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    #76
    Dynamikkompression bei LS ? Kritik an Phil Ward 2/2

    Fortsetzung ...


    2) Mr. Ward hat sich jedoch für überhaupt keine Methode des Bezugs oder der Normierung der Ausgangsgrößen der LS Prüflinge untereinander entschieden.

    Stattdessen ermittelte er mit der üblichen Eingangsspannung von 2.83 Volt (1 Watt für nominelle 8 Ohm) zunächst die Spannungsempfindlichkeit der Prüflinge (was sinnvoll ist):

    Tabelle 1:

    Typ...........SPL(PW)....SPLrel(OM)..Prel(OM)
    ---------------------------------------------

    KRK...........88.75dB....-2.75dB......53%

    B&W...........88.00dB....-2.00dB......63%

    Dynaudio......87.25dB....-1.25dB......75%

    Wharfedale....86.00dB....-0.00dB.....100%


    Die Daten aus dem Artikel sind mit (PW), die von mir ergänzten mit (OM) gekennzeichnet.

    Mr. Ward beschränkt sich im Artikel darauf festzustellen, daß die Spannungsempfindlichkeiten (2. Spalte) der LS nicht weit auseianderlägen und Unterschiede daher nicht beachtet werden müssten.

    Daraufhin beginnt er, mit einem Signal gleicher Spannung für alle LS Typen in hohem Maße die Schwingspulen aufzuheizen, als teste man Bügeleisen, um dann die resultierende Differenz der Schwingspulentemperatur zu messen.

    Daß individuelle mechanische (Verzerrungs-) Grenzen der LS dabei nicht berücksichtigt wurden, habe ich bereits angemerkt. Mit Rauschsignalen, höherfrequenten Sinussignalen, oder einem Sinus genau auf der Abstimmfrequenz Fb eines BR Gehäuses (genau das tut Mr. Ward später auch noch ...) kann man die für Musik sonst wirksamen mechanischen Grenzen im Tiefton umgehen und der Schwingspule mehr Wärme zuführen als im Betrieb mit Musik ...

    Wenn die ermittelten Spannungsempfindlichkeiten der einzelnen LS jedoch Realität haben, so müsste man für gleichen (Ausgangs-) Schalldruck die Spannungspegel für die empfindlicheren Modelle gegenüber dem unempfindlichsten Modell (Wharfdale) so zurücknehmen, wie ich es in Tabelle 1, 3. Spalte "SPLrel(OM)" eingetragen habe:

    Denn warum soll z.B. der LS mit der höchsten Spannungsempfindlichkeit (KRK) dafür noch "bestraft" werden, indem man ihm im Test die gleiche Eingangsspannung zumutet wie dem unempfindlichsten Modell, obwohl das Modell KRK den gleichen Schalldruck wie Wharfdale mit nur 53% Prozent derjenigen Leistung (Tabelle 1, 4. Spalte von mir ergänzt) erreichen würde, die Mr. Ward ihm während seines Tests zugeführt hat ?


    Hätte man für jedes Modell zuvor einen individuellen Maximalpegel (s.o.) definiert, so wäre es in Ordnung, auch diese Pegel "anzufahren": Da man darüber aber erst gar keine Daten erhoben hat, sollte hier besser eine Eingangsspannung für gleichen Schalldruck aller LS gewählt werden (wir testen LS keine Bügeleisen).

    Bei Mr. Ward's "eine Eingangsspannung für alle LS Typen" Test ergaben sich dann nach Erwärmung folgende Differenzen in der Schwingspulentemperatur bei den einzelnen LS Tabelle 2, 2. Spalte:


    Tabelle 2:

    Typ..........D_Tvc(PW)..alpha(PW)..Rrel(PW)..Comp(PW)..D_Tvc(OM)..Rrel(OM)..Comp(OM)
    ----------------------------------------------------------------------------------------

    KRK..........125°C......0.0039.....149%......3.5dB......66°C......126%......2.0dB

    B&W..........195°C......0.0039.....176%......4.9dB.....123°C......148%......3.4dB

    Dynaudio.....100°C......0.0039.....139%......2.9dB......75°C......129%......2.2dB

    Wharfedale...120°C......0.0039.....147%......3.3dB.....120°C......147%......3.4dB


    Zitat:
    "The change in voice-coil resistance equates directly with a reduction in driver
    sensitivity -- ie. compression by any other name. This is quite a tough test for a small
    speaker. The final input level of 20V RMS is pretty loud, but it was important to drive the speakers hard in order to reveal any differences without any ambiguity."


    In der dritten Spalte habe ich die von ihm verwendete Konstante für Widerstandserhöhung bei Erwärmung (materialabhängig) eingetragen und in der 4. Spalte "Rrel(PW)" steht der relative ohmsche Widerstand der Schwingspule in %, (nach Erwärmung) welcher bei ihm aus der Temperaturdifferenz und der Materialkonstanten errechnet wurde. Die 5. Spalte "Comp(PW)" gibt nun die Kompression durch Verminderung des Stroms und der Antriebskaft des LS an.

    Die letzten 3 Spalten habe ich ergänzt, sie sind eine grobe "was wäre wenn" Abschätzung, hätte man den LS lediglich Spannungen für gleichen Ausgangspegel (Schalldruck) "zugemutet" und die empfindlicheren Modelle nicht mit "Überspannung" bestraft.

    Dabei habe ich die Temperaturdifferenz "D_Tvc(PW)" aus Mr. Wards Daten vereinfacht(*) mit dem für gleichen Ausgangspegel in Tabelle 1, Spalte 4 "Prel(OM)" ermittelten Faktor ( <1 oder <100%) der Eingangsleistung (Wharfdale = 1 oder 100%) multipliziert.

    Ergebnis ist dann

    - in Spalte 6 "D_Tvc(OM)" eine neue Temperaturdifferenz
    - in Spalte 7 "
    Rrel(OM)" ein neuer darauf beruhender relativer Widerstand der Schwingspule
    - in Spalte 8 "Comp(OM)
    " eine neue "thermische Kompression"


    Mr. Ward kommt in seinem Versuch zu dem Schluss, Dynaudio müsse aufgrund der geringen Erwärmung (durch gute Kühlung der Schwingspule) die geringste "thermische Kompression" aufweisen, Spalte 2 "D_Tvc(PW)":

    Berücksichtigt man jedoch die höhere Spannungsempfindlichkeit, so dürfte KRK in Wahrheit leicht vorne liegen und für jeweils gegebene Pegelbereiche am wenigsten thermische Drift aufweisen, Tabelle 2, Spalte 8 "Comp(OM)".

    Das Modell B&W sieht in Ward's Daten abgeschlagen aus, weil die Schwingspule sehr heiß wurde:

    Berücksichigt man jedoch, daß B&W mit 88dB die zweithöchste Spannungsempfindlichkeit der Prüflinge hatte und dementsprechend nur 63% der Leistung (Wharfdale 100%) zuzuführen gerechtfertigt wäre, dann reiht sich dieser LS wahrscheinlich diesbezüglich etwa neben Wharfdale ein und ist nicht mehr in gleicher Weise "auffällig", wie Mr. Ward's Vorgehen es nahelegt (**).


    Zusammenfassung bis hierhin:

    Die m.E. willkürlichen Erwämungsversuche der Schwingspulen sind - so wie von Mr. Ward durchgeführt wurden - nicht praxisgerecht und verzerren eher den Blick auf die relativen dynamischen Eigenschaften der jeweiligen LS untereinander.

    Die so ermittelten Widerstandsänderungen waren ferner keine gute Ausgangsbasis um damit im Nachgang Simulationen (!) - wie Mr. Ward es tat - über die Drift der BR Abstimmungen anzustellen, denn die gezeigten Frequenzgänge im Artikel (jeweils rot im unteren Teil seiner Diagramme) sind keine Messungen.

    Man kann Verzerrungen und Dynamikkompression durch einfache direkte Messungen und praxisgerechte Normierungen bezogen auf relevante Ausgangsgrößen zu vergleichender LS-Typen m.E. wesentlich einfacher, praxisgerechter, methodisch transparenter und vor allem korrekter ermitteln und darstellen, als Mr. Ward es in seinem Artikel getan hat.

    Ich würde daher den Artikel nicht weiter empfehlen.


    _________________

    (*) Mein stark vereinfachtes Vorgehen wäre wohl dann korrekt, wenn der "heizende" Widerstand bzw. die "Heizleistung" beim Erwärmungsversuch konstant geblieben wäre.

    In Wirklichkeit haben sich die LS aber schon durch verminderte Leistungsaufnahme (Widerstandserhöhung) zum Ende der Erwärmungsphase gegen weitere Erwärmung "gewehrt".

    Eine Verminderung der zugeführten Spannung wird also speziell beim Modell B&W nicht ganz die Temperaturabsenkung bringen, wie ich sie abgeschätzt habe, die Tendenzen sind jedoch trotz dieser Vereinfachung erkennbar.


    (**) Fragen des Frequenzgangs und der Tieftonausdehnung (untere Grenzfrquenz) zw. der Prüflingen habe ich hier bewusst ausgeklammert, da der Artikel hier keine genaueren Angaben macht (der 1te Teil des Artikels scheint online nicht mehr verfügbar).
    Zuletzt geändert von dipol-audio; 26.06.2016, 04:58.
    Grüße aus Reinheim, Oliver Mertineit

    Kommentar


      #77
      AW: Wie klingt Elektronik?

      Oliver, dickes Lob für die letzten drei Beiträge, die auch aus meiner Sicht stimmen (im Besonderen #73 kann ich voll bestätigen).:J:

      Es gibt bzw. gab tatsächlich Verstärker, die "fetteren" Bass liefer(te)n. Dazu gehören praktisch alle Röhrenendstufen mit Ausgangstrafos, die alten Denon-Monoblöcke (ich hatte damals beide Modelle, groß und klein) und sehr viele Verstärker von (rein) chinesischen Herstellern, allen voran die von Vincent.

      Ohne es je überprüft zu haben (Röhrenverstärker ausgenommen, die haben wir oft getestet), bin ich mir ziemlich sicher, dass man auch die "weichen Transistorverstärker" in verblindetem Zustand mit ausgesuchter Musik und in Verbindung mit stark impedanzschwankenden Lautsprechern gut erkennen kann.

      Selbstverständlich sind derartige Verstärker "Fehlkonstruktionen" - wenn auch gewollte.
      Gruß
      David


      WEBSEITE HiFiAKTIV: Klick mich
      Einen "Audio-Laien" erkennt man daran, dass er sich viel mehr mit Audiokomponenten beschäftigt als mit Raumakustik, LS-Aufstellung und Hörplatzwahl.
      Auch Personen, die noch wenig Wissen auf diesem Gebiet haben, oder solche, die Rat und Hinweise von Erfahrenen suchen, sind hier richtig.
      Meine Auffassung von seriösen Vergleichstests: Klick mich - Die bisherigen Testergebnisse: Klick mich - Private Anlage: Klick mich - Wann gefällt mir ein Musikstück? - Klick mich
      Grundsätzlich: Behauptungen die mir bedenklich erscheinen, glaube ich nur, wenn sie messtechnisch nachvollziehbar sind und wenn sie mir in Form eines verblindeten Vergleichs bewiesen werden konnten.
      Eine Bitte an Alle: nicht ganze (noch dazu große) Beiträge zitieren und darunter einen kurzen Kommentar schreiben! Besser (beispielsweise): "Volle Zustimmung zu Beitrag 37".
      Wichtig: zumindest versuchen, beim Thema bleiben!

      Kommentar


        #78
        AW: Wie klingt Elektronik?

        Zitat David: "Selbstverständlich sind derartige Verstärker "Fehlkonstruktionen"

        Das ist ja lustig. Kann man Verstärker an ihrem Klang erkennen, sind sie "Fehlkonstruktionen".

        Kommentar


          #79
          AW: Wie klingt Elektronik?

          Zitat von DAVID Beitrag anzeigen
          Oliver, dickes Lob für die letzten drei Beiträge, die auch aus meiner Sicht stimmen (im Besonderen #73 kann ich voll bestätigen).:J:

          Es gibt bzw. gab tatsächlich Verstärker, die "fetteren" Bass liefer(te)n. Dazu gehören praktisch alle Röhrenendstufen mit Ausgangstrafos, die alten Denon-Monoblöcke (ich hatte damals beide Modelle, groß und klein) und sehr viele Verstärker von (rein) chinesischen Herstellern, allen voran die von Vincent.

          Ohne es je überprüft zu haben (Röhrenverstärker ausgenommen, die haben wir oft getestet), bin ich mir ziemlich sicher, dass man auch die "weichen Transistorverstärker" in verblindetem Zustand mit ausgesuchter Musik und in Verbindung mit stark impedanzschwankenden Lautsprechern gut erkennen kann.
          Lieber David,

          lustiger Weise erinnerst Du Dich erst an Deine baßlastigen Endstufen im Laden, als man Dir die Meßdaten liefert. Mein Erfahrungshinweis dagegen hatte das nicht geschafft. Offenbar ist es doch nicht sooooo schlecht, wenn jemand hartnäckig das hier tabuisierte Thema Eigenklang von Elektronik unbeirrbar anpackt.


          Zitat von DAVID Beitrag anzeigen
          Selbstverständlich sind derartige Verstärker "Fehlkonstruktionen" - wenn auch gewollte.
          Das ist letztlich die Frage. Eine Fehlkonstruktion ist erst einmal ganz einfach die, welche ihren Zweck nicht erfüllt. Offenbar hatten und haben aber diese nicht ganz schulbuchmäßigen Konstruktionen alle ihren Zweck. Darauf werde ich noch zurückkommen. Heute gibt es erst einmal Fußball!

          Schöne Grüße
          Holger

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            #80
            AW: Wie klingt Elektronik?

            Holger, ich vertrete seit jeher zwei Ansichten, bzw. "Lager".

            Die eine ist die der perfekten Wiedergabe und da haben Verstärker die sounden "keine Lebensberechtigung". Es gibt so schon genug, das soundet (ungewollt!), da braucht man so etwas nicht auch noch.

            Die zweite ist die, die sich sozusagen um gar nichts scherst, es zählt nur das was gefällt.
            Solche Anlagen habe ich schon viele gehört und am Anfang meiner "HiFi-Karriere" auch besessen - bzw. selbst gebaut.
            Der "Schlüssel" zum Hörspass war immer der über große Membranflächen - und ohne Hörner im Mittel-/Hochtonbereich ging da auch kaum was.

            Wenn mir jemand sagt, dass er so etwas dem ganzen "perfekt wiedergebenden Kram" vorzieht, so habe ich dafür volles Verständnis.

            Kritisch wird es immer nur dann, wenn behauptet wird, dass fehlerbehaftete Anlagen "besser" wiedergeben als perfektionierte, weil das einfach Unsinn ist.

            Dürfte ich mir auf die berühmte einsame Insel nur eine der beiden Optionen mitnehmen, es wäre die "unperfekte", die mir möglichst viel Hörspass vermittelt.
            Und wenn schon so etwas wie "Studiomonitor", dann bitte ein Paar von dem hier, mit Equalizer davor:



            Wiedergabe selbstverständlich nur im Freien, jeder Art von "Raum" könnte mir gestohlen bleiben.

            Betreiben würde ich diese Kisten sogar passiv, mit einem" Verstärker, der nur seinen Zweck erfüllt. Bei dem Wirkungsgrad reicht bald was.
            Gruß
            David


            WEBSEITE HiFiAKTIV: Klick mich
            Einen "Audio-Laien" erkennt man daran, dass er sich viel mehr mit Audiokomponenten beschäftigt als mit Raumakustik, LS-Aufstellung und Hörplatzwahl.
            Auch Personen, die noch wenig Wissen auf diesem Gebiet haben, oder solche, die Rat und Hinweise von Erfahrenen suchen, sind hier richtig.
            Meine Auffassung von seriösen Vergleichstests: Klick mich - Die bisherigen Testergebnisse: Klick mich - Private Anlage: Klick mich - Wann gefällt mir ein Musikstück? - Klick mich
            Grundsätzlich: Behauptungen die mir bedenklich erscheinen, glaube ich nur, wenn sie messtechnisch nachvollziehbar sind und wenn sie mir in Form eines verblindeten Vergleichs bewiesen werden konnten.
            Eine Bitte an Alle: nicht ganze (noch dazu große) Beiträge zitieren und darunter einen kurzen Kommentar schreiben! Besser (beispielsweise): "Volle Zustimmung zu Beitrag 37".
            Wichtig: zumindest versuchen, beim Thema bleiben!

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              #81
              Naim

              Zitat von DAVID Beitrag anzeigen
              Holger, ich vertrete seit jeher zwei Ansichten, bzw. "Lager".

              Die eine ist die der perfekten Wiedergabe und da haben Verstärker die sounden "keine Lebensberechtigung". Es gibt so schon genug, das soundet (ungewollt!), da braucht man so etwas nicht auch noch.
              Hallo David,

              genau diese zwei „Parteien“ gibt es! Ich selber würde mich dem „Lager“ zurechnen, das „soundende“ Anlagen eher nicht mag. Die Frage ist allerdings, ob dieses „Lagerdenken“ nicht die Sachlage doch etwas zu sehr polarisierend vereinfacht. Wenn ich mich an meine Jugend- und Studienzeit erinnere, dann gab es da die NAD-Fans. Für die war meine Yamaha-Elektronik „steril“, „kühl“, wenig „musikalisch“. Gerade die „objektiven“ Eigenschaften, die „Neutralität“, die ich persönlich an meinem Yamaha-Verstärker geschätzt habe, wurde hier negativ bewertet. Was heißt das aber? Hier wird im Grunde eine ästhetische Wertung vorgenommen, der sich auch die vermeintlich „objektiven“ Klangeigenschaften gar nicht entziehen können. D.h. meine Art, „objektiv“ zu hören erscheint als ein Mangel an ästhetischer Reizqualität, wird als nicht ansprechend empfunden. Der „ästhetische“ Hörer wertet also ein Klangbild nicht nach der „Objektivität“, unterscheidet also auch nicht nach „subjektiv“ und „objektiv“, sondern ihn interessiert allein, ob es ihn anspricht, ihm Spaß am Musikhören vermittelt – und zwar ausnahmslos.

              Umgekehrt wertet der Hörer, der es gerne „objektiv“ haben möchte oder „realitätsgetreu“ wie immer man es nennen möchte, das „ästhetische“ Hören ab. Wenn wir sagen, eine Anlage „soundet“, dann unterstellt wir: sie schmeichelt, ist schönfärberisch, ist nicht „ehrlich“ etc.

              Wenn man aber von solchen Wertungen in der einen oder anderen Richtung mal absieht, dann wird man feststellen müssen, dass der Übergang von „sachlichen“ und „ästhetischen“ Qualitäten der Wiedergabe doch ein fließender und nicht so eindeutiger ist – da gibt es jede Menge Überschneidungen. Eine Elektronik kann objektiv präzise oder unpräzise im Bass klingen, mehr oder weniger Detailauflösung haben, die räumliche Abbildung kann mehr oder weniger deutlich sein. Aber was ist z.B. mit der „Klarheit“ der Wiedergabe. Ist da nicht schon eine ästhetische Wertung mit im Spiel (klar=rein)? Was ist mit der „Lebendigkeit“, der „Frische“? Das ist zweifellos ästhetisch, der „Kick“, das Anspringende. Was ist mit den Tonfarben, der Tonfülle (eher schlank oder satt)? Was ist mit der „Luftigkeit“? Was ist mit dem „Fluss“ des Geschehens? All das ist einerseits objektiv hörbar – aber es wird vornehmlich ästhetisch wahrgenommen und nicht „objektiv“ detektiert wie Basspräzision oder räumliche Abbildung.

              Wenn wir also ehrlich sind, dann gehört zu jedem Klangbild immer ein solcher „Sound“, d.h. wir bewerten den Klang nie „rein“ objektiv, sondern zumeist zugleich immer auch ästhetisch. Warum sollen wir deshalb eine Anlage, die „schön“ und nicht langweilig sondern lebendig klingt, abwerten? Wir mögen ein Bild, das mit frischen und sauberen Farben gemalt ist doch auch lieber anschauen, als eines mit schmutzigen und trüben. Und es ist klar, welches Bild wir dann vorziehen bei uns zuhause aufzuhängen, auch wenn in beiden die Zeichnung stimmt, die Gegenstände korrekt abgebildet werden.

              Und von daher stellt sich auch die Frage: Was ist „Perfektion“? doch etwas anders. Gehört zur perfekten Wiedergabe nicht auch der ästhetische Sound? Es ist ja nicht so, dass jede ästhetisch klingende Anlage im negativen Sinne „soundet“ wie diese schönfärberische Röhren-Elektronik, die ich in Bielefeld hörte. Was mich an diesem Röhren-Klang wirklich störte war natürlich nicht ihre unbestreitbare Qualität, dass sie „warm“ klang und satte Tonfarben vermittelte. Das sind ästhetische Eigenschaften, deren Eigenwert wohl kaum jemand per se abwertet. Was mir missfiel, war die Nivellierung. Es klang jede Aufnahe wie mit Schokoladensoße übergossen, alles annähernd gleich, so dass man die spezifischen Unterschiede der Aufnahmetechnik nicht mehr wahrnehmen konnte. Das ist dann ein nicht nur „objektiver“, sondern gerade auch ein ästhetischer Mangel – denn die Tontechnik hat letztlich selber ihre spezifische Klangästhetik, welche die Wiedergabeanlage auch vermitteln sollte.

              Bei Naim sieht die Sache aber etwas anders aus. Mit einem Naim-Vertreter hatte ich bei einer Vorführung von dessen Netzwerk-Player ein interessantes Streitgespräch. Ich hatte meinen Eindruck so wiedergegeben: Die Naim-Elektronik klingt luftig, flüssig, etwas milde in den Höhen, nie unangenehm, so dass man stets entspannt zuhören kann. Im Vergleich mit „deutscher“ Elektronik fällt auf, dass diese „irdischer“ klingend mehr auf Plastizität aus ist. Mit dem Naim klingen etwa Stimmen immer sehr angenehm und wirklich gewinnend, aber den Sängern fehlt auch etwas die körperliche Brustvolumen, die Körperlichkeit, die „Kraft“. Darauf meinte der Mensch von Naim: Ich würde „falsch“ hören, denn bei der Musik sei allein der „Fluss“ bei der Wiedergabe entscheidend.

              Darauf habe ich gekontert und ihm gesagt: Sie verwechseln ein „objektives“ Kriterium der Bewertung mit einem „ästhetischen“. Es ist unbestreitbar, dass die „Flüssigkeit“ der Wiedergabe einen ästhetischen Wert darstellt und der Entwickler von Elektronik darf diese Eigenschaft auch gezielt „optimieren“. Dann verkörpert solche Elektronik ganz bewusst eine bestimmte Klangästhetik. Das halte ich für legitim. Nur ist das nicht „richtig“ oder „falsch“ im objektiven Sinne. Vielleicht ist das – kulturell betrachtet – sehr „britisch“ wenn man an Charles Darwin denkt. Beim Musikhören will man auf der Insel nichts mehr vom alltäglichen „Kampf ums Dasein“ vernehmen und einfach schwerelos und völlig entspannt Musik hören. Dabei kann man der Naim-Elektronik aber nicht vorwerfen finde ich, dass sie „schönfärberisch“ im Sinne von nivellierend agiert. Die Unterschiede verschiedener Aufnahmetechniken sind sehr wohl wahrnehmbar. Nur scheint es so zu sein, dass die „Optimierung“ in dieser ästhetischen Richtung nur möglich ist mit einem gewissen „Verzicht“ in anderer Hinsicht. Luftigkeit und Flüssigkeit und Farbigkeit kann man nur haben, wenn man auf ein bestimmtes Quäntchen an Körperlichkeit und auch vielleicht Klarheit der Zeichnung verzichtet. Der folgende Test scheint das zu bestätigen: Auch technisch gesehen ist diese Elektronik nicht so ganz „schulmäßig“. Bezeichnend finde ich den Verweis des Testers auf Alfred Brendel, seine Betonung des „flüssigen“ Klavierspiels bei Schubert, was zeigt, dass es bei der Bewertung der „Qualität“ einer solchen Elektronik letztlich um Ästhetik und nicht technische Objektivität geht.

              ... und schließlich ist da der Naim ND5 XS, um den es in diesem Test geht und der den Einstieg in die Netzwerkerwelt der Briten darstellt.


              Aber für diese Naim-Elektronik spricht, dass selbst wenn man sie als „soundend“ empfinden mag, sie letztlich auch keine wirklich auffälligen Schwächen hat – insofern ist die Abstimmung für sich genommen sehr wohl „perfekt“: Der Bass ist zwar nicht überpräzise, aber auch nicht unpräzise, sondern behält eine gewisse akzeptable „Unschärfe“, welche nicht ins Gewicht fällt bei den anderen positiven und gewinnenden ästhetischen Eigenschaften, die bei dieser Abstimmung hörbar werden und worauf sie und der Liebhaber solcher Elektronik vor allem Wert legt. So etwas hinzubekommen ist durchaus eine „Kunst“. Man muss so etwas freilich nicht mögen – ich würde auch nie so eine Naim-Elektronik wirklich kaufen wollen – aber dieser Eigenklang der Elektronik hat seinen unbestreitbaren Reiz finde ich. Deren Liebhaber (wie meinen Bielefelder Händler, übrigens ein Pop-Hörer) kann ich sehr wohl verstehen. Ich erinnere mich an eine Lautsprecher-Hörsitzung beim Händler mit meinem Freund, der wie ich vom Klavier her kommt. So eine B&W 801 D rundet im Hochtonbereich, das ist bei Klaviermusik völlig evident. Also haben wir die Naim-Vorstufe rausgenommen und den Burmester-CD-Player direkt an die Endstufe angeschlossen. Der Rundungseffekt der B&W war nun deutlich weniger ausgeprägt, ich fand aber trotzdem den Klang mit Naim-Vorstufe farblich differenzierter und auch feiner. Ich bin mir nicht sicher, ob ich beim täglichen Hören – hypothetisch angenommen, ich besäße so eine Anlage – nicht die Naim-Vorstufe doch in der Kette drin gelassen hätte.

              Schöne Grüße
              Holger

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                #82
                AW: Naim

                Hallo!

                Nur einen Punkt herausgenommen.

                Zitat von Holger Kaletha Beitrag anzeigen
                ....
                Umgekehrt wertet der Hörer, der es gerne „objektiv“ haben möchte oder „realitätsgetreu“ wie immer man es nennen möchte, das „ästhetische“ Hören ab. Wenn wir sagen, eine Anlage „soundet“, dann unterstellt wir: sie schmeichelt, ist schönfärberisch, ist nicht „ehrlich“ etc....
                Ich habe schon ein paar mal gefragt wer "ihr", wer "wir",... ist, bisher habe ich leider noch keine Antwort erhalten.
                Jedenfalls wenn "wir" in dem Fall mich einschließt, dann ist das was du geschrieben hast falsch.

                Ab gesehen davon.
                Deine ganze Beschreibung unterliegt einem Grundproblem.
                Und zwar gibt es ohne Tonträger keine "ästhetische" Beurteilung. Es ist reine Stille die eine Anlage ohne Tonträger "produziert".


                I.d.R. gibt es also einen unbekannten Tonträger der auf einer unbekannten Anlage gehört wird.
                Hier frage ich mich dann wie man nur eines davon beurteilen will?


                Für mich kommt also nur ein Weg in Frage:
                Eine möglichst neutrale - technische - Anlage.

                Erst damit ist ein ästhetisches Urteil des Tonträgers - dem Kunstprodukt - möglich.

                mfg

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                  #83
                  AW: Wie klingt Elektronik?

                  Wenn ich mich an meine Jugend- und Studienzeit erinnere, dann gab es da die NAD-Fans. Für die war meine Yamaha-Elektronik „steril“, „kühl“, wenig „musikalisch“
                  Ich kenne beide Seiten, habe lange Jahre Elektronik beider Hersteller verwendet. Klangliche Unterschiede zwischen den beiden Herstellern konnte ich nie heraushören. Beide Hersteller haben sehr gute Hifi-Elektronik zu einem vernünftigen Preis geboten, bei NAD ist das heute - seit NAD an einen kanadischen Investor gegangen ist - leider ein bisschen anders. Yamaha dagegen ist immer noch uneingeschränkt zu empfehlen...

                  Gruß

                  RD

                  Kommentar


                    #84
                    AW: Wie klingt Elektronik?

                    Hallo Holger!
                    Danke für deine ausführlichen Erklärungen, die ich dir durchaus "abnehme", sind ja alles Empfindungen, die normal sind.

                    Aber!

                    Es ist ein Fehler, einmal dort und einmal da zu hören, immer unter völlig unterschiedlichen Umständen, mit unterschiedlich zusammengestellten Ketten, mit unterschiedlichen Pegeln, womöglich noch mit unterschiedlicher Musik.....und dann zu bewerten, denn man kann auf diese Art nie sagen, woran es (bzw. etwas) tatsächlich lag.

                    Um eine Komponente zu beurteilen (von mir aus kann das auch die komplette Elektronik eine Herstellers sein), darf nur sie als Einziges getauscht werden und alles Andere muss ganz genau gleich bleiben.

                    Will man dazu noch Suggestion ausschalten, muss verblindet gehört werden (Wiederholung die gefühlte Millionste). Exakt gleicher Pegel (elektrisch gemessen!) ist eine Grundvoraussetzung.
                    Gruß
                    David


                    WEBSEITE HiFiAKTIV: Klick mich
                    Einen "Audio-Laien" erkennt man daran, dass er sich viel mehr mit Audiokomponenten beschäftigt als mit Raumakustik, LS-Aufstellung und Hörplatzwahl.
                    Auch Personen, die noch wenig Wissen auf diesem Gebiet haben, oder solche, die Rat und Hinweise von Erfahrenen suchen, sind hier richtig.
                    Meine Auffassung von seriösen Vergleichstests: Klick mich - Die bisherigen Testergebnisse: Klick mich - Private Anlage: Klick mich - Wann gefällt mir ein Musikstück? - Klick mich
                    Grundsätzlich: Behauptungen die mir bedenklich erscheinen, glaube ich nur, wenn sie messtechnisch nachvollziehbar sind und wenn sie mir in Form eines verblindeten Vergleichs bewiesen werden konnten.
                    Eine Bitte an Alle: nicht ganze (noch dazu große) Beiträge zitieren und darunter einen kurzen Kommentar schreiben! Besser (beispielsweise): "Volle Zustimmung zu Beitrag 37".
                    Wichtig: zumindest versuchen, beim Thema bleiben!

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                      #85
                      AW: Wie klingt Elektronik?

                      Meine persönliche Erfahrung ist die, dass mich jede in irgend einer Form gesoundete Anlage nach einiger Zeit genervt hat. Das war die Zeit der Suche. Erst mit der vorletzten Anlage plus Akustikmaßnahmen kam ich dem Ziel einer gewissen Realitätsnähe entgegen (Canton Digital1). Meine derzeitige ''volldigitale'' tw. DIY Aktivanlage mit für den Raum optimierten Lautsprechern beschert mir die neutral/stressfreie Musikwiederegabe quer durch alle Richtungen wie ich sie mir vorstelle - ohne zu nerven. Das Maß aller Dinge ist der Tonträgerinhalt ....

                      LG, dB
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                        #86
                        AW: Wie klingt Elektronik?

                        Zitat von DAVID Beitrag anzeigen
                        Es ist ein Fehler, einmal dort und einmal da zu hören, immer unter völlig unterschiedlichen Umständen, mit unterschiedlich zusammengestellten Ketten, mit unterschiedlichen Pegeln, womöglich noch mit unterschiedlicher Musik.....und dann zu bewerten, denn man kann auf diese Art nie sagen, woran es (bzw. etwas) tatsächlich lag.
                        Auch meine Ansicht. Es darf jeweils nur ein Parameter verändert werden, sonst kann man nichts vergleichen, unabhängig davon, ob verblindet oder nicht.

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                          #87
                          AW: Wie klingt Elektronik?

                          Zitat von Dezibel Beitrag anzeigen
                          Das Maß aller Dinge ist der Tonträgerinhalt ....
                          Ich denke, Dezibel, Du meinst damit was überhaupt an Musik drauf ist, wie gut diese einem gefällt, zunächst einmal unabhängig von der Qualität. So ist es zumindest bei mir, die Musik ist mir wichtiger als die Qualität. Lieber etwas ganz schönes zur gewollten Zeit hören als darauf verzichten zu müssen wenn die Qualität nicht so ganz stimmen sollte. Liegen wir da in unseren Meinungen gleich?

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                            #88
                            AW: Wie klingt Elektronik?

                            Ich denke, Dezibel, Du meinst damit was überhaupt an Musik drauf ist, wie gut diese einem gefällt, zunächst einmal unabhängig von der Qualität. So ist es zumindest bei mir, die Musik ist mir wichtiger als die Qualität. Lieber etwas ganz schönes zur gewollten Zeit hören als darauf verzichten zu müssen wenn die Qualität nicht so ganz stimmen sollte. Liegen wir da in unseren Meinungen gleich?
                            Jein - wenn ich irgend wo etwas ungekanntes höre das mir gefällt werde ich es mir kaufen und zu Hause hören - erst das ist das Tüpfelchen am ''i'' ... wobei ich technisch-qualitativ gar wohl unterscheide zwischen ''Oldies'' und neueren Produktionen. Bei Oldies lege ich mehr Wert auf die Musik, bei neueren Produktionen sollten Musik und Aufnahmetechnik im Paket stimmig sein ....

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                              #89
                              AW: Wie klingt Elektronik?

                              aus meiner sicht nimmt die qualität den 2. rang ein - solange sie den musikgenuss nicht entscheidend und nervend beeinträchtigt.
                              ich hab schon auf so vielen anlagen mit genuss musik gehört - auch in settings, bei denen jeder messfreak vor grauen aufgeschrien hätte - weil das wesentliche rüberkam.
                              allerdings versteh ich sehr gut das verlangen nach einer optimalen, zweifelsfreien lösung.
                              gruß reinhard

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                                #90
                                AW: Wie klingt Elektronik?

                                Reinhard, nicht jeder der seine Anlage, resp. Lautsprecher bis Akustik einmisst ist ein Messfreak. Ich habe hier bei mir seit mehr als drei Jahren nix gemessen - ich höre ganz einfach mit Hochgenuss Musik. Misst jemand jahrelang täglich oder wöchentlich herum und schraubt ständig daran - ja ... äh ... das ist dann m.E. ein Messfreak :F: ....

                                LG, dB
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