Diese CD von Marc Andre Hamelin habe ich auch. Da braucht man wirklich Ruhe dafür. Beim ersten Anhören habe ich nach 5 Minuten Schluss gemacht, weil dann die innere Ruhe weg war. Der zweite Anlauf ist noch ausständig. Aber ich freue mich schon, wenn ich die Muse habe die ganze CD durchzuhören, wann immer das sein wird. Eine echte Herausforderung im positiven Sinn.
Ich habe auch mal ein langes Werk von Feldman aufgeführt.
"For Christian Wolff" für Flöte und Klavier.
Das wird so selten gespielt, dass sogar ein Feldman-Fan aus England extra zu diesem Konzert angereist ist.
Es dauerte 3 Stunden 40 Minuten, wenn ich mich richtig entsinne.
Aber ich dachte danach: Wie, schon zu Ende?
Man gerät dadurch in ein völlig anderes Zeitgefühl.
Ich mag die Sachen von György Ligeti sehr. Es gibt da eine Gesamtaufnahme, die von Sony angefangen und dann von Teldec fortgesetzt wurde. Eine Zeit lang habe ich die hoch und runter gehört. Muss ich dringend wieder rauskramen ...
... Beim ersten Anhören habe ich nach 5 Minuten Schluss gemacht, weil dann die innere Ruhe weg war. Der zweite Anlauf ist noch ausständig.
Gib der Aufnahme noch ein Chance, es lohnt sich wirklich.
Sie betreten nun eine Welt, die nicht ihresgleichen hat. Ein Klang-Universum, das nichts zu tun hat mit den erzählenden, linearen musikalischen Gestalten, die uns allen so vertraut sind. Feldman glückte es mit For Bunita Marcus, ganz neu anzufangen und eine Welt zu erfinden, die ihren eigenen Gesetzen gehorcht und der man nach ihren eigenen Regeln begegnen muss. Auch herrscht hier äußerste Beschränkung der Mittel, sowohl in der radikal reduzierten Dynamik als auch in der ungewöhnlichen Kargheit des Satzes. Das Wunder besteht nun darin, dass sich in diesem scheinbar so beschränkten Material so viele Dimensionen auftun, dass der Hörer die Musik auf viele unterschiedliche Weisen verstehen kann und sie ihn auf ebenso viele verschiedene Weisen anspricht.
Als ich mich zum ersten Mal ans Klavier setzte, um Feldmans Stück durchzuspielen, überkam mich sofort ein herrliches Gefühl von Befreiung. In den vielen Jahren, in denen ich die dunkleren Regionen der Literatur für mein Instrument erforscht hatte, hatte ich ähnliches nie empfunden. Kein noch so ausgiebiges Studium des traditionellen Repertoires kann einen Pianisten vorbereiten auf eine Strecke von 72 Minuten zarter Klaviermusik im dreifachen Piano und mit durchweg gehaltenem Pedal. Als das Stück sich dann aber entfaltete, erlebte ich zahlreiche widerstreitende Eindrücke, und mir wurde immer klarer, dass einmaliges Hören nie hinreichen wird, um die zahllosen Arten zu offenbaren, auf die man dieses Werk hören und verstehen kann.
Ein Beispiel: Als das Werk sich unter meinen Fingern entfaltete, kam mir eine Parallele zu der beunruhigenden Kurzgeschichte von Jorge Luis Borges Die Bibliothek von Babel in den Sinn—auch wenn Feldman wohl nicht darauf abgezielt hatte. Es handelt sich um eines der verblüffendsten Prosastücke, die je geschrieben wurden. Der Erzähler stellt uns ein Universum, eigentlich das Universum, in Form einer Bibliothek vor, die sich nach allen Seiten mutmaßlich ins Unendliche erstreckt. Jeder ihrer Bände enthält eine mögliche Anordnung aller Buchstaben, die in ein Buch von 410 Seiten passen; der Inhalt jedes Buches kann alles oder auch nichts bedeuten. Wie in dem Universum, das Borges uns bietet, ist in Feldmans Stück die Zeit bedeutungslos geworden, Tonhöhen zweitrangig, und jeder Augenblick ist ein Fenster ins Unendliche. Jeglicher vertraute Formbegriff ist verschwunden.
Das Stück kann uns jedoch in seiner Vielseitigkeit dazu bringen, es auf ganz andere Weise wahrzunehmen. Sein Stillstand kann ebenso als beruhigend wie als erschreckend empfunden werden, als Oase der Reinheit oder als Gegenteil von Unendlichkeit: ein beängstigendes, klaustrophobisches, hermetisch in sich geschlossenes Universum. Wie bei Borges könnten die Einzeltöne und die „Sätze“, die sie bilden, Teil jeder beliebigen Sprache sein und alles mögliche bedeuten.
Mir wurde auch klar, dass es hier zum ersten Mal überhaupt gelungen war, den Begriff „Klavierstück“ vollkommen zu verwandeln und uns damit zu zwingen, alle Erwartungen beiseite zu wischen, die aus der herkömmlichen Klavierliteratur herrühren. Es geht hier nicht mehr um den Künstler, die Aufführung, das Darstellen pianistischer Virtuosität, den gesellschaftlichen Anlass. Wir haben es nun ausschließlich mit Klang, Zeit und Raum zu tun. Deswegen ist es mir auch unmöglich, For Bunita Marcus irgendwie in meine üblichen Konzertprogramme einzubauen. So muss man es den Festivals für Neue Musik überlassen—wo es höchstwahrscheinlich ein anderes, offeneres Hören findet—oder eben der Aufnahme. Selbst traditionelle und geübte Konzertbesucher dürften wenig Bereitschaft mitbringen, sich jener Erfahrung zu stellen, die Feldman hier anbietet.
Dabei ist sie ein ungeheures Geschenk. Die Einladung, eine andere Wirklichkeit zu betreten. Die Chance, Räume ohne Wände zu durchwandern, dem unmöglichen Schwung eines vierdimensionalen Pendels zuzusehen, während man sich in einem Nichts aufhält, in dem auf unerklärliche Weise allein Klang leben und sich bewegen darf.
Wusstet ihr schon, dass es das längste Stück von Feldman, nämlich sein 2. Streichquartett, das etwa 5 Stunden dauert, seit letztem Jahr erstmalig auf LP gibt?
Slobodan Kajkut, der Inhaber des generell empfehlenswerten Labels GOD Records, hat sich damit für die 50. Veröffentlichung in seinem Katalog einen langgehegten Traum erfüllt.
Es spielt das Pellegrini-Quartett.
Man beachte: Diese Aufnahme gibt es NICHT auf CD, nur in Form dieser 6 LP-Box.
Wusstet ihr schon, dass es das längste Stück von Feldman, nämlich sein 2. Streichquartett, das etwa 5 Stunden dauert, seit letztem Jahr erstmalig auf LP gibt?
Slobodan Kajkut, der Inhaber des generell empfehlenswerten Labels GOD Records, hat sich damit für die 50. Veröffentlichung in seinem Katalog einen langgehegten Traum erfüllt.
Es spielt das Pellegrini-Quartett.
Man beachte: Diese Aufnahme gibt es NICHT auf CD, nur in Form dieser 6 LP-Box.
Ich fand es halt nur so sensationell, dass jemand auf die Idee kommt, ein solches Stück heutzutage in Neuaufnahme auf LP zu veröffentlichen.
Wie gesagt, ist das ganze Label sehr interessant. Da gibt es auch drei Platten des österreichischen Komponisten Peter Ablinger, bei dem ich auch einmal in einer Uraufführung mitgemacht habe.
Alle auf Vinyl, was gerade im Bereich der Neuen Musik nach wie vor sehr ungewöhnlich ist.
Provided to YouTube by FINETUNESHerbstmilch: Orchestersuite · Tonkünstler-Orchester & Alondra de la ParraSchneider: Erdgebunden℗ 2015 wergoReleased on: 2015-...
Enjott Schneider - Herbstmilch: Orchestersuite (DE 2015)
Recordings: 4-7 March 2015, Auditorium Schloss Grafenegg, Niederösterreich
Enjott Schneider (* 25. Mai 1950 in Weil am Rhein als Norbert Jürgen Schneider) ist ein deutscher Komponist, Musikwissenschaftler und Hochschullehrer. https://de.wikipedia.org/wiki/Enjott_Schneider
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