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    Was haben ältere Aufnahmen, was neue nicht haben?

    Hallo Musikfreunde!

    Ich bin immer erstaunt, welchen Bestand für mich aber auch für andere Musikfreunde ältere Aufnahmen (Ende 1950er Jahre, 1960er, 1970er Jahre) haben, Aufnahmen dieses Datums machen in so mancher Klassiksammlung einen überdurchschnittlichen Anteil aus. Das obwohl das heute zur Verfügung stehende Notenmaterial näher am "Urtext" des Komponisten ist, das spieltechnische Niveau von Ochestermusikern, Kammermusikern und Solisten höher als früher ist (sein soll). Sicher, es gibt auch heute hervorragende Aufnahmen und Interpreten, die Maßstäbe setzen. Was ist aber der Grund, dass für viele Hörer an so mancher Aufnahme von damals heutige Aufnahmen nicht herankommen. Ehrlich gesagt, mir ist es nicht ganz klar. Habt Ihr eine Erklärung?

    Beste Grüsse

    Gerhard

    #2
    Gerd, meine Erklärung dafür ist recht einfach: Die Tontechniker haben seinerzeit auf die Produktion mehr Wert gelegt. Das war in rein analogen Zeiten Handarbeit. Die wußten noch, wie sie manuell die Mikrophone aufstellen sollten, was sie wie einfangen wollten. Das know how war erlernt, sie waren näher an den Musikern dran. Es waren Überzeugungstäter. Deren Wissen ist unwiederbringbar verloren, wenn sie mal nicht da sind. Mit relativ einfachen Mitteln konnten die damals wunderbare Musikproduktionen machen. Wer solche Aufnahmen noch hat, soll sie gut bewahren.:P

    Gruß
    Franz

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      #3
      Hallo Gerhard,

      Bandmaschine, kein einziges IC im Signalweg und noch echte Röhrenmikrofone und Röhrenverstärker sowie sauberen Strom, war noch nicht so verseucht.

      Jetzt nimmt man „technisch“ richtige Mikrofone (IC/Transistor - Kleinkapsel), früher eher schöne große Röhrenmikrofone. Dann geht alles durch ein (IC/Transitor) Mikrofonverstärker, früher durch reine Vollröhren Preamps und aufgenommen und gemixt wird im digitalen Pult früher analog.

      Ist nur so eine Vermutung… könnte aber vielleicht was dran sein.

      LG, Dirk

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        #4
        Zitat von Gerhard Beitrag anzeigen
        Was ist aber der Grund, dass für viele Hörer an so mancher Aufnahme von damals heutige Aufnahmen nicht herankommen.
        Ich habe dafür keine Erklärung, weil es bei mir nämlich genau umgekehrt ist. Unter meinen ca. 800 Klassik-CDs ist nur eine einzige Aufnahme älter als 1980, und zwar diese:

        http://www.gramophone.net/Issue/Page...utes%3A+ODD%29.

        - laut Beiheft vom 27. Dezember 1975.

        Das liegt daran, daß zwei Drittel der CDs Aufnahmen mit alter Musik enthalten und die betreffenden Werke vor 1980 entweder gar nicht verfügbar waren oder in Interpretationen, die von meinen Vorstellungen (= historische Aufführungspraxis) meilenweit entfernt liegen.

        Ich kann aber auch bei romantischer Musik nur in den wenigsten Fällen mit alten Aufnahmen etwas anfangen.

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          #5
          Zitat von finest-mastering Beitrag anzeigen
          sowie sauberen Strom, war noch nicht so verseucht.
          naja. ich hab mal einen der Tontechniker kennengelernt, die in den 1950er Jahren an den Westminster und Decca-Aufnahmen im Wiener Konzerthaus beteiligt waren. Da gabs solche Netzschwankungen, dass es nicht möglich war, eine Bandmaschine mit vernünftigem Gleichlauf zu betreiben. Gelöst wurde das Problem dann, indem die Maschine auf die US-Version (110V/60Hz) umgebaut wurde. Dann hat man einen Sinus-Generator aus dem Labor auf 60Hz eingestellt, in eine ELA-Endstufe (100V Ausgang) gefüttert und damit die Bandmaschine angetrieben. Wir haben das zum Spaß mal mit einer alten Siemens ELA wiederholt und damit sehr erfolgreich einen Thorens 124 betrieben :A:

          lg
          reno

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            #6
            Zitat von Gerhard Beitrag anzeigen
            Ich bin immer erstaunt, welchen Bestand für mich aber auch für andere Musikfreunde ältere Aufnahmen (Ende 1950er Jahre, 1960er, 1970er Jahre) haben, Aufnahmen dieses Datums machen in so mancher Klassiksammlung einen überdurchschnittlichen Anteil aus. Das obwohl das heute zur Verfügung stehende Notenmaterial näher am "Urtext" des Komponisten ist, das spieltechnische Niveau von Ochestermusikern, Kammermusikern und Solisten höher als früher ist (sein soll). Sicher, es gibt auch heute hervorragende Aufnahmen und Interpreten, die Maßstäbe setzen. Was ist aber der Grund, dass für viele Hörer an so mancher Aufnahme von damals heutige Aufnahmen nicht herankommen. Ehrlich gesagt, mir ist es nicht ganz klar. Habt Ihr eine Erklärung?
            Hallo Gerhard,

            eine Erklärung ist, daß viele Aufnahmen in dem Bewußtsein gemacht wurden, daß sie die ersten auf Tonträger überhaupt sind bzw. solche noch rar waren. Da hat man dann selbst versucht, Maßstäbe zu setzen.

            Ein weiterer Grund ist die historische Situation. Ferenc Friscay z.B. hatte eine Biographie, die ist heute nicht mehr möglich! Als Lehrer den Vater, der Dirigent war, er hat alle Instrumente gelernt und gespielt, selbst früh Erfahrungen sammeln können als Dirigent des Militärorchesters des Vaters (sie spielten das komplette symphonische Repertoire in Ungarn!) und dann bei solchen Ausnahmelehrern, den Komponisten Kodaly, Dohnany und Bartok studieren zu können, die Musikgeschichte geschrieben haben. Dann kam er ins kriegszerstörte Deutschland und konnte quasi, wo alles in Schutt und Asche lag, bei Null anfangen und nach seinen Vorstellungen ein Orchester aufbauen. Das war eine Präzision, die man bis dahin nicht kannte.

            Das Problem vieler Orchesteraufnahmen heute ist, daß die Ausbildung und Qualität der Musiker eher zugenommen hat, das sich in der großen Routine zeigt. Die können ohne große Proben alles spielen. Aber genau da liegt der Hund begraben! Unsere Zeit ist schnelllebig geworden und total durchökonomisiert. Alles muß sich rechnen. Zeit ist Geld! Was da zu kurz kommt, ist diese Arbeit der "Formung" eines Klangkörpers, die eben viel viel Zeit braucht. Z.B. Toscanini oder Mrawinsky in der Sowjetunion mit ihrem Probenfanatismus - Mrawinsky brauchte 200 (!) Proben für eine Brahms-Symphonie und es ging immer noch weiter. Da spielte Zeit - und Geld - einfach gar keine Rolle. Heute undenkbar! Und dann kommen natürlich die großen Persönlichkeiten - gerade bei den Solisten - die prägend waren und Maßstäbe gesetzt haben. Die sind durch nichts zu ersetzen: Richter, ABM, Rubinstein, Horowitz, Arrau, Oistrach, Heifetz, Casals, Rostropowitsch, Wunderlich, die Callas usw. Heute sind die Werbemöglichkeiten viel größer als damals, aber auch die Verpflichtungen und Abhängigkeiten, die Musiker manchmal knebeln können. Die großen Plattenfirmen wollen Stars haben, die ständig etwas produzieren. Das war den großen "Verweigerern" von damals alles egal. Man läßt vielen jungen Musikern heute viel zu wenig Zeit, um zu reifen.

            Ein weiterer Punkt ist: Man macht heute keine Aufnahmen, weil man der Überzeugung ist, daß man sie machen muß, weil man etwas Neues zu sagen hat. Nein! Die großen Orchester haben ihre festen Plattenverträge und besetzen damit eine Marktposition. Die müssen sie erhalten, indem sie ständig neue Aufnahmen auf den Markt werfen. Sonst nämlich besetzt sehr schnell ein anderes Orchester, das werbestrategisch aufgebaut wird, diese begehrte und natürlich gewinnbringende Position. Heraus kommen jede Menge überflüssiger Aufnahmen! Es dreht sich heute alles ums Geld!

            Bei mir ist es deshalb ganz genauso - ich sammle fast nur noch "historische" Aufnahmen - von wenigen bemerkenswerten Neuaufnahmen abgesehen. Von Friscay oder Mrawinsky kann man alles kaufen ohne Bedenken, da wird man nie enttäuscht, bei Barenboim und Co. heute muß man sich sehr genau überlegen, was man sich anschafft und wovon man besser die Finger läßt!

            Auch aufnahmetechnisch sind viele der ganz alten Aufnahmen schier unglaublich gut- da staune ich immer wieder! Welche Klarheit und Durchsichtigkeit! Realismus, Hifi pur!

            Beste Grüße
            Holger
            Zuletzt geändert von Gast; 12.01.2010, 00:04.

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              #7
              Zitat von Reno Barth Beitrag anzeigen
              Da gabs solche Netzschwankungen, dass es nicht möglich war, eine Bandmaschine mit vernünftigem Gleichlauf zu betreiben.
              Ah so, und ich hab' geglaubt, das ist das Rubato.

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                #8
                Hallo

                ich habe eine ganz anderee Sichtweise:

                Früher war die "Schwankungsbreite" sowohl in der Interpretation, als auch bei der Aufnahmetechnik recht hoch.

                Da haben sich ein paar Interpreten/Orchester/Dirigenten mit ihren Aufnahmen als "Klassiker" oder "Meilensteine" herauskristallisiert, bei denen beides passte.

                Und klar, wenn man schon eine allgemein als gute anerkannte Aufnahme eines Werks besitzt, wird man als durchschnittlicher Hörer ein bis drei andere Interpretationen der kaufen, und damit hat es sich erschöpft.
                Leute, die zig verschiedene Aufnahmen ein- und desselben Werks besitzen und auch aktiv hören, gehören zur Ausnahme.


                Schon Glenn Gould sagte, dass es von den bedeutenden Werken schon so viele künstlerisch und aufnahmetechnisch ausgezeichnete Aufnahmen gibt, dass es für ihn keinen Sinn mache, eine weitere "Standard"-Aufnahme zu machen.
                Daher würde er bei seinen Interpretationen ganz andere Wege gehen, bei denen er druch verschiedene Mittel (z.B. deutlich veränderte Tempi, etc.) verschiedene Aspekte des Werks herausarbeitete.

                Solche deutlich andere, neuartige und frische Interpretationen gibt es halt immer seltener, die dem Hörer das Werk in frischer Form, aus neuen Perspektiven präsentieren, und bisher weniger offensichtliche Aspekte hervorheben.

                Diese Aufnahmen haben einfach unsere Hörgewohnheiten geprägt, genau so wie sehr viele Interpretationen danach.

                Die zigte Aufnahme der altbekannten Werke varriert mittlerweilen nur noch marginal von biserhigen anderen guten Aufnahmen.

                Drum bleibt man bei den bisherigen Meilensteinen, um die herum die neuen Interpretationen variieren.

                Die meisten Hörer wollen ja auch nicht in neue Gefilde vordringen, sich mit neuartigem beschäftigen.
                Es ist gemütlicher, im gleichen Bereich zu bleiben, gewohntes zu hören, keine allzu großen Überraschungen zu erleben.
                "Unerhörtes" ist nicht mehr so erwünscht, genau so wenig wie das ständige Hinterfragen des Status Quo, die Interpretation des Werks im Licht der heutigen Zeit.

                Man hat sich auf eine Aufführungspraxis geeinigt, an die sich die Mehrheit hält.

                Unerhörtes, Neuartiges und Spannendes gibt es eher in anderen Musikrichtungen zu entedecken.
                Für musikalische Abenteuer muss man den sicheren Hafen der Klassik verlassen... ;)
                Aber das ist nciht da Thema hier.


                Es gibt halt einfach sehr viele gute Aufnahmen sehr guter Interpretationen.
                Da bleibt sehr wenig Raum für eine neue Aufnahme, die deutlich "besser" ist als diese Referenzaufnahmen.

                LG

                Babak
                Grüße
                :S

                Babak

                ------------------------------
                "Alles was wir hören ist eine Meinung, nicht ein Faktum.

                Alles was wir sehen ist eine Perspektive, nicht die Wahrheit!"


                Marcus Aurelius

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                  #9
                  Jemand, der sich mit Aufnahmetechnik auseinander gesetzt hat, erzählte mir mal folgendes:

                  Früher waren Schallplattenaufnahmen etwas besonderes und so verhielten sich die Musiker auch. Da man weniger Möglichkeiten der Nachbearbeitung hatte, wurde die Musiker und Ihre Instrumente um das Mikrophon so plaziert, dass diese in etwa gleich laut am Mikro waren. Heute würden sich das Musiker und Dirigenten nicht bieten lassen. Dazu eben die Situation des besonderen, wo sich jeder Musiker zu Höchstleitungen veranlasst so, führten zu außergewöhnlichen Aufnahmen.

                  Ciao DA

                  Kommentar


                    #10
                    Richtig

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                      #11
                      Zitat von Babak Beitrag anzeigen
                      Für musikalische Abenteuer muss man den sicheren Hafen der Klassik verlassen...
                      Vollkommen falsch, selbst wenn du viel Klassik hörst, kennst du nur einen ganz geringen Prozentsatz aller überlieferten Werke aus den letzten 500 Jahren.

                      So enthält z.B. Franz Stiegers Opernlexikon eine Liste von ca. 50.000 Opern, die seit 1600 komponiert worden sind. Von denen ist zwar nur ein Teil erhalten, aber davon wiederum nur ein Bruchteil auf Tonträgern verfügbar. Das ist ein praktisch unerschöpfliches Feld.

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                        #12
                        Hallo

                        Zitat von Spalatro Beitrag anzeigen
                        Vollkommen falsch, selbst wenn du viel Klassik hörst, kennst du nur einen ganz geringen Prozentsatz aller überlieferten Werke aus den letzten 500 Jahren.

                        So enthält z.B. Franz Stiegers Opernlexikon eine Liste von ca. 50.000 Opern, die seit 1600 komponiert worden sind. Von denen ist zwar nur ein Teil erhalten, aber davon wiederum nur ein Bruchteil auf Tonträgern verfügbar. Das ist ein praktisch unerschöpfliches Feld.
                        Wird das schon wieder eine Grundsatzdebatte? ;)

                        Es ging hier um Aufnahmen aus dem Klassikbereich.

                        Erst mal gibt es, wie Du schreibst, nicht von all den 50.000 Opern Aufnahmen.

                        Zweitens bezog ich mich mit den "musikalischen Abenteuern" nicht auf die Anzahl der Werke, sondern auf die Neuartigkeit der Interpretation eines Werks und die verfügbraren Aufnahmen dieser unterschiedlichen Interpretationen.

                        Bitte nichts aus dem Kontext reißen, sonst kommen eben solche Falschdeutungen raus.
                        :M

                        LG

                        Babak
                        Grüße
                        :S

                        Babak

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                        Marcus Aurelius

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                          #13
                          Babak, selbst wenn ich das hier -
                          Zitat von Babak Beitrag anzeigen
                          Unerhörtes, Neuartiges und Spannendes gibt es eher in anderen Musikrichtungen zu entedecken.
                          Für musikalische Abenteuer muss man den sicheren Hafen der Klassik verlassen...
                          - nur auf die Klassikproduktionen des letzten Jahres beziehe, ist es nichts anderes als ein undifferenziertes Pauschalurteil. Du machst hier eine generische Aussage über etwas, was du höchstens ansatzweise kennst. Oder hast du alle Aufnahmen (oder auch nur einen wesentlichen Teil davon) durchgegehört? Und selbst wenn du das hättest und dir dabei nur langweilig geworden wäre, wäre eine solche Generalisierung immer noch falsch und höchstens ein Anzeichen dafür, daß du auch zur aktuellen Klassikszene den Kontakt verloren hast.

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                            #14
                            Hallo,

                            na, wird doch wieder eine Grundlagendiskussion mit erhitztem Gemüt? ;)

                            LG
                            Babak
                            Grüße
                            :S

                            Babak

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                            Marcus Aurelius

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                              #15
                              Warum nicht? Gerade mit dir kann das ja durchaus zum "guilty pleasure" werden. Man sollte eh nicht jedes Geplauder unbedingt unter der Prämisse des Erkenntnisfortschritts sehen wollen.

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