Zitat von Amerigo
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Andrei Gawrilow, das ist in der Tat eine andere "Liga"! Und auch eine andere Generation! Bei Lang Lang muß man sagen, daß er ein Kind des Medienzeitalters ist. Seinen Ruhm hat er sich durch seine Fähigkeit der medialen Vermarktung erworben. Dafür eignet er sich als Typ bestens und spielt vor allem auch dieses Spiel mit. Da sind andere einfach nicht Willens und bereit dazu. Gawrilow hat mit 18 Jahren den hochberühmten Moskauer Tschaikowsky-Wettbewerb gewonnen, dazu wäre Lang Lang nie und nimmer in der Lage gewesen. Dann wurde er zum Ziehsohn der Pianistenlegende Svjatoslav Richter. Richter war sein großes Vorbild, er ist mit auf Konzerttournee gegangen und hat von ihm gelernt. Was ihn auszeichnet ist ungewöhnliche musikalische Intelligenz seiner Interpretation (davon hat Lang Lang überhaupt nichts!), dann diese architektonisch-plastische Zeichung, die man von Richter kennt. Dann seine russische Seele, die Prägung der russischen Schule, das "Expressivo"-Spiel, das berührt einen natürlich ganz anders als diese etwas oberflächliche Verspieltheit von Lang Lang.
Gawrilow hat unter seiner Karriere sehr gelitten. Zu seiner Mutter hat er eine Haßliebe, weil sie ihm seine Kindheit raubte, mit allem Ehrgeiz ihn seit seinem 4. (!) Lebensjahr drillte, damit er den Tschaikowsky-Preis gewinnt. In den 90igern hat er sich deshalb komplett aus dem Musikbetrieb zurückgezogen. (Man muß sich das mal vorstellen, die EMI hat ihn damals wie die Beatles behandelt und mit dem Rolls Royce vom Flughafen in London abgeholt!) Heute spielt er viel freier und gelöster, auch sinnlicher (sein Forte war früher doch sehr brutal-hart!). Ich habe ihn vor 2 Jahren hier in Bielefeld mit dem Tschaikowsky-Konzert gehört. Sehr beeindruckend! Er sagt selbst, er hat an seiner Klangkultur gearbeitet. Das war ein sinnliches Pianissimo wie bei Arcadi Volodos. Ein sehr epischer Vortrag. Leider ist die Plattenaufnahme die es gibt "versaut" durch die hundsmiserable Orchesterbegleitung durch Ricardo Muti. Dafür kann er natürlich nichts. Von seinen Aufnahmen sind bedauerlicher Weise viele vergriffen. Das ist die Mediengesellschaft. Wer einmal ein "Star" war und sich aus dem Zirkus verabschiedet, wird anschließend ignoriert.
Beste Grüße
Holger
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