Tach,
aus einem anderen Thread:
Hallo Holger,
Ich habe mir mit der Antwort etwas Zeit gelassen, weil ich zunächst die Aufnahmen noch einmal hören wollte um zu wissen, ob mich meine Erinnerung nicht trügt.
Die Aufnahme aus dem Jahre 1955, mit der Glenn Gould wohl seine Karriere startete, ist m.E. aus heutiger Sicht kaum noch zu ertragen.
Gould spielt mache Variation, als ginge es um sein Leben und dann wieder läßt er die Töne dahintröpfeln, dass einem die Tränen kommen. Da wird imo die Struktur der Musik mit Gefühl verkleistert, um es mal harsch zu formulieren. Dazu kommt, dass er ein Tempo an den Tag legt, dass einem Hören und Sehen vergeht. Sicher: er spielt technisch brilliant und versteht es, das hohe Tempo durchgängig ohne Wackeln zu halten. Das ist spieltechnisch bestimmt vom Feinsten. Aber es hat imo doch sehr viel von Show an sich.
Meiner Meinung nach ein Fall für das Kuriositätenkabinett.
Die Aufnahme aus 1981 ist ebenfalls schwer gewöhnungsbedürftig.
Zwar nimmt Gould hier das Tempo deutlich zurück und moduliert die Lautstärke auch längst nicht mehr so extrem, wie in der früheren Aufnahme. Gleichwohl interpertiert er Bach auch hier - jedenfalls nach meinem Empfinden - sehr expressiv. Von Puritanismus oder Sparsamkeit im Ausdruck ist da meines Erachtens keine Spur. Und das alles ohne Berücksichtigung seines dauernden Sing-Sangs, der ziemlich störend wirkt. Von dem Video habe ich - wenn ich mich recht entsinne - Ausschnitte gesehen. Also wenn er nicht auf Effekte bedacht war, dann weiss ich es nicht... da kann man so Jungspunden wie Stadtfeld doch nicht einaml einen Vorwurf machen, wenn sie glauben, sie bräuchten es ihm nur nachzutun; er hatte ja Erfolg damit. Meine Bemerkung über das Marketing bezog sich in erster Linie auf die Vermarktung durch sein Label. Ich denke, die konnten seine Exzentrität gut verwerten.
Gould ist natürlich zu gute zu halten, dass er die Barock-Musik, insbesondere die Bach´s dem damaligen Publikum mit überwältigendem Erfolg nahegebracht hat. Ein Massstab für andere Pianistengenerationen ist er aber glaube ich nicht. Man sollte ihn hören und kennen um zu wissen, wie man Bach nicht spielen soll ! (Muss ich betonen, dass das meine subjektive Meinung ist, die niemand zu teilen braucht ?).
Übrigens gibt es - wenn ich richtig informiert bin - noch drei weitere Einspielungen der Goldbergvariationen von Glenn Gould, die teilweise bereits aus dem Jahre 1954 stammen.
Zum Vergleich würde ich - wenn es denn Klavier sein muss - z.B. die Aufnahme von András Schiff heranziehen. Er spielt die Variationen wesentlich strukturierter, von Tempo und Lautstärke gleichmäßiger, wodurch die Musik selbst viel mehr zu Entfaltung kommt. Er tritt akls Interpret hinter die Musik zurück, was ich sehr angenehm finde, denn Bach´sche Musik braucht keine besonderen Zutaten um zu wirken. Im Gegenteil: da ist weniger oft mehr.
Meine derzeit liebste Aufnahme ist aber die von Gustav Leonhardt natürlich auf dem Cembalo.
Nun würde mich mal interessieren, was die anderen darüber denken.
VG, Bernd
aus einem anderen Thread:
Zitat von Dr. Holger Kaletha
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Ich habe mir mit der Antwort etwas Zeit gelassen, weil ich zunächst die Aufnahmen noch einmal hören wollte um zu wissen, ob mich meine Erinnerung nicht trügt.
Die Aufnahme aus dem Jahre 1955, mit der Glenn Gould wohl seine Karriere startete, ist m.E. aus heutiger Sicht kaum noch zu ertragen.
Gould spielt mache Variation, als ginge es um sein Leben und dann wieder läßt er die Töne dahintröpfeln, dass einem die Tränen kommen. Da wird imo die Struktur der Musik mit Gefühl verkleistert, um es mal harsch zu formulieren. Dazu kommt, dass er ein Tempo an den Tag legt, dass einem Hören und Sehen vergeht. Sicher: er spielt technisch brilliant und versteht es, das hohe Tempo durchgängig ohne Wackeln zu halten. Das ist spieltechnisch bestimmt vom Feinsten. Aber es hat imo doch sehr viel von Show an sich.
Meiner Meinung nach ein Fall für das Kuriositätenkabinett.
Die Aufnahme aus 1981 ist ebenfalls schwer gewöhnungsbedürftig.
Zwar nimmt Gould hier das Tempo deutlich zurück und moduliert die Lautstärke auch längst nicht mehr so extrem, wie in der früheren Aufnahme. Gleichwohl interpertiert er Bach auch hier - jedenfalls nach meinem Empfinden - sehr expressiv. Von Puritanismus oder Sparsamkeit im Ausdruck ist da meines Erachtens keine Spur. Und das alles ohne Berücksichtigung seines dauernden Sing-Sangs, der ziemlich störend wirkt. Von dem Video habe ich - wenn ich mich recht entsinne - Ausschnitte gesehen. Also wenn er nicht auf Effekte bedacht war, dann weiss ich es nicht... da kann man so Jungspunden wie Stadtfeld doch nicht einaml einen Vorwurf machen, wenn sie glauben, sie bräuchten es ihm nur nachzutun; er hatte ja Erfolg damit. Meine Bemerkung über das Marketing bezog sich in erster Linie auf die Vermarktung durch sein Label. Ich denke, die konnten seine Exzentrität gut verwerten.
Gould ist natürlich zu gute zu halten, dass er die Barock-Musik, insbesondere die Bach´s dem damaligen Publikum mit überwältigendem Erfolg nahegebracht hat. Ein Massstab für andere Pianistengenerationen ist er aber glaube ich nicht. Man sollte ihn hören und kennen um zu wissen, wie man Bach nicht spielen soll ! (Muss ich betonen, dass das meine subjektive Meinung ist, die niemand zu teilen braucht ?).
Übrigens gibt es - wenn ich richtig informiert bin - noch drei weitere Einspielungen der Goldbergvariationen von Glenn Gould, die teilweise bereits aus dem Jahre 1954 stammen.
Zum Vergleich würde ich - wenn es denn Klavier sein muss - z.B. die Aufnahme von András Schiff heranziehen. Er spielt die Variationen wesentlich strukturierter, von Tempo und Lautstärke gleichmäßiger, wodurch die Musik selbst viel mehr zu Entfaltung kommt. Er tritt akls Interpret hinter die Musik zurück, was ich sehr angenehm finde, denn Bach´sche Musik braucht keine besonderen Zutaten um zu wirken. Im Gegenteil: da ist weniger oft mehr.
Meine derzeit liebste Aufnahme ist aber die von Gustav Leonhardt natürlich auf dem Cembalo.
Nun würde mich mal interessieren, was die anderen darüber denken.
VG, Bernd
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