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Hommage à Debussy – zu seinem 150. Geburtstag

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    #46
    Holgers unverbindliche Sicht der Dinge, wie man sie kennt, und wie sie sich in den nächsten Jahrzehnten vermutlich auch nicht ändern wird ... braucht man nicht teilen! ABMs ausgefeilte Lesart mag man für herausragend halten, sie ist aber auch durchgängig freudlos und irgendwie traurig. Auf mich wirkt sie manchmal gestelzt und fast schon lähmend, was nicht jedermanns Geschmack sein muß.

    Aimards Einspielung ist dagegen vital, und vergleichsweise für keinen Deut schlechter zu halten als die von ABM, weder spieltechnisch noch interpretatorisch, da sollte man sich nichts einreden lassen. Allerdings muß man - wie stets - unvoreingenommen hinhören und sich von eingeprägten Klangerwartungen lösen können. Dann wird man auch (wieder einmal) bemerken, dass es "die" Interpretation schlechthin nicht gibt, und dass neue Interpretationen immer wieder neue Einsichten bescheren können - besonders, wenn sich ein so herausragender Pianist wie Aimard der Préludes annimmt. Hier eine vorübergehende Gelegenheit (noch bis zum Wochenende), sich selbst zwei Stücke anzuhören:

    Besprechung von Mirko Weber, SWR2 Sendung "Neues vom Klassikmarkt", 13.10.12 (etwa ab Minute 45. 2 Stücke: Bryères, Hommage à S. Pickwick)


    (Nur am Rand: auch das in dieser Sendung vorgestellte Schubertquartett mit dem Cuarteto Casals ist ebenfalls exzellent)

    Was auch immer man von Kritikerbewertungen hält, egal ob einem ihre Einschätzung gefällt, Holgers mit noch so großem Absolutheitsanspruch vorgebrachte Meinung ist doch nicht mehr, als nur eine unter vielen. Und dass nicht nur ich oder Herr Weber zu glatt entgegengesetzter Auffasssung kommen, liest man auch z.B. hier:

    Mario Gerteis, Rezension für Klassik-Heute.com 22.08.12 (Höchstbewertung)
    Klassik Heute - D A S Klassik Portal im Internet: Aktuelle Meldungen, Komponisten, Interpreten, Biographien, CD-Besprechungen
    Zuletzt geändert von Gast; 17.10.2012, 22:46.

    Kommentar


      #47
      Hallo Holger,

      danke für die ausführliche Besprechung der Aufnahmen.

      Aimard ist wahrscheinlich einer der intellektuellsten und technisch versiertesten lebenden Pianisten. Man sehe sich nur mal den Dokumentar-Film "Pianomania" an, in dem er eine wesentliche Rolle spielt. Wenn er einen bestimmten Ausdruck erreichen möchte, dann trifft er ihn auch und hat er sich dabei etwas gedacht, man mag diese Überlegungen nun gut finden, oder nicht. Seine Aufnahme der "Kunst der Fuge" von Bach - die je mit im thematischen Zentrum des Films steht, war und ist nicht ganz unumstritten. Ich finde sie immer noch herausragend.

      Ich muss gestehen, dass mir die Aufnahme der Préludes nach wie vor bestens gefällt und ich sie eigentlich mittlerweile sogar fast lieber höre, als die von ABM. Das mag auch daran liegen, dass ich den Eindruck habe, dass sie eine deutlich bessere Aufnahmequalität hat. Das Klavier scheint mir wesentlich präsenter, direkter aufgenommen zu sein.

      Möglicherweise kommt die Aufnahme meinem Geschmack auch einfach mehr entgegen. Was du als Manko registrierst, nämlich eine etwas zurückhaltendere und weniger dynamische Spielweise gefällt mir persönlich sehr gut. Vieles von dem, was du meinst heraus zu hören, kann ich allerdings auch nicht nachvollziehen.

      VG Bernd

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        #48
        Zitat von kammerklang Beitrag anzeigen
        Holgers unverbindliche Sicht der Dinge, wie man sie kennt, und wie sie sich in den nächsten Jahrzehnten vermutlich auch nicht ändern wird ... braucht man nicht teilen! ABMs ausgefeilte Lesart mag man für herausragend halten, sie ist aber auch durchgängig freudlos und irgendwie traurig. Auf mich wirkt sie manchmal gestelzt und fast schon lähmend, was nicht jedermanns Geschmack sein muß.

        Aimards Einspielung ist dagegen vital, und vergleichsweise für keinen Deut schlechter zu halten als die von ABM, weder spieltechnisch noch interpretatorisch, da sollte man sich nichts einreden lassen.
        Jedem steht es frei, sich ein eigenes Urteil zu bilden. Und die Voraussetzungen solcher Urteile sind unterschiedlich. Auch ich habe mich nicht mit jeder Art Klaviermusik so intensiv beschäftigt wie mit Debussys Preludes. So ist das nun mal. Beim Hören spielen schließlich auch Rezeptionshaltungen eine entscheidende Rolle - und daraus resultieren eine ganze Menge von Mißverständnissen. Auch Pianisten wie ABM und andere haben eine bestimmte Rezeptionshaltung, und manche Hörer kommen damit nicht klar. Daß ABMs Spiel "durchgängig freudlos" sei, das kann ich absolut nicht nachvollziehen. Es gibt übrigens die Preludes Heft 1 als Video-Mitschnitt. Da sieht man die "Freude", die er beim Spielen hat, seinen Humor, er grinst vergnüglich bei bestimmten Passagen. In seinem letzten Konzert mit einem reinen Debussy-Programm singt er sogar mit! Das mit der angeblichen Steifheit von ABM am Klavier ist also schlicht ein Märchen. Ich habe auch keinen exklusiven Vergleich ABM-Aimard gemacht. Ich habe gesagt, daß Aimards Aufnahme "höchst respektabel" ist, aber für mich nicht in die allererste Reihe gehört. Dazu gehören für mich Gieseking, ABM, Monique Haas und bei Heft 1 auch Pollini. Ich habe zudem Michel Beroff erwähnt, den ich in vielerlei Hinsicht Aimard auch vorziehen würde. Wer den interpretatorischen und pianistischen Ausnahmerang von Gieseking und ABM nicht erkennen kann, dem ist schlicht nicht zu helfen. Unter Pianisten, Kritikern, kompetenten Musikliebhabern gibt es wohl eine überwältigend große Mehrheit, mit der man darüber nicht diskutieren kann.

        Beste Grüße
        Holger

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          #49
          Zitat von B. Albert Beitrag anzeigen
          Ich muss gestehen, dass mir die Aufnahme der Préludes nach wie vor bestens gefällt und ich sie eigentlich mittlerweile sogar fast lieber höre, als die von ABM. Das mag auch daran liegen, dass ich den Eindruck habe, dass sie eine deutlich bessere Aufnahmequalität hat. Das Klavier scheint mir wesentlich präsenter, direkter aufgenommen zu sein.

          Möglicherweise kommt die Aufnahme meinem Geschmack auch einfach mehr entgegen. Was du als Manko registrierst, nämlich eine etwas zurückhaltendere und weniger dynamische Spielweise gefällt mir persönlich sehr gut. Vieles von dem, was du meinst heraus zu hören, kann ich allerdings auch nicht nachvollziehen.
          Und wieder fühle ich mich bestätigt, dass eine wesentliche Komponente, die eine Beuteilung einer Interpretation beeinflusst, ist leider die Qualität der Anlage und Aufnahme. Natürlich kann man gewisse Aspekte der Interpretation aus einer schlechten Wiedergabe erkennen aber zu viele andere Aspekte werden wesentlich verändert. Weiter, denke ich, die Tatsache, dass man nicht mit "Live-Pegel" hört und beurteilt, ist eine erste grosse Einschränkung und verfälscht eine "Beurteilung" einer Interpretations. :C

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            #50
            Zitat von B. Albert Beitrag anzeigen
            danke für die ausführliche Besprechung der Aufnahmen.

            Aimard ist wahrscheinlich einer der intellektuellsten und technisch versiertesten lebenden Pianisten. Man sehe sich nur mal den Dokumentar-Film "Pianomania" an, in dem er eine wesentliche Rolle spielt. Wenn er einen bestimmten Ausdruck erreichen möchte, dann trifft er ihn auch und hat er sich dabei etwas gedacht, man mag diese Überlegungen nun gut finden, oder nicht. Seine Aufnahme der "Kunst der Fuge" von Bach - die je mit im thematischen Zentrum des Films steht, war und ist nicht ganz unumstritten. Ich finde sie immer noch herausragend.

            Ich muss gestehen, dass mir die Aufnahme der Préludes nach wie vor bestens gefällt und ich sie eigentlich mittlerweile sogar fast lieber höre, als die von ABM. Das mag auch daran liegen, dass ich den Eindruck habe, dass sie eine deutlich bessere Aufnahmequalität hat. Das Klavier scheint mir wesentlich präsenter, direkter aufgenommen zu sein.

            Möglicherweise kommt die Aufnahme meinem Geschmack auch einfach mehr entgegen. Was du als Manko registrierst, nämlich eine etwas zurückhaltendere und weniger dynamische Spielweise gefällt mir persönlich sehr gut. Vieles von dem, was du meinst heraus zu hören, kann ich allerdings auch nicht nachvollziehen.
            Hallo Bernd,

            ich habe natürlich gar nichts gegen Aimard, das ist ein vorzüglicher Pianist. Bei ihm darf man auch nicht vergessen, daß er als Spezialist für Neue Musik angefangen hat. Rhetorik war unter den Protagonisten der Neuen Musik verpönt. Das kann ein Grund sein für die etwas unscharfe, wenig rhetorische Phrasierung und Charakterisierung.

            Die Bemerkung mit der Aufnahmetechnik ist nicht unzutreffend. Besonders bei den Preludes Heft II. Wenn man den Klang von Zimerman oder Aimard mit ABMs Flügel vergleicht, dann ist der rachitisch hell im Vergleich mit dem dunklen und satten Klang von ABM. Dafür gibt es einen Grund - die Intonation des Flügels. Zimermans Aufnahme ist in derselben Oetker-Halle gemacht und auch auf einem Steinway. Warum also klingt der Flügel im einen Fall wie ein perlendes Glas Sekt und im anderen wie ein Glas schwerer Bordeau-Rotwein? Die Oetker-Halle ist ein großer Saal und von der Akustik her eher trocken, wenig atmosphärisch oben herum - ich kenne das, ich wohne ja quasi um die Ecke. Zimermans Flügel ist auf Brillianz und Durchsetzungsfähigkeit intoniert, worunter natürlich die Klangfarben zwangsläufig leiden. ABM wollte unbedingt die Farben haben - da muß man dann in diesem Saal einfach auf eine gewisse Brillianz verzichten. Wer diese Zusammenhänge nicht kennt, der glaubt dann, das liegt am Pianisten. Ich bin auch mit den beiden CD-Überspielungen nicht wirklich zufrieden - bei ABMs Aufnahme braucht man den mächtigen Baß. Wenn die Anlage den nicht realistisch rüberbringt, klingt es etwas komisch. Insgesamt ist die Klangästhetik aber der Interpretation angemessen - sie gibt dem zweiten Band den Ernst und die Würde eines großen Spätwerks und Schlüsselwerks der Musik des 20. Jahrhunderts. Dem wird letztlich nur ABMs Aufnahme gerecht - das ist für mich wichtiger als alles Geschmäcklerische.

            Beste Grüße
            Holger

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              #51
              Zitat von Titian Beitrag anzeigen
              Und wieder fühle ich mich bestätigt, dass eine wesentliche Komponente, die eine Beuteilung einer Interpretation beeinflusst, ist leider die Qualität der Anlage und Aufnahme. Natürlich kann man gewisse Aspekte der Interpretation aus einer schlechten Wiedergabe erkennen aber zu viele andere Aspekte werden wesentlich verändert. Weiter, denke ich, die Tatsache, dass man nicht mit "Live-Pegel" hört und beurteilt, ist eine erste grosse Einschränkung und verfälscht eine "Beurteilung" einer Interpretations. :C
              Das kann durchaus so sein, erschwert natürlich dann die Vergleichbarkeit der individuellen Klangeindrücke.

              @Holger

              Wir haben nun mal unterschiedliche Herangehensweisen an das Hören von Musik. Ich bin längst nicht so analytisch (könnte ich ja auch gar nicht), sondern eher darauf gepolt, was meinem Geschmack entgegenkommt. Und das sind nach meiner Erfahrung nun einmal nicht immer die Aufnahmen, die gemeinhin als Referenz gelten.

              VG Bernd

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                #52
                Zitat von B. Albert Beitrag anzeigen
                Wir haben nun mal unterschiedliche Herangehensweisen an das Hören von Musik. Ich bin längst nicht so analytisch (könnte ich ja auch gar nicht), sondern eher darauf gepolt, was meinem Geschmack entgegenkommt. Und das sind nach meiner Erfahrung nun einmal nicht immer die Aufnahmen, die gemeinhin als Referenz gelten.
                Hallo Bernd,

                die Herangehensweise ändert sich natürlich zwangsläufig, wenn man die Stücke selber spielt, wie es bei mir der Fall war. Dann ist man gezwungen genau den Notentext zu studieren und sich zu überlegen, wie man ihn umsetzt. So etwas verändert schließlich auch das Hören. Alfred Brendel kann über wenige Takte Schubert ganze Romane erzählen, da können wir selbst als geübte und erfahrene "Nur-Hörer" nur staunen.

                Ich habe selten so ein nichtssagendes Kritiker-Gewäsch gelesen wie hier, aber das ist das Niveau unserer Zeit. Was er da schreibt ist so unbestimmt-allgemein, daß es mindestens zwanzig andere Aufnahmen gibt, auf die das Gesagte genauso gut passen würde. Und einige Kernaussagen sind schlicht falsch wie die, daß Aimard generell zügige Tempi wählen würde:

                Klassik Heute - D A S Klassik Portal im Internet: Aktuelle Meldungen, Komponisten, Interpreten, Biographien, CD-Besprechungen


                Sehr beeindruckt hat mich dagegen dieses Interview des von mir sehr geschätzten Jorge Bolet - auch wenn seine Aufnahme speziell der Debussy-Preludes wirklich nicht berauschend ist. Er spielt zunächst auf einem Bechstein eine Godowsky-Paraphrase der Chopin-Etüden (er selbst war Godowsky-Schüler!), dann äußert er sich sehr klug über das Verhältnis von Interpret und Komponist:

                A 1983 interview of pianist Jorge Bolet by Robin Ray.Despite what the graphic says, the piece Bolet is playing at the beginning is the 12th of the "Studies o...


                Beste Grüße
                Holger

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                  #53
                  Hallo Holger,

                  kennst du diese Aufnahme schon ?


                  http://www.amazon.de/Preludes-Alexei...0577143&sr=8-1

                  Der Pianist ist mir vollkommen unbekannt, aber das Label ECM ist an sich ein Garant für allerfeinste Aufnahmen.

                  VG Bernd

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                    #54
                    Zitat von B. Albert Beitrag anzeigen
                    Hallo Holger,

                    kennst du diese Aufnahme schon ?




                    Der Pianist ist mir vollkommen unbekannt, aber das Label ECM ist an sich ein Garant für allerfeinste Aufnahmen.
                    Hallo Bernd,

                    Lubimov ist eine interessante Persönlichkeit, von dem ich bisher aber gar nichts habe! :U Er ist (Jahrgang 1944) Schüler von Heinrich Neuhaus und war der wohl erste, der in der Sowjetunion Schönberg, Stockhausen, Boulez und Ligeti aufführte - auch noch Cembalist und spielt Barockmusik und Alte Musik. Die Platte habe ich schon gesehen, vielleicht soll ich sie tatsächlich mitnehmen... Ich habe übrigens gerade nochmals in die Denon-Aufnahme der Preludes Heft II mit Michel Beroff hereingehört - aufgenommen 1984/86. Gefällt mir gar nicht! Das ist einfach zu burschikos und ein bisschen bäuerlich-derb, ähnlich virtuos-extrovertiert wie Zimerman, aber Zimerman mit seiner slavischen Seele ist einfach feiner. Da ist Aimard alles in allem erheblich besser, keine Frage! Von Beroff gefällt mir nur die alte EMI-Aufnahme des 1. Heft der Preludes - trotz mancher Schwächen. Edward Kilenyi, von dem ich gerade die Pathe-Recordungs bekommen habe, hat auch die Debussy-Preludes aufgenommen. Ist aber leider gar nicht zu kriegen, schade! Dagegen gibt es die Debussy-Aufnahmen mit Samson Francois, die werde ich mir wohl besorgen! Dann habe ich auch noch Peter Crossley, Preludes Heft II auf einem Bösendorfer-Flügel eingespielt. Schon länger nicht mehr gehört - habe ich als sehr ordentlich in Erinnerung.

                    Beste Grüße
                    Holger

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                      #55
                      Bernd, ich habe mir die Hörschnipsel von Lubimow bei jpc angehört. Naja - Debussy mit nicht ganz gelungenem russischem Expressivo. Ich weiß nicht, ob man das unbedingt haben muß. Da gefiel mir seine alte Melodya-Aufnahme von 1971, die es auch zu kaufen gibt, auf Anhieb besser. Aber das kann man aufgrund solcher sekundhaften Einblicke natürlich nicht zuverlässig beurteilen.

                      Beste Grüße
                      Holger

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                        #56
                        Zitat von B. Albert Beitrag anzeigen
                        Das kann durchaus so sein, erschwert natürlich dann die Vergleichbarkeit der individuellen Klangeindrücke.
                        Richtig, deshalb relativiere ich sehr diese Vergleichbarkeit.

                        Kommentar


                          #57
                          Holger schrieb:
                          Ich habe selten so ein nichtssagendes Kritiker-Gewäsch gelesen wie hier, aber das ist das Niveau unserer Zeit.
                          Mit Verlaub, aber was ist dann hier besser: "fehlende Plastizität" "keine Verbindlichkeit des Ausdrucks", "auffallende Kontrastarmut", "unsauberes Pedalspiel, dem die glasklare(!) Mischung(?) ABMs" fehlt, "Leiden an messerscharfer Charakteristik", "blaß im Ausdruck", "fehlender Zusammenhang", "Fehlen aufregender Valeurs", "rhythmische Figuren, von denen kein Bewegungsimpuls ausgeht", "keine Offenbarungen in klangästhetischer Hinsicht, die im Unerhörten anzusiedeln wären", usw. usw? Das sind alles hohle Phrasen, noch dazu manchmal in sich widersprüchlich. Nur, dass kein anderer als Du selbst sie gedrechselt hat. :B Und ein paar nette Fremdworte wie "Valeur" heben ihr Niveau auch nicht über die Zeit hinaus an.

                          Was er da schreibt ist so unbestimmt-allgemein, daß es mindestens zwanzig andere Aufnahmen gibt, auf die das Gesagte genauso gut passen würde.
                          Das gilt für Deine Technik mit Versatzstücken oder Phrasen wie oben zu operieren nicht weniger, und wird auch nicht dadurch besser, dass Du sie auf jedes einzelne Preludes Aimards anwendest und dabei so tust, als wüsstest Du, wie man das jeweils einzig und allein richtig zu spielen habe. So etwas kann man sich m. E. komplett sparen, denn keiner weiß, wie etwas "richtig" zu spielen ist, auch Du nicht - weil es gar kein richtig oder falsch gibt. "Rezeptionshaltungen" mit der Einstellung "so und nicht anders gehört sich das" verstellen nur den Blick auf neue Interpretationen. Für meine Begriffe gibt es nur mehr oder weniger differenzierte Spielweisen, und ab einem gewissen Level des Interpreten macht dessen Individualität den Reiz dessen aus, was er auf seine spezifische Weise neu zu Gehör bringt. Der Interpret spielt, und man hat es unvoreingenommen auf sich wirken lassen. Dazu scheinen mir speziell akademische Vielwisser, die sich auf ihre "geschulte Rezpetionshaltung" viel einbilden, aber oft nicht mehr in der Lage. Ich glaube die akustische Erlebnisfähigkeit trocknet ein, wenn man über Musik zuviel herumtheoretisiert und dabei auch noch gedanklich nur an zwei oder drei Referenzeinspielungen festklebt.

                          Für mich baut sich der Zugang zu Musik jedenfalls in allererster Linie auf der Gefühlsebene auf, nicht einer intellektuellen, und da braucht es keine Erklärungen oder gar ganze Romane über zwei Takte - das ist eh selten mehr als Kaffesatzleserei. Ich halte einen intellektuellen Zugang aber nicht nur auf Seiten des Hörers für kontraproduktiv. Denn mit solchen theoretisch überfrachteten Konstrukten im Kopf, die beim Spielen möglichst komplex und kontrolliert umzusetzen seien, so behaupte ich, kann ein Interpret gar nicht musikalisch frei, spontan, lebendig und überzeugend im "Jetzt und Hier" spielen. Die Theoretisierung ist meist ein überflüssiges Produkt von Leuten mit zwar großem Interesse an, aber dabei viel zu verkopften Zugang zur Musik. Für die muß Musik erst gründlich "erarbeitet" "analysiert" und "theoretisch erschlossen" werden, bevor sie sie anscheinend "richtig" und möglichst nur auf eine bestimmte Weise erleben können. (Und wenn mich meine Beobachtung nicht trügt, sind das, bei allem Enthusiasmus, oft nicht gerade die musikalischsten Musikliebhaber oder Interpreten...:W)

                          Wenn man einfach Aimards Aufnahme anhört, sich darauf einlässt und sie nacherlebt, dann kann man unmittelbar spüren, wie hier wunderbar differenziert eine neue individuelle Sicht der Preludes ausgebreitet wird. Mir geht es wie Bernd: je länger, je lieber. Erfrischend anders, neu, lebendig vorgetragen, was will man mehr? Und dass das nicht nur Bernd, mir und neben den genannten Kritikern noch einige anderen Leuten so geht, die auch nicht ganz doof sind (FonoForum, rondo-magazin) macht Dein Gerede von wertlosem Kritikergewäsch nicht glaubhafter. Dagegen wirken Deine seltsamen "Analysen" auf mich wie angepappte Etiketten, vorgedruckt aus Sicht eines in seiner Rezeptionshaltung gefangenen Theoretikers, der zwar noch in der letzten künstlerischen Spontaneität auf Bedeutungssuche gehen will, dabei aber in Wahrheit nur Selbstbespiegelung an der eigenen, von ein paar Lieblingsinterpreten historisch geprägten, Erwartungshaltung betreibt. :V

                          Ärgerlich, weil faktisch falsch, ist Deine Behauptung, Aimard ebnete die Konstraste ein - weder dynamisch noch rhythmisch, noch von den Anschlagsnuancen her trifft das zu, für meine Begriffe ein komplett aus der Luft gegriffener Vorwurf. Genauso fragwürdig sind Deine Feststellungen, Debussy verlange Ecken und Kanten, messerscharfe Charakteristik, Brüche, Nervosität usw. oder Aimard tappe in die "Falle" der Naivität - klar doch, im Impressionismus wimmelt es nur so von scharfen Ecken und Kanten, und Debussy ist ein raffinierter Fallensteller, nicht wahr, und nur Du, und ein paar oberschlaue Theoretiker haben diese Rafinessen erkannt. Nur, warum verlangt Debussy in den Vortragsbezeichnungen immer wieder weiche, duftige Klänge und Übergänge, redet von wohlklingend, geschmeidig, süßen klanglichen Nebeln usw - wegen der schroffen Kanten und Brüche etwa? Warum spricht er von schlichtem Ausdruck, wenn er in Wahrheit eine interpretatorische Falle aufstellt, um das angeblich Hochkomplizierte im Einfachen auszudrücken, oder so ähnlich? Weil er so ganz besonders verschlagen ist? Das ist doch intellektuell verstiegenes Zeug, kompletter - Kokolores. Das ist totale Übertheoretisierung, die geradezu gewaltsam mehr in die Dinge hineinphilosophiert, als musikalisch drinsteckt, und manchmal auch noch das Gegenteil davon. Debussy mag raffiniert sein, was vielschichtige Anspielungen, kompositorische Mittel und besonders seine kompositionstechnisch fabelhaften Übergänge angeht, aber voller Brüche oder gar messerscharf und hinterhältig ist seine Musik gewiss nicht.

                          Aimards Einspielung schafft bei mir, was nur wenigen wirklich guten Interpreten gelingt: ich vergesse die Zeit beim Zuhören, und lebe solange in der musikalischen Welt. Das geht nur, weil sie vielschichtig ist, und so differenziert gespielt, dass sich unwillkürlich neue so bisher nicht gehörte, reizvolle Bezüge herstellen. Sicher spielt dabei auch der Reiz des Neuen eine Rolle, aber das ist ja der Sinn guter neuer Einspielungen. Wer die musikalischen Qualtitäten dieser neuen Aufnahme nicht hörend unmittelbar nachempfinden kann, der hat vielleicht über dem Nachlesen zu dieser Musik vor lauter Nachdenken das Zuhören verlernt...

                          :H:

                          PS.: Nicht Holger, dass Du auf den Gedanken kämst, ist fände was Du schreibst generell nie lesenswert. Vieles ist ja sehr informativ. Ich mokiere mich aber lieber über manche Deiner Ansichten, die ich nicht teile, als Dich zu loben, und stelle meine provokant dagegen, einfach aus Spass an der Freud.
                          Zuletzt geändert von Gast; 19.10.2012, 01:35.

                          Kommentar


                            #58
                            Von Lubimov gibt es eine wunderschöne Zusammenstellung von "Elegien" für Klavier, die unter dem Titel "Der Bote" bei ECM erschienen ist. Klangtechnisch und interpretatorisch erste Sahne:



                            Gruß



                            PS.: Bernd, bzw. Holger, in Aimards Debussy-Préludes höre ich bei manchen Stücken leise, aber etwas störend die Dämpfungsfilze beim Pedaltreten an den Diskantsaiten entlangschaben - das macht dann jedesmal ein kleines Tsinggg. Bei leisen Passagen, z.B. anfangs der Kathedrale irritiert das irgendwie, ich dachte zuerst meine rechte Box hätte eine Schraube locker, die da leise resoniert... ;) Aber über Kopfhörer ist es auch zu hören, sogar noch deutlicher. Meine Frage: ist Euch das über Eure LS auch aufgefallen? Die Mangers werden ja immer so für ihre Feinauflösung gelobt...
                            Zuletzt geändert von Gast; 19.10.2012, 01:21.

                            Kommentar


                              #59
                              Tach,

                              Zitat von kammerklang Beitrag anzeigen
                              Von Lubimov gibt es eine wunderschöne Zusammenstellung von "Elegien" für Klavier, die unter dem Titel "Der Bote" bei ECM erschienen ist. Klangtechnisch und interpretatorisch erste Sahne:

                              Danke für den Tipp !

                              Zitat von kammerklang Beitrag anzeigen
                              PS.: Bernd, bzw. Holger, in Aimards Debussy-Préludes höre ich bei manchen Stücken leise, aber etwas störend die Dämpfungsfilze beim Pedaltreten an den Diskantsaiten entlangschaben - das macht dann jedesmal ein kleines Tsinggg. Bei leisen Passagen, z.B. anfangs der Kathedrale irritiert das irgendwie, ich dachte zuerst meine rechte Box hätte eine Schraube locker, die da leise resoniert... ;) Aber über Kopfhörer ist es auch zu hören, sogar noch deutlicher. Meine Frage: ist Euch das über Eure LS auch aufgefallen? Die Mangers werden ja immer so für ihre Feinauflösung gelobt...
                              Also so rein nach der Erinnerung ist bei mir nur hängengeblieben, dass man Aimard etwas schnaufen hört beim Spielen. Hat mich aber jetzt nicht weiter doll gestört (kein Vergleich zu Gould oder Jarrett).

                              Ich müßte mir die Aufnahme noch mal in Ruhe durchhören, wenn meine Familien nicht da ist; dann geht´s nämlich auch in "Originallautstärke". Es sollte mich aber eigentlich wundern, denn Aimard und Knüpfer sind schon ziemliche Perfektionisten; da sollte so etwas nicht vorkommen.

                              VG Bernd

                              Kommentar


                                #60
                                Zitat von kammerklang Beitrag anzeigen
                                Mit Verlaub, aber was ist dann hier besser: "fehlende Plastizität" "keine Verbindlichkeit des Ausdrucks", "auffallende Kontrastarmut", "unsauberes Pedalspiel, dem die glasklare(!) Mischung(?) ABMs" fehlt, "Leiden an messerscharfer Charakteristik", "blaß im Ausdruck", "fehlender Zusammenhang", "Fehlen aufregender Valeurs", "rhythmische Figuren, von denen kein Bewegungsimpuls ausgeht", "keine Offenbarungen in klangästhetischer Hinsicht, die im Unerhörten anzusiedeln wären", usw. usw? Das sind alles hohle Phrasen, noch dazu manchmal in sich widersprüchlich. Nur, dass kein anderer als Du selbst sie gedrechselt hat. Und ein paar nette Fremdworte wie "Valeur" heben ihr Niveau auch nicht über die Zeit hinaus an.
                                Wieso hohle Phrasen? Ich höre so eine Aufnahme und lese dazu den Notentext – mit großem Vergnügen übrigens. Das alles was ich schreibe kann ich 100% belegen. Kontrastarmut z.B. Es gibt jede Menge dynamische Vorschriften von Debussy, die Aimard souverän mißachtet. Es ist nur ein bisschen mühsam, das alles zu notieren und wohl auch für den Leser wenig interessant. Wir sind ja nicht vor Gericht, wo Beweise für jedes Detail verlangt werden. Wer die wirklich extrem kontrastreiche Aufnahme von Walter Gieseking kennt (in dieser Hinsicht wahrlich antipodisch zu Aimard!), dem wird das glaube ich sofort einleuchten, was ich schreibe. Man kann sich natürlich fragen und darüber diskutieren, warum Aimard das macht (Spieltraditionen, französische Pianistenschule, die ein flüssiges und brilliantes Spiel bevorzugt und andere mögliche Gründe), aber das Faktum ist erst einmal zu konstatieren. Außerdem gebe ich im Falle des Rhythmus z.B. Monique Haas als Vergleich an. Wer das auf Anhieb nicht nachvollziehen kann, der höre sich doch einfach mal ihre Aufnahme an. Vielleicht merkt er’s dann ja auch. "Valeurs" ist ein feststehender Begriff in der Diskussion um den Impressionismus, Symbolismus - das Problem der Dekandenz. Darüber sind sogar Romane geschrieben worden (Joris K. Huysmans).

                                Zitat von kammerklang Beitrag anzeigen
                                Das gilt für Deine Technik mit Versatzstücken oder Phrasen wie oben zu operieren nicht weniger, und wird auch nicht dadurch besser, dass Du sie auf jedes einzelne Preludes Aimards anwendest und dabei so tust, als wüsstest Du, wie man das jeweils einzig und allein richtig zu spielen habe. So etwas kann man sich m. E. komplett sparen, denn keiner weiß, wie etwas "richtig" zu spielen ist, auch Du nicht - weil es gar kein richtig oder falsch gibt. (...usw.)
                                Ich habe doch nirgendwo geschrieben, wie es richtig zu spielen ist, sondern notiert, was mir gefallen hat und was nicht. In 2 Fällen hat er von mir eine uneingeschränkt positive Wertung bekommen. Wo also soll ich angeblich voreingenommen gewesen sein (?) – da, wo er mich beeindruckt hat, habe ich das auch gesagt. Wie bei einer philosophischen Interpretation schaue ich erst einmal, ob das Konzept wie es ist schlüssig durchgeführt ist, nach seiner inneren Konsistenz gewissermaßen und der Grundlage des Konzepts, also hier wie er mit dem Notentext umgeht, Debussys Spielanweisungen beachtet oder nicht beachtet. Man darf es durchaus auch mal anders machen als es der Komponist wollte, dann muß es aber auch sehr gut begründet sein und überzeugen. Man soll sich auch nicht naiver stellen als man ist. Der Interpret kennt ja die berühmten Aufnahmen selber, vergleicht sich selber durchaus. Er macht also wenn er es anders macht es ganz bewusst anders. Dann sollte es aber überzeugend sein. Das ist für mich entscheidend: Überzeugt mich diese Lesart oder nicht oder nur zum Teil.

                                Zitat von kammerklang Beitrag anzeigen
                                Für mich baut sich der Zugang zu Musik jedenfalls in allererster Linie auf der Gefühlsebene auf, nicht einer intellektuellen, und da braucht es keine Erklärungen oder gar ganze Romane über zwei Takte - das ist eh selten mehr als Kaffesatzleserei. Ich halte einen intellektuellen Zugang aber nicht nur auf Seiten des Hörers für kontraproduktiv. Denn mit solchen theoretisch überfrachteten Konstrukten im Kopf, die beim Spielen möglichst komplex und kontrolliert umzusetzen seien, so behaupte ich, kann ein Interpret gar nicht musikalisch frei, spontan, lebendig und überzeugend im "Jetzt und Hier" spielen.
                                Da wird Dir eine ganze Armada von Interpreten, Instrumentalisten, Dirigenten, Sängern, massiv widersprechen. In ihren Meisterklassen machen sie nichts anderes. Wenn das alles überflüssig wäre, brauchten wir die Konservatorien nicht. Daß man über ein paar Takte Romane erzählen kann, heißt letztlich nur: Man ist in der Lage, diese Musik mit innerem Leben zu füllen. Sonst bleibt sie leer und oberflächlich – letztlich nichtssagend und rauscht vorüber als ein netter Klangreiz.

                                Zitat von kammerklang Beitrag anzeigen
                                Wenn man einfach Aimards Aufnahme anhört, sich darauf einlässt und sie nacherlebt, dann kann man unmittelbar spüren, wie hier wunderbar differenziert eine neue individuelle Sicht der Preludes ausgebreitet wird. Mir geht es wie Bernd: je länger, je lieber. Erfrischend anders, neu, lebendig vorgetragen, was will man mehr?
                                Das alles ist individuell verständlich – aber als Erlebnis von vielerlei Faktoren abhängig, was man kennt, schon gehört hat, wie man gehört hat. Es gibt eben Leute, die wollen durchaus mehr, nämlich tiefer in die Musik und die Geheimnisse der Interpretation eindringen.


                                Zitat von kammerklang Beitrag anzeigen
                                Ärgerlich, weil faktisch falsch, ist Deine Behauptung, Aimard ebnete die Konstraste ein - weder dynamisch noch rhythmisch, noch von den Anschlagsnuancen her trifft das zu, für meine Begriffe ein komplett aus der Luft gegriffener Vorwurf. Genauso fragwürdig sind Deine Feststellungen, Debussy verlange Ecken und Kanten, messerscharfe Charakteristik, Brüche, Nervosität usw. oder Aimard tappe in die "Falle" der Naivität - klar doch, im Impressionismus wimmelt es nur so von scharfen Ecken und Kanten, und Debussy ist ein raffinierter Fallensteller, nicht wahr, und nur Du, und ein paar oberschlaue Theoretiker haben diese Rafinessen erkannt.
                                Dazu habe ich mich oben schon geäußert. Der Notentext sagt schwarz auf weiß etwas ganz anderes. Du fabulierst hier wild in der Gegend herum, ohne Dir die Noten auch nur von Ferne angeschaut zu haben.

                                Zitat von kammerklang Beitrag anzeigen
                                Aimards Einspielung schafft bei mir, was nur wenigen wirklich guten Interpreten gelingt: ich vergesse die Zeit beim Zuhören, und lebe solange in der musikalischen Welt. Das geht nur, weil sie vielschichtig ist, und so differenziert gespielt, dass sich unwillkürlich neue so bisher nicht gehörte, reizvolle Bezüge herstellen. (...)

                                PS.: Nicht Holger, dass Du auf den Gedanken kämst, ist fände was Du schreibst generell nie lesenswert. Vieles ist ja sehr informativ. Ich mokiere mich aber lieber über manche Deiner Ansichten, die ich nicht teile, als Dich zu loben, und stelle meine provokant dagegen, einfach aus Spass an der Freud.
                                Damit habe ich auch keine Probleme – wenn es denn nicht so ernst gemeint ist! Ich finde Aimards Aufnahme auch wirklich sehr gut. Interpretatorisch sogar geschlossener als die von Zimerman. Nur es gibt ein paar andere Aufnahmen, die mich doch weit mehr beeindrucken. Warum das so ist, kann ich auch gut begründen.

                                P.S. Deine Beobachtung ist wohl richtig (muß ich nochmals nachhören): Wenn man die Mikros unter den Deckel des Flügels hängt und zu nah über den Saiten, dann hört man den Dämpfungsfilz. Das ist bei ABMs Chopin-Platte (DGG) auch deutlich zu hören.

                                Beste Grüße
                                Holger

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