagt.

                          Gruß,
                          Markus

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                            #58
                            Zitat von Markus Berzborn Beitrag anzeigen
                            Mag sein. Aber vor Casals hat sich ja überhaupt erst niemand an eine Gesamteinspielung der Cello-Suiten herangewagt.
                            Stimmt, vielleicht weil die Stücke nie im ganzen für Aufführungen vorgesehen waren ? Lange Zeit hielt man sie ja als Solo-Stücke für unspielbar, was dazu führte, dass sie in Begleitung mit anderen Instrumenten, hauptsächlich Klavier aufgeführt wurden, und auch dann wohl nur einzelne Suiten.

                            VG, Bernd

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                              #59
                              Umso dankbarer muss man Casals sein für diese Pioniertat.

                              Es gibt ja inzwischen technisch noch weitaus schwierigere Stücke für Cello. Z.B. die Etudes Boréales von John Cage. Da sagte man auch jahrelang, die seien nicht spielbar. Aber dann kaumt auf einmal jemand wie Frances-Marie Uitti und spielt sie trotzdem.

                              Gruß,
                              Markus

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                                #60
                                Matt Haimovitz

                                Tach,

                                vorgestern und heute habe ich die Einspielung der Suiten von Matt Haimovitz gehört.



                                Um es gleich vorweg zu sagen: mein Fall ist es nicht !

                                Haimovitz ist so eine Art énfent terriblé der jüngeren Cellisten. Geboren 1970 stand er bereits mit 15 Jahren auf dem Podium. Nach der Absolvierung der Julliard School schlug er etwas extravagante Wege ein. Ich zitiere mal aus Wikipedia:

                                "A 2002 North American tour that attracted international attention saw Haimovitz performing J. S. Bach's cello suites in night clubs, restaurants and other highly untraditional venues in a wide variety of towns and cities across the United States. "
                                Die Aufnahme der Suiten stammt aus dem Jahre 2000. Technisch scheint er - so weit ich das als musikalischer Laie beurteilen kann - durchaus auf der Höhe zu sein. Die Suiten sind recht abwechslungsreich gespielt. Mit Verzierungen und Ausschmückungen hält er sich - im Vergleich zu anderen - doch ziemlich zurück. dafür sind seine Tempi recht variantenreich. Aber irgendwie fehlt mir an seiner Einspielung das tänzerische Element völlig. Mir scheint, jede Note wird mit Bedeutung aufgeladen und tiefsinnig interpretiert. Irgendwie geht mir das an den Stücken völlig vorüber. Nett der Einfall, die Wiederholung des 1. Menuet der 1. Suite zu zupfen. So etwas hat Maria Kliegel in ihrer Einspielung mit der Sarabande der 5. Suite auch schon gemacht.

                                Ich habe dann mal direkt die Starker Einspielung der 6. Suite aus dem Jahre 1963 mit der von Haimovitz verglichen.



                                Ich gebe ja gerne zu, es ist eine meiner Lieblingsaufnahmen. Während beim Starker die Musik der 6. Suite wirklich "strahlt" und sich spannungsreich auf einen Höhepunkt hinbewegt, bleibt es bei Haimovitz doch stets auf einem bestimmten Level. Irgendwie geht bei ihm die Spannung gänzlich verloren.

                                Er soll wohl mal - sinngemäß - gesagt haben, man müsse die Suiten so spielen, dass der Hörer die anderen Stimmen hinzuhören kann. Na, ich habe da meine Zweifel, ob er mit dieser Einspielung dieses Ziel wirklich erreicht hat.

                                Kennt sonst noch jemand die Aufnahme und kann meine Einschätzung bestätigen, oder ist das alles Quatsch, was ich glaube gehört zu haben ?

                                VG, Bernd

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