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Bilder einer Ausstellung: persönliche Eindrücke

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    Bilder einer Ausstellung: persönliche Eindrücke

    Original von BarFly
    ich habe hier die 'Bilder einer Ausstellung' mit Solti und Chicago, die mir richtig gut gefällt. Da ich aber eher weniger Ahnung von Klassik hab, - wie würdet ihr diese Einspielung einschätzen, eher bei den Besseren, Durchschnitt oder schlechter.
    Persönlich mache ich keine Rangliste von Interpretationen, weil dessen Auswirkung auf mich von folgenden Faktoren abhängig ist:
    - eigene Tagesstimmung
    - wie lang ich mich mit einer Interpretation befasst habe
    - persönliche Beziehungen
    - Qualität der Aufnahme bzw. persönliche Ansichten des Tonmeisters


    Hier ist eine Liste von interessanten Interpretationen der 'Bilder einer Ausstellung' .
    Ich habe einfach meinen persönlichen Höreindruck ohne eine detaillierte Einstudierung des Werkes beschrieben. Der Inhalt dieses Berichtes ist deshalb auf keinem Fall als absolutistisch zu nehmen.


    Chicago Symphony Orchestra, Dirigent: Georg Solti (LP, digitale Aufnahme 1980, Decca, Solti Edition Vol. 8)
    Solti bietet eine sehr kraftvolle dynamische Version von diesem Werk und behält ununterbrochen einen schönen Fluss vom Anfang bis Ende.
    Obwohl die Besetzung der Bläser sehr ausgedehnt ist, ist das Klangverhältnis ausgewogen. Die Einsätze der Streicher sind oft kraftvoll. Die Wirkung kann ab und zu auch ein ganz bisschen das Gefühl von Schwerfälligkeit geben.
    In jedes Stück (10 Stücke verbunden mit der Promenade) hat man eine große Dynamik (Pegel).

    Bei der zweiten Promenade spielen die Instrumente mit Vibrato und führen den Hörer im Stück Das alte Schloss ein, welches "mit Espressione" und schöne Dynamik (Crescendi / Diminuendi) gespielt wird.
    Die nächste Promenade ist kräftig und eindrücklich gespielt.
    Die Tuilerien wird mit 122 Schlägen pro Minute gespielt und die Einsätze der Instrumente sind leicht, spielerisch aber trotzdem dynamisch.
    Der Bydlo wird mit festem Marschtempo (100) und mit einem schönen Crescendo gespielt.
    Das Ballett der Küchlein in ihren Eierschalen wird relativ langsamer gespielt (162) aber trotzdem sehr leicht, spritzig und mit schöner Ansätze der Instrumenten.
    Der Marktplatz in Limoge wird schnell (ungefähr 220) gespielt. Auch hier ist relativ viel Dynamik (Pegel) vorhanden, welche zum Teil ein bisschen auf Kosten der Leichtigkeit geht.
    In der Catacombae erlebt der Hörer zuerst einen sehr schönen Klang der Bläser. Mir gefallen sehr die Crescendos und Diminuendi der Bläser. Auch später die Einsätze (inklusiv Lautstärke) der Streicher Harfe und Flöte gefallen mir gehr gut.
    Dann das abrupte Aufwachen mit Die Hütte der Baba-Yaga: Ein ganz dynamisches explosives Stück mit einem kurzen ruhigen Teil. Sehr schön finde ich es als Einführung im Das große Tor von Kiev.
    Obwohl Solti mit einem relativen hohen Tempo das Schlussstück spielt, kann man sich nicht von fehlender Dynamik beklagen oder meinen, die Stimmung sei nicht genug prächtig, festlich (ernst).

    Diese digitale Aufnahme auf LP ist meiner Ansicht sehr gut: Die Bühne ist groß, die Instrumente kann man gut erorten aber trotzdem ein einheitlicher Orchesterklang ist vorhanden, große Dynamik (bei mir 36 – 94 dB).



    Berliner Philarmoniker, Dirigent: Herbert von Karajan (LP, DGG, 139010)
    Wer sich erwartet, dass Karajan durch diese Partitur rasen wird, täuscht sich gewaltig.
    Die Tempi sind fast überall die langsamsten, die ich gehört habe (über 10 Versionen).
    Also dann langweilig? Sehr oft höre dieses Adjektiv in Foren und ich finde, es ist auch eine Sache von der eigenen Einstellung.
    Karajan lässt die Töne lang klingen, als ob er diese super Klänge für ewig hören will. Nimm deine Zeit, tief einatmen, entspannen und lässt dich deine Emotionen von diesen Klänge berühren.
    Trotz der langsamen Tempi habe ich nie das Gefühl von Schwerfälligkeit. Die Instrumente können sehr fein und mit sehr schönen Pianissimi spielen. Gute Beispiel ist im Der alte Schloss wo alle Instrumente diese Pianissimi spielen, fast gedämpft. Auch die verschiedenen Passagen der Solisten (Flöte, Klarinette, Violine, Sax..) sind gedämpft obwohl sie lauter als das Orchester spielen. Es entsteht einen ganz ruhigen fließenden Charakter von der ganz kleinen Crescendi und Diminuendi.
    Die Einsätze der einzelnen Instrumente sind "weicher" und nicht so dynamisch im Pegel.
    Die Abwechslung ist aber trotzdem garantiert. Die Promenade vor dem Ballett der Küchlein in ihren Eierschalen ist sehr langsam, der Ballett dafür schneller als bei Solti. Die Trompete im Samuel Goldenberg ganz fein und leicht.
    Die Attacken der Bläser in Catacombae sind weicher. Es geht nicht um Angreifen, Dynamik machen, jemand aufwachen sondern vielleicht um Klänge der Bläser im Saal zu verstreuen und beschauen.

    Meine analog Aufnahme ist sehr gut, leider meine Platte macht Hintergrundgeräusche. Die Bühne ist sehr schön. Die Dynamik ist kleiner (36-89). ich weiß nicht, ob das mit der Aufnahmetechnik zu tun hat oder vom Dirigent.
    Das Gleiche gilt auch von der Tatsache, dass die einzelne Instrumente nicht so deutlich vom Orchester hervorheben.




    Chicago Symphony Orchestra, Dirigent: Fritz Reiner (LP analog 1958, RCA, Reissue 180 g LSC-2201)
    Diese ist eine wuchtige, keine romantisch-emotionale Interpretation von "Bilder eine Ausstellung". Es wird ganz präzis, was in der Partitur steht, auf sehr hohem Niveau gespielt und alles praktisch ohne Vibrato.
    Schon mit der Eröffnungspromenade merkt man den "trockenen" Charakter der Interpretation. Die Promenade wird sehr betont, fast abgehackt und fast schwerfällig gespielt. Die Einsätze sind ganz präzis und wiederholen sich fast identisch. Der Gnom wird am Anfang wuchtig gespielt. Starke Einsätze der Instrumente (kein pianissimo oder piano). Rhythmisch sehr präzis und mit große Betonung. Die zweite Promenade mit den Sololisten Horn, Oboe, Flöte, Fagott, und so fort, spielen die Noten rhythmisch präzis, gleichmäßig wie eine Metronome aber mit relativer Leichtigkeit. Da kommen die Klang-Charaktere der Instrumente sehr im Vordergrund.
    Das alte Schloss wird ohne romantische Stimmung gespielt.
    Die nächste Promenade ist wieder betont und langsam mit einem schönen Crescendo.
    Das Ballett der Küchlein in ihren Eierschalen wird viel schneller als die anderen Interpretationen gespielt. Das Stück wirkt im Vergleich zu anderen Interpretationen nicht so leicht aber sehr spritzig.
    Samuel Goldenberg beginnt mit kraftvoller spielenden Streicher und geht mit der gleichmäßig spielenden Trompete weiter.
    Abruptes Wechsel mit dem Marktplatz in Limoge: hier ist das Tempo unheimlich schnell (> 120). Dann wieder ein Wechsel in der Catacombae. Das Tempo ist höher als bei die vorherigen Interpretationen und der Klang der Bläser ist nicht so voll. Schöne Abwechselung der Attacken: manchmal weich oder hart. Auch hier wird auf Pianissimi verzichtet. Das Con Mortuis wird leicht betont gespielt.
    Dann kommt ein sehr wuchtiger dynamischer (Pegel) aber eher leicht langsamer Anfang des Die Hütte der Baba Yaga.
    Das Werk endet im ähnlichen Stil wie am Anfang: Wuchtig betont präzis.

    Bei dieser Interpretation im Vergleich zu anderen haben die Streicher einiges mehr Körperschaft, Volumen während die Bläser (Hörner vor allem) dünner sind. Es wird auch an der Akustik und Aufnahme-Technik liegen. Vielleicht die Version auf der CD hat eine andere Klangbalance.
    Der Chicago Symphony Orchester wirkt mit Reiner viel kraftvoller als bei anderen Orchestern.
    Der Pegel war bei mir zwischen 36 - 90 db.

    Ich bin froh, dass ich alle diese drei Interpretationen habe.
    Meine Eindrücke über weitere Interpretationen werden mit der Zeit folgen...

    #2
    ganz tolle Schilderung, vielen Dank!

    Kommentar


      #3
      Titian, vielen Dank. Ich habe diese 3 Versionen (auf CD) auch (und noch einige andere), und kann deine Schilderungen gut nachvollziehen. Anna meinte übrigens, die Karajan-Version zeige sein ganzes Talent, mit einem Orchester umzugehen ... es ist ihre Lieblingsversion, wegen der Art, wie Karajan die Musik gestaltet.

      Liebe Grüsse

      David

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        #4
        Philarmonia Orchestra, Dirigent: Lorin Maazel (LP analog 1963, EMI, SXLP 30233)
        Diese ist eine Interpretation des jungen Lorin Maazel , als er 33 jährig war.
        Dieses Werk wird sehr fließend gespielt zum großen Teil leicht schneller als die vorherigen Interpretationen. Maazel verzichtet auf große schwere sehr auffällige Betonungen und auch auf den kräftigen Crescendi. Die Sprünge im Pegel sind aber vollständig da.
        Schon in der ersten Promenade und Gnom merkt man diese Charakteristiken.
        Das Fagott und dann der Sax spielen "mit espressione", fein und immer fließend. Die Crescendi sind fein aber schnell (kurze Dauer).
        Die nachfolgende Promenade ist lauter und deutlich akzentuierter. Die Tuilerien wird leicht betont und sehr fließend gespielt. Bei den Crescendi werden die Akzente stärker.
        Bei dem Bydlo ist wieder eine Steigerung der Betonung zu hören. Zusätzlich finde ich schön wie ab und zu werden leichte "Verzögerungen" (Ritardando) verwendet werden.
        Das Ballett der Küchlein in ihren Eierschalen wird mit großem Tempo genommen (190). Es wird leicht spritzig leicht akzentuiert und mit viele Details gespielt.
        Noch schneller ist der Marktplatz in Limoge.
        In der Catacombae wird das Tempo zurückgenommen ohne den Fluss zu verlieren.


        In Die Hütte der Baba Yaga wird das Tempo erhöht. Da spielt das Orchester deutlich mehr druckvoll und betont und vorbereitet das Finale mit dem Das große Tor von Kiev. Das Stück endet mit ein langsameres Tempo als der großen Teil der anderen Stücke. Das gibt den Eindruck von mehr Druck, mehr Explosivität, mehr Kraft.
        Auch diese Aufnahme ist sehr gut gemacht. Obwohl diese Platte über 40 Jahre auf dem Buckel hat, höre ich es immer wieder gern. Die Dynamik ist nicht weniger im vergleich zu den anderen Aufnahmen. Die Mikrofone scheinen mir ein bisschen weiter weg von den Instrumenten.



        The Philadelphia Orchestra, Dirigent: Eugene Ormandy (LP analog, CBS, M 30448)
        Das ist eine Interpretation die mehr in Richtung Virtuosität geht: sehr schnelle Tempi mit zum Teil kleine Abweichungen. Trotzdem werden alle klanglichen Farben von diesem Werk gezeigt.
        Ich finde, es gibt auch sehr viele Abwechselung der Charaktere. Ab und zu kräftig, explosiv, dynamisch anders mal fein, spritzig, ausdrucksvoll.
        Es gibt viel "Licht und Schatten"; man wird nicht langweilig. Immer wieder sorgen Crescendi, Diminuendi und Tempi-Wechsel für interessante und überraschende Effekte. Diese ist eine spektakuläre emotionale Interpretation, die hohe technische Können verlangt, aber nicht für jeden geeignet.

        Eigentlich von der Bühne-Größe her und wie man die verschiedenen Instrumente (Gruppe) zu hören sind, ist diese Aufnahme sehr gut. Auch die Dynamik ist gut (35-92). Leider bei mir ist der Klang grell. Die Hoch-Frequenzen sind überwiegend. Ich muss schauen, ob es bessere Versionen von dieser Aufnahme gibt, weil es fast weh tut, bei dieser Lautstärke zu hören.

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          #5
          Hallo,

          Original von analogon
          ganz tolle Schilderung, vielen Dank!
          Dem Kompliment kann ich mich nur anschliessen. :F
          Ciao Hans

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            #6
            The Los Angeles Philarmonic Orchestra, Dirigent: Zubin Mehta (LP analog 1967, Decca, 6.41666)
            Die Merkmale dieser Interpretation von Mehta sind nach meiner Empfindung das hohe Tempo, die relativ weiche Einsätze der Instrumente, wenige kraftvolle, stark betonte, schwerfällige oder pompöse Passagen. Mehta überrascht immer wieder für die außergewöhnliche Akzente vor allem in den ruhigen Stücken.

            Die erste Promenade ist wenig betont und mit ziemlich schnellem Tempo gespielt (102). Die Einsätze sind kurz als ob, er mit Entschlossenheit relativ eile hat, zum ersten Bild zu kommen. Die Betonung ist nicht regelmäßig sondern ändert sich ziemlich viel. Allgemein sie ist aber weniger Ausgeprägt als die anderen Interpretationen.
            Der Gnom ist kontrastreich: ab und zu aggressiv (Kontrabässe und Cellos) ab und zu leicht, fein oder ganz normal. Die Betonung wird immer stärker. Auch in diesem Stück sind die Einsätze kurz.
            Die nachfolgende Promenade ist eher ruhig mit relativ feinen Einsätzen der Solo Instrumenten oder Streicher. Das führt im Das alte Schloss , welches relativ langsam gespielt wird. Das Fagott und Sax spielen sehr weich, zuerst piano danach forte. Interessant ist das Verhältnis schwungvoll und betont bzw. akzentuiert. Sehr schöne Mikrodynamik mit leichte feine Crescendi und Diminuendi oder mit Abwechslung zwischen ausdrucksvoll, fast melancholisch und betont bzw. Entschlossen.

            Die nachfolgende Promenade ist wieder anders: schneller, betont und mit kurze Einsätze.
            Nach eine leichte Tuilerien kommt der schwerfälligere betonte entschlossene Bydlo.
            Nach dem leichten feinen Ballett der Küchlein in ihren Eierschalen kommt Samuel Goldenberg , der kräftig anfängt. Die Trompete solo ist eher relativ fein im Kontrast von den kräftigen Kontrabässe und Cellos.
            Der Marktplatz in Limoge ist eher stressig und mit viel Hektik.
            Sehr schön die vielen Akzente in diesem lebendigen Markplatz.
            In der Catacombae wird das Tempo zurückgenommen. In diesem langsamen am Ende ruhigen Stück zeigt Mehta sein Können mit der (mikro)Dynamik: zuerst große Pegel-Unterschiede dann sehr feine fast unspurbare Pegelunterschiede. Auch hier wird Abwechslung geboten: entschlossen, feine, ausdrucksvolle und leicht melancholische Stimmungen werden geboten.
            Die Die Hütte der Baba Yaga ist explosiv, akzentuiert fast, abgehackt. Das Das große Tor von Kiev wird schnell gespielt (120). Die Einsätze sind weicher und kürzer als bei anderen Interpretationen. Das Finale ist aber nicht weniger beeindruckend als die Anderen.

            Diese Aufnahme hat mich nicht so viel begeistert als die Anderen. Ich kann es nicht beurteilen, ob das Problem eventuell bei der Pressung oder Vinyl-Qualität oder Abnützung liegt. Ich finde, die Instrumente "kleben" leicht aufeinander und im Allgemein fehlt mir die nötige Transparenz.
            Dazu habe ich das Gefühl, dass die Schlagzeuge zu näh aufgenommen wurden oder wurden mehr hervorgehoben als die anderen (vor allem Solo) Instrumenten.

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