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J.S. Bach - Sechs Suiten für Violoncello Solo

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    #31
    Tach auch,

    Zitat von Höhlenmaler Beitrag anzeigen
    eine LP aus der Bucht, aus England. .. Saga XID 5167
    diese Platte stellt ein Cello 'mit Fleisch' in den Raum. Der Klang ist sehr überzeugend. Sowas ist eine analoge Versuchung.
    Das ist die zweite Aufnahme Strakers aus Ende der fünfziger Jahre. Leider kenne ich sie - noch - nicht. Ich sollte mich mal um eine LP bemühen. Die CD´s auf denen die Aufnahmen sind, sind derzeit nicht zu bekommen, leider...

    Zitat von Höhlenmaler Beitrag anzeigen
    Andere Aufnahmen von Bach, 6 Suites for Solo Cello, BWV 1007-1012, als MP3 aus eMusic von Torleif Thedéen, auch das gefällt mir gut, nein, sehr gut.
    Sehr gute Aufnahme; ich hatte dazu ja meine Meinung schon gepostet.

    Zitat von Höhlenmaler Beitrag anzeigen
    ...aber ein Urteil zu treffen, was denn 'besser' ist, fällt mir schwer. Analoge Wiedergabe hat mehr Kraft und stellt dieses Cello mit Janos Starker stellenweise sehr unmittelbar, fast möchte man beim Hören zugreifen, mit einem packenderen und hölzernen Ton dar. Die Aufnahmen von CD wirken farbiger, scheinen den Ton des Cello differenzierter abbilden zu können. Daß Torleif Thedéen sein Cello beherrscht, zupackend, höre ich auch.

    Als eher ungebildeter Klassik Laie kann ich da nur mit einem Bauchgefühl ran. Dabei wird mir je nach eigener Befindlichkeit mal Starker mehr zusagen und wenn mir unbedingt nach verfeinerter Unterhaltung sein sollte, vielleicht der Thedéen. Ich bin mir unsicher. Erfahrung im Umgang mit Bach und Cello habe ich nicht. Jetzt, so aus dem Bauch raus möchte ich mich für Janos Starker entscheiden.

    Die Langspielplatte mit Starker aus der Bucht war sehr günstig. Im Grunde habe ich bislang noch keinerley schlechte Erfahrungen beim Kauf von analogem Nachschub in der Bucht gemacht.

    Ab und zu ist der Klang mal nicht sooo umwerfend, aber beschädigte Platten sind bislang keine dabei gewesen.
    Nach meiner Erfahrung gibt es keine "bessere" oder "schlechtere" Aufnahme. Jede Einspielung der Suiten ist anders. Ich persönlich bevorzuge je nach Stimmung mal die eine, mal eine andere. Gerade bei Starker sind die Aufnahmen recht unterschiedlich, jedenfalls soweit ich die beiden Aufnahmen aus den sechzigern und ca, dreissig Jahre später vergleichen kann.

    Ich wage einfach mal die Behauptung, eine "richtige" Einspielung gibt es nicht !

    VG, Bernd

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      #32
      Zitat von zatopek Beitrag anzeigen
      Das ist die zweite Aufnahme Strakers aus Ende der fünfziger Jahre.
      Glaube ich nicht.
      Es dürfte sich eher um die ganz frühe Mono-Aufnahme vom Anfang der 50er Jahre handeln.

      Die Mercury-Einspielung von Starker ist übrigens vor einiger Zeit von Speakers Corner auf LP wiederveröffentlicht worden. Gegen Aufpreis auch mit persönlicher Signatur des Cellisten.
      Wahrscheinlich ist diese LP-Box nach wie vor neu erhältlich - müsste man mal nachschauen.

      Gruß,
      Markus

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        #33
        Hallo Markus

        Zitat von Markus Berzborn Beitrag anzeigen
        Glaube ich nicht.
        Es dürfte sich eher um die ganz frühe Mono-Aufnahme vom Anfang der 50er Jahre handeln.
        Stimmt, du hast Recht. Ich hatte mich vertan.

        Zitat von Markus Berzborn Beitrag anzeigen
        Die Mercury-Einspielung von Starker ist übrigens vor einiger Zeit von Speakers Corner auf LP wiederveröffentlicht worden. Gegen Aufpreis auch mit persönlicher Signatur des Cellisten. Wahrscheinlich ist diese LP-Box nach wie vor neu erhältlich - müsste man mal nachschauen.

        Ja die ist noch erhältlich, jedenfalls bis vor kurzem, da hatte ich sie mir nämlich noch bestellt.

        VG, Bernd

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          #34
          gefunden habe ich die meisten der klassischen Aufnahmen auf Schallplatten ---> Hier <----
          habe zwar als Laie sozusagen auf 'Vermutung' hin geboten, einige Scheiben die mir gefallen, sind aber so auch darunter. Die Preise scheinen mir günstig, die Verpackung war jedesmal sehr gut, der Versand schnell.
          Last.fm Was ich zuletzt gehört habe ...

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            #35
            Zitat von zatopek Beitrag anzeigen
            Nach meiner Erfahrung gibt es keine "bessere" oder "schlechtere" Aufnahme.

            Ich wage einfach mal die Behauptung, eine "richtige" Einspielung gibt es nicht !
            Hallo Zatopek,

            das ist natürlich eine sehr grundsätzliche Frage! Auch wenn man nicht von >richtig< oder >falsch< sprechen will, kann man ja durchaus die Frage stellen, wie gelungen das Gesamtkonzept ist und ob z.B. eine interpretatorische Idee auch konsequent umgesetzt wird. Es gibt ja manche Interpretationen, die sind weder >Fisch noch Fleisch<, orientieren sich mehr oder weniger vage an bestimmten Vorbildern, während andere wirklich neue Wege aufzeigen. Dazu kommt die musikalisch-technische Seite, die auch dazu gehört. Ich bin natürlich absolut kein Experte in Sachen Cello-Suiten!

            Beste Grüße
            Holger

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              #36
              Hallo Holger,

              Zitat von Dr. Holger Kaletha Beitrag anzeigen
              das ist natürlich eine sehr grundsätzliche Frage! Auch wenn man nicht von >richtig< oder >falsch< sprechen will, kann man ja durchaus die Frage stellen, wie gelungen das Gesamtkonzept ist und ob z.B. eine interpretatorische Idee auch konsequent umgesetzt wird. Es gibt ja manche Interpretationen, die sind weder >Fisch noch Fleisch<, orientieren sich mehr oder weniger vage an bestimmten Vorbildern, während andere wirklich neue Wege aufzeigen. Dazu kommt die musikalisch-technische Seite, die auch dazu gehört.
              Das ist wirklich eine Frage, die mich seit längerem beschäftigt. Ich denke, es hängt stark von der Musik ab, die man hört. Wenn ich deine Beschreibungen etwa zu "Gaspard de la nuit" lese, wird mir klar, dass Ravel mit seiner Komposition einen bestimmten musikalischen Gedanken ausdrücken wollte. Dann hängt es natürlich von der künstlerischen Intelligenz des Interpreten ab, ob und wie er diesen Gedanken erfasst und umsetzt. Insofern kann man dann durchaus von einer "richtigen" oder "falschen" Interpretation sprechen.

              Ich denke aber, dass es auch Stücke gibt, die vielleicht keinen solchen musikalischen Gedanken in sich tragen. Ich bin natürlich kein Musikhistoriker aber ich könnte mir denken, dass dieses Konzept erst mit der Romantik aufgekommen ist. Die Musik des Barock, die ich gerne höre, insbesondere die Kompositionen Bach´s dürften über ihren "Gebrauchwert" hinaus eigentlich keine weiteren verborgenen Intentionen haben. Seine geistlichen Werke dienten eindeutig kirchlich-religiösen Zwecken (mittelbar dem Gelderwerb), während die Gründe zur Schaffung seiner weltlichen Stücke sich häufig in äußerlichen Anlässen erschöpften. Ich bezweifle, dass er über die Erfüllung dieser Bedürfnisse hinaus weitere künstlerische Absichten hatte.

              Zitat von Dr. Holger Kaletha Beitrag anzeigen
              Ich bin natürlich absolut kein Experte in Sachen Cello-Suiten!
              Ich doch auch nicht. Ich tue doch nur so ;) . Aber die Suiten sind vielleicht gar kein so schlechtes Beispiel um zu verdeutlichen, was ich meine. In der Literatur ist vieles über den Anlass und die Entstehung der Suiten ungeklärt. Bereits der Umstand, dass von Bach kein Autograph existiert (bis auf die Transkription der 5.Suite für Laute) hat zu vielen Vermutungen Anlass gegeben, bis hin zu der abwegigen Behauptung, die Suiten stammten gar nicht von Bach selber, sondern von seiner zweiten Frau Anna Magdalena (weil von ihr Handschriften existieren). Warum und mit welcher Absicht Bach die Suiten komponiert hat, weiss keiner. Es könnte sich um ein Auftragswerk für einen ihm bekannten Cellisten gehandelt haben oder aber um reine Übungstücke (wofür der steigende Schwierigkeitsgrad spricht). Vielleicht hat er sie ja für sich selbst geschrieben; Bach soll ein hervorragender Viola Pomposa - Spieler gewesen sein. Er hat ja auch den Bau des für die 6.Suite vorgesehenen Violoncello piccolo angeregt. Was ich sagen will ist: was er mit den Suiten beabsichtigte, welche Aufführungsbedingungen ihm vorgeschwebt haben (für sich alleine zum Üben oder tatsächlich vor Publikum) bereits das dürfte nicht ganz klar sein. Da macht es dann aber auch wenig Sinn, über eine bestimmte Interpretationsweise zu spekulieren. Oder anders: gerade diese Unsicherheit erlaubt einen viel breiteren Interpretationsspielraum, als bei Stücken wie dem genannten von Ravel.

              Natürlich gibt es mehr oder weniger gelungene Einspielungen. Obwohl: so richtig schlechte sind mir noch nicht untergekommen (ich habe aber auch erst ca. 80 Aufnahmen gehört ). Das schlimmste Urteil das ich bisher fällen könnte wäre, die Aufnahme sein belanglos und schnell vergessen. Aber auch damit tue ich mich schwer, weil in fast jeder Einspielung zumindest eine Suite gut getroffen ist. Und was die technische Seite angeht: da fehlen mir die Kenntnisse in der Handhabung der Musikinstrumente. Ich glaube, nur wer die Stücke selbst schon einmal gespielt hat oder zumindest die Ausbildung hat, sie spielen zu können, ist in der Lage, eine technisch gelungene von einer weniger gelungenen oder gar misslungenen Aufnahme unterscheiden zu können. Gewiss: ich maße mir an auch insoweit gewisse Unterschiede hören zu können, etwa ob jemand eine "schnelle" Passage souverän meistert und dabei den Überblick behält, oder ob er sie nur herunterspielt in der Hoffnung, sich nicht zu vergreifen (oder wenn doch, dass es keiner hört). So bin ich bis zum Beweis des Gegenteils nach wie vor der Auffassung, dass du Pre bei ihrer Aufnahme stellenweise nicht ganz sauber spielt, ebenso dass der große Casals sich auch schon mal im Eifer des Gefechtes verhaspelt. Beweisen könnte ich es nicht, es klingt für mich nur so.


              VG, Bernd

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                #37
                Andreas von Wangenheim: Transkription für Gitarre

                Heute gehört:

                Andreas von Wangenheim "Six Suites for Violoncello solo - Transcription for guitar"



                Von Wangenheim traut sich was: er hat nicht nur die Suiten für die Gitarre übertragen und eingespielt, sondern dabei auch bewußt die Reihenfolge verändert und zwar, wie er sagt, aus künstlerischen Motiven. Welche das waren, bleibt leider im Dunkel. Die ursprüngliche Reihenfolge orientiert sich an zunehmender musikalischer Komplexität und steigender technischer Schwierigkeiten. An ersterem dürfte sich durch die Übertragung nichts geändert haben. Ob und in welchem Umfange die Suiten für eine Gitarristen nach der Transkription technisch schwieriger sind, kann ich leider nicht beurteilen.

                Nach meiner Meinung ist das Experiment durchaus gelungen. Der Klang der Gitarre passt sehr schön zu dem "tänzerischen" Charakter der Suiten. Mit Verzierungen hält sich von Wangenheim eher zurück, und wenn, dann passen sie zu dem barocken Charakter der Stücke. Dafür kommt der mehrstimmige Charakter der Suiten auf Grund der im Gegensatz zu einem Streichinstrument veränderten Spielweise besser zur Geltung. Wer nicht weiss, dass die Stücke ursprünglich für ein Streichinstrument geschrieben sind und wer nur diese Einspielung kennt, wird sicherlich meinen, dass die Suiten zum klassischen Gitarrenrepertoire gehören.

                Ich könnte mir vorstellen, dass man über diese Aufnahme leichter einen Zugang zu den Suiten insgesamt findet, als durch eine Einspielung auf dem Cello. Andererseits kann die Gitarre das Cello gerade in der eher ruhigen, melancholischen 2. oder 5. Suite kaum ersetzen. Hier fehlt der volle sonore Klang, der auch mehr Ausdruck erlaubt.

                VG, Bernd

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                  #38
                  Hallo Bernd,

                  das sind alles sehr spannende Überlegungen - und der Thread ist absolut wunderbar, gerade auch Deine letzte Besprechung der Gitarrenversion! Daß im Falle der Cello-Suiten die Entstehungebedingungen und Intentionen im Dunkeln liegen, fordert zu verschiedenen Interpretionsansätzen heraus. Ist das der religiöse Bach oder der weltliche? Bach hat übrigens auch in seinen Messen sehr >avantgardistische< kompositorische Prinzipien verfolgt und sich mit seinen Auftraggebern deshalb teilsweise sehr heftig gestritten.

                  Was die Idee angeht: Von Adolf Bernhard Marx, einem der bedeutendsten Musiktheoretiker des 19. Jahrhunderts, stammt der Ansatz, daß jeder musikalischen Form eine bestimmte Idee zugrundeliegt. Marx war Hegelianer und hat daraus eine entwicklungsgeschichtliche Betrachtung gemacht. Insofern kann man auch nach der (ästhetischen) Idee einer Tanzsuite fragen - auch unabhängig vom Zweck, dem die Komposition diente. Ich finde es schade, daß heute in der Musikwissenschaft oft ein Positivismus vorherrscht, über irgendwelche technischen Sachen gestritten wird (wo endet Periode a und fängt b an), diese Formanalyse aber nicht mehr verständlich macht, welche Idee denn in dieser Komposition steckt!

                  Beste Grüße
                  Holger

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                    #39
                    Hallo Holger,

                    Zitat von Dr. Holger Kaletha Beitrag anzeigen
                    ... Ist das der religiöse Bach oder der weltliche? Bach hat übrigens auch in seinen Messen sehr >avantgardistische< kompositorische Prinzipien verfolgt und sich mit seinen Auftraggebern deshalb teilsweise sehr heftig gestritten.
                    Bach hat sich ja auch nicht gescheut, an sich aus weltlichen Anlässen komponierte Musik in geistlichen Werken zu parodieren und umgekehrt. Ich zögere daher ein wenig, von einer solchen strikten Trennung zwischen "geistlicher" und "weltlicher" Musik bei Bach zu sprechen. Vielleicht können wir die Durchdringung des Alltags mit religiösen Elementen wie sie zu Bach´s Zeit und in seinem Milieu wohl ganz normal war, heute nicht mehr wirklich verstehen.

                    Zitat von Dr. Holger Kaletha Beitrag anzeigen
                    Was die Idee angeht: Von Adolf Bernhard Marx, einem der bedeutendsten Musiktheoretiker des 19. Jahrhunderts, stammt der Ansatz, daß jeder musikalischen Form eine bestimmte Idee zugrundeliegt. Marx war Hegelianer und hat daraus eine entwicklungsgeschichtliche Betrachtung gemacht. Insofern kann man auch nach der (ästhetischen) Idee einer Tanzsuite fragen - auch unabhängig vom Zweck, dem die Komposition diente.
                    Das ist ein hochinteressanter Gedanke ! Es überrascht mich aber nun nicht wirklich, dass Marx Hegelianer war. Das schwierige an solchen Gedanken ist imo, dass sie sich kaum verifizieren lassen und häufig von einer Summe von Paradigmen ausgehen, über deren Berechtigung selten Einmütigkeit hergestellt werden kann.

                    Zitat von Dr. Holger Kaletha Beitrag anzeigen
                    Ich finde es schade, daß heute in der Musikwissenschaft oft ein Positivismus vorherrscht, über irgendwelche technischen Sachen gestritten wird (wo endet Periode a und fängt b an), diese Formanalyse aber nicht mehr verständlich macht, welche Idee denn in dieser Komposition steckt!
                    Ist das nicht Ausdruck der allgemeinen Feigheit in den Geisteswissenschaften vor dem Gedanken eines einheitlichen "Systems" ? Sie hat mit Sicherheit historische Wurzeln, insbesondere im scheitern der großen Ideologien im vergangenen Jahrhundert.

                    Andererseits: drückt sich darin nicht auch eine gewisse auf Grund ebendieser historischer Erfahrungen nicht unberechtigte Bescheidenheit aus gegenüber der Anmaßung dieser großen Systeme mit ihrem Anspruch, eine Theorie für alles und jedes zu sein ?

                    Demnächst nehme ich mir einmal die Aufnahme von Daniel Shafran vor:



                    Die Aufnahmen stammen wohl aus den siebziger Jahren (zwischen 1969 und 1974). Seine Live-Aufnahme in der Brilliant Box ist umwerfend !

                    VG, Bernd

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                      #40
                      Zitat von zatopek Beitrag anzeigen
                      Vielleicht können wir die Durchdringung des Alltags mit religiösen Elementen wie sie zu Bach´s Zeit und in seinem Milieu wohl ganz normal war, heute nicht mehr wirklich verstehen.
                      Du kannst das verstehen, wenn Du selber religiös bist, sonst nicht.
                      In den Werken Stockhausens findet man das z.B. sehr stark. Nicht erst in den späteren Jahren wie im Licht-Zyklus, sondern auch schon in "Stimmung" von 1968 mischt sich das Religiöse wie selbstverständlich mit dem Erotischen und dem Alltäglichen.

                      Gruß,
                      Markus
                      Zuletzt geändert von Gast; 06.01.2009, 01:00.

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                        #41
                        Zitat von zatopek Beitrag anzeigen
                        Das ist ein hochinteressanter Gedanke ! Es überrascht mich aber nun nicht wirklich, dass Marx Hegelianer war. Das schwierige an solchen Gedanken ist imo, dass sie sich kaum verifizieren lassen und häufig von einer Summe von Paradigmen ausgehen, über deren Berechtigung selten Einmütigkeit hergestellt werden kann.
                        Hallo Bernd,

                        >verifizieren< lassen sich Ideen nie! Die Wirklichkeit wird in Übereinstimmung mit einer Idee gebracht (durch eine Idee rekonstruiert) und nicht umgekehrt. Die Bewährung ist dann die Vollständigkeit der systematischen Rekonstruktion. Das System beweist sich durch seine Tat, sagte mal Schelling! Heute sind wir allerdings skeptisch gegenüber der geschichtsphilosophischen Anlage des Idealismus. Eine sehr aufschlußreiche Deutung musikalischer Formen durch eine Idee gibt z.B. August Halm in seinem Buch >Zwei Kulturen der Musik<. (Adorno wollte seine gesammelten Werke herausgeben, was er dann aber doch nicht getan hat!) Die zwei Kulturen sind die Fuge und die Sonate. Durch die Sonate wird die Geschichtlichkeit ausgedrückt, sagt Halm, im Unterschied zur Fuge, die ungeschichtlich ist. Die Fuge ist für Halm die mehr integrale Form, die Sonate ein Zerfall diese Integrität, weil die monothematische Anlage aufgehoben wird durch die Themenvielfalt. An dieser Stelle wertet er dann durch ein bestimmtes Formideal - worüber man schließlich streiten kann! Aber dieser ästhetische Streit ist letztlich fruchtbarer als jedes ängstlich am Strohalm der (vermeintlichen) Objektivität sich klammernde positivistische Fliegenbeinzählen!

                        Beste Grüße
                        Holger

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                          #42
                          Zitat von Markus Berzborn Beitrag anzeigen
                          Du kannst das verstehen, wenn Du selber religiös bist, sonst nicht.
                          Dem möchte ich widersprechen. ich behaupte, wir können es aus heutiger Sicht - selbst wenn wir religiös sind (was ich im übrigen nicht bin) - überhaupt nicht nachvollziehen, wie in der Barockzeit Religion und Kirche das Leben der Menschen geprägt haben. Schon alleine deshalb nicht, weil seit der Aufklärung und der Säkularisation Religion eine "Privatangelegenheit" geworden ist. Das war sie zu Bach´s Zeiten nicht ! Die kirchlichen Aktivitäten jedes Bürgers wurden - zumindest in bestimmten Schichten - argwöhnisch beäugt. Das gesamte alltägliche und gesellschaftliche Leben war von Kirche und Religion geprägt. Das liegt uns heute völlig fern und kann imo vielleicht allenfalls noch in fundamentalistisch islamischen Gesellschaften erlebt werden - wenn man es will.

                          VG, Bernd

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                            #43
                            Zur Säkularisierung gibt es auch für mich keine Alternative. Es tut letztlich auch der Religion gut, daß sie >Privatsache< geworden ist und nicht mehr als ein (anmaßender) Machtfaktor auftritt, der allein deshalb bekämpft werden müßte von liberal denkenden Menschen. Aussagen wie >man muß religiös sein um einen religiösen Menschen zu verstehen< finde ich auch ziemlich problematisch. Muß ich selber krank sein um einen Kranken zu verstehen, verrückt sein, um einen Verrückten zu verstehen? Muß ich selber von Liebesschmerz erfült sein, um jemanden zu verstehen, der Liebesschmerz hat? Wie jeder Mensch Vernunft besitzt hat er - wenn er nicht völlig verbildet ist - eine >metaphysische Ader<, um sich auch in solche religiösen Empfindungen einfühlen zu können!

                            Musikhistorisch muß man bemerken, daß im 17. und 18. Jahrhundert das Komponieren viel mehr zweckgebunden war als heute. Die Gattung war entscheidend und auch der damit verbundene Verwendungszweck - dazu gehörte, ob das Werk eben eine weltliche Bedeutung hatte oder einen liturgischen Zweck erfüllte. Im späten 18. und 19. Jahrhundert haben sich diese Unterschiede verwischt, nicht zuletzt durch die Romantik, welche die Idee der Kunstreligion propagierte. Dadurch wurde das Religiöse säkularisiert und das Säkulare sakralisiert - wenn das Hören einer Symphonie oder einer Klaviersonate genauso ein Gottesdienst sein kann wie das Beiwohnen einer christlichen Messe oder Kantate. (Im 17. Jahrhundert hätte kein Mensch ein Oratorium im Konzertsaal und nicht in der Kirche aufgeführt, wie das heute z.B. mit Bachs Weihnachtsoratorium geschieht!) Deshalb ist für uns die Grenze fließend, auch einem >weltlichen< Stück von Bach eine religiöse Dimension beizulegen. Man kann also Bach generell mit einem metaphysischen Ernst spielen, wie es manche Interpreten auch machen.

                            Beste Grüße
                            Holger

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                              #44
                              Zitat von zatopek Beitrag anzeigen
                              Dem möchte ich widersprechen. ich behaupte, wir können es aus heutiger Sicht - selbst wenn wir religiös sind (was ich im übrigen nicht bin) - überhaupt nicht nachvollziehen, wie in der Barockzeit Religion und Kirche das Leben der Menschen geprägt haben.
                              Davon rede ich ja auch nicht - interessiert mich auch nicht.
                              Mir ging es darum, nachzuvollziehen, dass es keinen Unterschied zwischen "sakral" und "weltlich" gibt, wenn man wirklich religiös ist.
                              Das hat nichts damit zu tun, dass irgendeine Kirche in den Alltag eingreift. Sondern, dass automatisch alle Dinge des Alltags spiritualisiert werden können. Das kommt dann aber aus Dir selber.

                              Gruß,
                              Markus

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                                #45
                                Zitat von Markus Berzborn Beitrag anzeigen
                                Das hat nichts damit zu tun, dass irgendeine Kirche in den Alltag eingreift. Sondern, dass automatisch alle Dinge des Alltags spiritualisiert werden können.
                                Das ist natürlich richtig, Markus. Allerdings: Es gibt das schöne, lesenswerte Buch von Mircea Eliade: "Das Heilige und das Profane". Jede Religion unterscheidet >heilig< und >profan<. So kommt das Wort Tempel von griech. >temno< >schneiden<. Es wird ein heiliger Bezirk aus dem des Profanen >ausgeschnitten< und ausgegrenzt. Also auch das religiöse Bewußtsein macht diese Unterscheidung von sakral und weltlich, gerade wenn es um das Kultische geht, was dann auch die musikalischen Aufführungen (Messen, Oratorien etc.) betrifft!

                                Beste Grüße
                                Holger

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