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Was haben ältere Aufnahmen, was neue nicht haben?

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    #31
    Zitat von Dr. Holger Kaletha Beitrag anzeigen
    als Kontrapunkt ist dieser Beitrag schon mal nicht schlecht! Wir wollen ja keinen Nostalgie-Kitsch ausbreiten!
    Zugegeben, ist Posting war
    a) etwas provokativ formuliert und
    b) wahrscheinlich ein wenig am Thema vorbei.

    Zu letzterem: sorry, ich habe erst bei nochmaligem Lesen des Eingangsthreads mitbekommen, dass Gerhard keine "historischen" Aufnahmen - also solche aus der Schellack und Anfangszeit der Schallplattenaufnahmen meinte - sondern durchaus schon "moderne" aus dem fünziger bis siebziger Jahren. Ob Gerhards Beobachtung stimmt, weiss ich nicht. Ich selber habe bei meinen geschätzt ca. 2000 CD´s mit klassischer Musik nicht sooooviele aus dieser Zeit. Das liegt aber auch daran, dass ich erst seit den achtzigern verstärkt klassische Musik höre (vorher eher Jazz und Rock/Pop).

    Ob die Vermutung von Franz zutrifft, dass die Aufnahmen klanglich besser sind, wage ich zu bezweifeln. Es gab und gibt imo zu allen Zeiten gute und weniger gute Aufnahmen. Ich wüßte jetzt auch nicht, wie man das objektiv beurteilen sollte, zumal die bereits die Auffassungen darüber, was eine gute Aufnahme ist, vom subjektiven Hörempfinden abhängen und nur in ganz seltenen Fällen man zu einer übereinstimmenden Wertung kommen dürfte.

    Deshalb könnten wir jetzt einfach Schluss machen.

    Andererseits bietet das Thema natürlich auch andere Facetten, die du ja angesprochen hast.

    Zitat von Dr. Holger Kaletha Beitrag anzeigen
    Aber da muß ich sagen: Je feinauflösender und klarer der Klang der Anlage, desto besser klingen auch diese problematischen Aufnahmen. Hier zeigt sich die wahre Qualität - nicht bei den superhifidelen Aufnahmen!
    Überspitzt formuliert: je besser die Anlage, desto besser kann ich die Kieckser, das Knacken und Rauschen der historischen Aufnahme hören....

    Nein: wahrscheinlich habe ich dann keine feinauflösende Anlage, aber mir bereiten solche Aufnahmen aus den Anfängen der Plattenproduktion kein echtes Vergnügen.

    Wahrscheinlich liegt unsere unterschiedliche Empfindung aber auch an den verschiedenen Hörerfahrungen und -erwartungen. Ich würde mich selber als "Genuss"-Hörer bezeichnen, mir sind vergleiche mit anderen Aufnahmen nicht so wichtig - auch wenn ich sie manchmal ganz gerne anstelle. Du gehst mit einem ganz anderen Impetus an die Musik heran, was ja auch dein gutes Recht ist.

    Zitat von Dr. Holger Kaletha Beitrag anzeigen
    Da nenne doch mal Beispiele! Ist die Callas nur noch von historischem Wert, der Furtwängler, der Rubinstein von 1950, der Menuhin oder der Heifetz, der Casals?
    Selbst wenn sie auch heute noch von einem gewissen künstlerischen Wert sind, heißt das ja nicht, dass ich klassische Musik nur noch von solchen Heroen der Vergangenheit hören darf. Das wäre ja schrecklich ! Wo blieben denn dann die jungen Künstler, wie etwa eine Sol Gabetta, ein Müller-Schott und Wen Sinn-Yang oder ein Rafal Blechazs und andere junge Künstler !

    Ich denke, man kann heute getrost gute Musiker mit guter klassischen Musik genießen, ohne die Altvorderen kennen zu müssen. Entscheidend ist letztlich, ob einem die Musik gefällt und dann ist es völlig egal, ob sie bereits vor fünfzig Jahren aufgenommen wurde, oder erst letztes Jahr.

    Zitat von Dr. Holger Kaletha Beitrag anzeigen
    Was tut sich denn da wirklich Weltbewegendes, wenn man mal die Neuproduktionen solcher etablierter Größen wie Pollini, Perahia, Boulez, Abbado usw. abzieht, die schon seit Jahrzehnten immer wieder herausragende Aufnahmen produzieren? Klar, ich kaufe mir auch gleich jede neue Platte von Volodos (es kommt in den nächsten Tagen wieder eine!). Aber der spielt nun mal keinen Beethoven. Dazu brauche ich Gilels oder ABM oder W. Kempff oder Arrau - Lang Lang kann man da ja nicht genießen. Und ist denn das, was Helene Grimaux z.B. gemacht hat, wirklich weltbewegend?
    Na ja, jetzt willst du mich nur herausfordern, einen jüngeren Pianisten zu benennen, der auch Beethoven einspielt, um mir dann aufzuzeigen, dass das, was er da speilt in keinster Weise mit Gilels et.al. vergleichbar ist. Da muss ich dich enttäuschen: ich kenne gerade die Klavierwerke von Beethoven fast gar nicht.

    Aber generell bestätigt das ja meine o.g. Vermutung, dass du aus völlig anderen Motiven und mit einem ganz anderen Hintergrund klassische Musik hörst. Nochmal: das ist ja dein gutes Recht. Man kann es aber nicht verallgemeinern.

    Mit einer solchen Meinung verschreckt man imo auch solche Hörer, die gerne klassische Musik hören möchten, aber sich nicht trauen, weil sie meinen, man müsse zumindest ein abgeschlossenes Musikstudium haben, damit man eine theoretische Grundlage bekommt, bevor man die richtigen Vergleiche ziehen kann.

    Ich bin froh, dass ich das Buch von Steffen Möller gelesen habe, der betont, dass er zwar ein Instrument gelernt hat, aber seine musiktheoretischen Kenntnisse aus dem fleissigen Lesen von Booklets bezieht und trotzdem gerne - wenn nicht schon übertrieben gerne - klassische Musik hört. Diese Form von Spass-hören finde ich einfach gut !

    Zitat von Dr. Holger Kaletha Beitrag anzeigen
    Es gibt wirklich "zeitlose" Aufnahmen, die einfach nicht altern. Das war immer so und wird in Zukunft auch so sein. Alles andere kann man dann wirklich vergessen!
    Ist das so ? Ich würde dir zustimmen, dass es Aufnahmen gibt, die noch nicht gealtert sind und von denen wir uns wünschen, dass sie zeitlos sind. Aber ob sie tatsächlich über den Tag hinaus gehört werden, wissen erst unserer Enkel und Urenkel.

    Du als Musikhistoriker müßtest doch am ehesten wissen, wie zeitgebunden Interpretationen von Musikwerken sind. Da sollte es doch keine Überraschung sein, dass auch Aufnahmen von Musikwerken die heute noch hochgelobt werden, in naher Zukunft ausser Mode sind. Und das betrifft eigentlich alle Aufnahmen, egal wann sie entstanden sind.

    Und ausserdem: auch wenn es diese Aufnahmen gibt, kann ich an einer nicht so guten aus neuerer Zeit wenigstens genauso gut meinen Spass haben ! Mag Hamelin nicht so gut die Sonaten von Chopin eingespielt haben, wie Pollini oder ABM: mir hat es gefallen und gefällt es noch (zum Glück bin ich nicht der einzige; sonst würde ich mir ernstlich Gedanken über meinen - fehlenden - Geschmack machen...).

    Aber jetzt sind wir endlich wieder völlig OT, oder ?

    Viele Grüße, Bernd

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      #32
      Zitat von Gerhard Beitrag anzeigen
      Hallo Bernd!

      Ich glaube da liegt ein Mißverständnis vor: Ich meinte nicht irgendwelche nicht hörbaren Aufnahmen von vor irgendwann sondern Aufnahmen von Mitte der 50 er Jahre Weg bis Ende der 70er Jahre (siehe Eingangsbeitrag).
      ...
      Stimmt ! Habe ich auch gerade gemerkt, Sorry ! Vielleicht sollte ich einfach häufiger mal die Postungs richtig lesen oder die Klappe halten *schäm* !

      Wie ich gerade eben schrieb, kann ich deine Beobachtung nicht so ganz nachvollziehen. Ich habe aus dieser Zeit eher weniger Aufnahmen, als jüngere.

      Wobei ich mit meinen Empfehlungen aber nicht sagen wollte, das es keine neueren gibt, die auch sehr gut sind, Antonio Meneses etwa, oder Wen Sinn Yang.

      Es gibt einfach so viele Aufnahmen der Suiten; da fällt es mir immer schwer, eine eindeutige Empfehlung auszusprechen (zumal ich wahrscheinlich gar nicht alle kenne).

      Viele Grüße,

      Berbd

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        #33






        Das sind alles alte Aufnahmen klassischer Musik auf Schallplatten. Die mittlere Mozart in der unteren Reihe klingt z. bsp aussergewöhnlich gut. Nicht unbedingt wegen der Klangqualität, wenn man sie mit den heutigen Möglichkeiten vergleicht, aber wegen der in sich geschlossenen charmanten, farbigen Töne, o h n e störendes, vorlautes Knistern ... hingegen die letzte Aufnahme in der gleichen Reihe, Paganini, die ist zu stark verknistert, da wird das Hören ein wenig kompliziert.
        Die erste in der gleichen Reihe klingt wieder ganz besonders gut. Alle Platten in der mittleren Reihe klingen ebenfalls ganz ausgezeichnet. Die Kathleen Ferrier Aufnahmen sind einzigartig und schön. Vielleicht gar deswegen, weil sie nicht so modern erscheinen. Diese Lieder haben Charme und der Klang der Aufnahmen ist wunderbar. Wilhelm Bacḱhaus Klavier tönt so klar und plastisch, das ist sehr erstaunlich, das Schallplatten sowas bieten können.
        So ist das auch mit den übrigen Platten. Natürlich ist nicht jede Platte, nur weil sie gut erhalten ist, mit dem jedesmal gleich beeindruckenden Klang ausgestattet. Es kommen aber in meinen Ohren immer Platten zum Vorschein, die ragen irgendwie aus der Flut der Tonaufzeichnungen hervor. Egal aus welchem Genre. Mir behagt, mit diesen zum großen Teil sehr günstig ersteigerten Platten mit klassischer Musik näher in Berührung kommen zu können. Meine Kenntnisse sind gering, auch deswegen lese ich hier gerne mit und bin immer wieder erstaunt über die Vergleicher der verschiedenen Interpretationen. Hören zu können, wie ein Musiker sich auf angemessene Weise, was auch immer das heissen mag, dazu muss man sich ja erst mal einen Überblick verschaffen, mit den 'Werken' umgeht, bedeutet: ich muss noch ne Menge hören.
        Die CDs haben das jedenfalls noch nicht geschafft, von wenigen Ausnahmen abgesehen. In meinen Ohren bewirken ältere Aufnahmen etwas wie eine Resonanz auf etwas mir schon bekanntes, das ich aber nicht genau in meiner erlebten Vergangenheit lokalisieren kann. Da ist was, diese Musik verschafft mir einen Ort der Besinnung. Das geht mir auch mit anderer Musik so ähnlich. Im Grunde bin ich damit nicht nur einverstanden, das befördert meine Suche, oder meine Hörlust Musik zu entdecken, die mir unbekannt ist. Unbekannt heißt, Neues ist mir möglicherweise unbekannt, aber eben auch altes aus der Vergangenheit. Viel wird empfohlen und mir gefällt es, wenn ich abseits von den lobenden Worten auch was entdecken kann, was in den Rillen alter Schallplatten steckt. Wenn die dann gut klingen, was nicht immer der Fall ist, kann mich selbst die Musik unterhalten, die im Grunde sogar genau zu diesem Grunde eingespielt worden ist. Operetten. Wie im blauen Bock. Das ist schon schräg. Ich rechne die einfach mal in die Kategorie - Klassik, klassische Meisterwerke - mit rein, sonst bekomme ich nicht die Kurve. Man glaubt kaum, welche Amseln in Operetten ihre Stimme verleihen.

        .
        Last.fm Was ich zuletzt gehört habe ...

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          #34
          Zitat von zatopek Beitrag anzeigen
          Ob die Vermutung von Franz zutrifft, dass die Aufnahmen klanglich besser sind, wage ich zu bezweifeln. Es gab und gibt imo zu allen Zeiten gute und weniger gute Aufnahmen.
          Hallo Bernd,

          das ist wohl richtig. Aber es ist eben nicht so, daß - der "Fortschrittsglaube" - Aufnahmen von 1990 oder 2000 klangtechnisch immer besser sein müßten als solche von 1960 oder 1970. Ich habe heute z.B. das "Lied von der Erde" gehört, die "Living Stereo"-Aufnahme (RCA) von Rritz Reiner. (Ich schreibe da auch noch etwas darüber im anderen Thread.) Ich habe dann den Vergleich gemacht wegen der Technik: Die Reiner-A. ist von 1957, Klemperer (EMI) ist von 1967 und dann habe ich noch Levine von 1992 (DGG (digital) aus der Berliner Philharmonie) herangezogen. Die beiden alten Aufnahmen sind klangtechnisch hervorragend - die schwächste ist eindeutig die "modernste" digitale von Levine! Paradox aber wahr! So eine Aufnahme zu machen, ist ein Kunstwerk. Da gehört mehr dazu, als einfach nur die Mikros hinzustellen und die Bandmaschine anzuwerfen. EMI hatte Ende der 50iger diesen berühmten Walter Legge als Aufnahmeleiter. Der Mann war ein Genie. Nicht ohne Grund sind die Aufnahmen so gut. Als Walter Legge EMI später verließ, ging es mit der Klangqualität hörbar deutlich bergab!

          Zitat von zatopek Beitrag anzeigen
          Deshalb könnten wir jetzt einfach Schluss machen.
          Warum denn? Es ist doch sehr interessant!

          Zitat von zatopek Beitrag anzeigen
          Überspitzt formuliert: je besser die Anlage, desto besser kann ich die Kieckser, das Knacken und Rauschen der historischen Aufnahme hören....

          Nein: wahrscheinlich habe ich dann keine feinauflösende Anlage, aber mir bereiten solche Aufnahmen aus den Anfängen der Plattenproduktion kein echtes Vergnügen.
          Deine Anlage ist bestimmt nicht schlecht. kann ich mir bei T&A-Elektronik nicht vorstellen. Es ist genau anders - weiß ich aus eigener Erfahrung, wenn man Geräte tauscht. Bei der durchschnittlich guten Anlage kann man das musikalische Geschehen von den Knacksern, dem Rauschen usw. nicht ablösen. Das verschwimmt alles ineinander. Die hochauflösende schafft es, daß man sich auf die Musik fokussieren kann.

          Zitat von zatopek Beitrag anzeigen
          Wahrscheinlich liegt unsere unterschiedliche Empfindung aber auch an den verschiedenen Hörerfahrungen und -erwartungen. Ich würde mich selber als "Genuss"-Hörer bezeichnen, mir sind vergleiche mit anderen Aufnahmen nicht so wichtig - auch wenn ich sie manchmal ganz gerne anstelle. Du gehst mit einem ganz anderen Impetus an die Musik heran, was ja auch dein gutes Recht ist.
          Ich vergleiche auch nicht immer! Wenn eine Aufnahme wirklich stimmig ist, dann braucht man sich nicht an andere zu erinnern, sonder beschäftigt sich nur mit dieser. Nur wenn etwass "daneben" geht, dann fängt man an zu denken: "Das hätte er doch besser gemacht wie...."

          Zitat von zatopek Beitrag anzeigen
          Selbst wenn sie auch heute noch von einem gewissen künstlerischen Wert sind, heißt das ja nicht, dass ich klassische Musik nur noch von solchen Heroen der Vergangenheit hören darf. Das wäre ja schrecklich ! Wo blieben denn dann die jungen Künstler, wie etwa eine Sol Gabetta, ein Müller-Schott und Wen Sinn-Yang oder ein Rafal Blechazs und andere junge Künstler !

          Ich denke, man kann heute getrost gute Musiker mit guter klassischen Musik genießen, ohne die Altvorderen kennen zu müssen. Entscheidend ist letztlich, ob einem die Musik gefällt und dann ist es völlig egal, ob sie bereits vor fünfzig Jahren aufgenommen wurde, oder erst letztes Jahr.
          Die ersten Erfahrungen sind meist prägend. Viele Menschen, die klassische Musik kennenlernen möchten, suchen Rat, lesen Kritiken, fragen kompetente Fachverkäufer im CD-Laden etc. Wenn sich jemand gleich am Anfang vergreift, etwa eine ganz schreckliche Aufnahme von Schumann kauft, dann kann es passieren, daß er sich nie mehr mit Schumann in seinem Leben beschäftigen wird, was sehr schade wäre, eine verpaßte Chance! Das kann ich als kompetender Berater verhindern, indem ich ihm solche exemplarische Aufnahmen empfehle, wo er einen Zugang zu dieser Musik finden kann. Wenn es dann trotzdem nicht passiert, dann kommt er tatsächlich mit dieser Musik nicht zurecht. Das muß er ja auch nicht. Aber dann liegt diese erfolglose Begegnung nicht an einer "falschen" Interpretation.

          Ich habe damals wie Du weißt diesen Film über Lisa Bathiashvili gesehen und war spontan begeistert, habe gleich die Platte gekauft. Das passiert mir natürlich auch! Und auch Blechacz ist eine vielversprechende Begabung. Die Chopin-Konzerte würde ich auch jedem Anfänger vorbehaltlos empfehlen. Die Platte mit Beethoven und Mozart ist vom pianistischen Niveau her auch außergewöhnlich gut, aber als Einstieg nicht zu empfehlen. Wer Mozart über Beethoven über die Platte kennenlernt, der wird mit ihnen nicht warm werden. Da fehlt einfach zu vieles, was Blechacz noch lernen muß!

          Zitat von zatopek Beitrag anzeigen
          Na ja, jetzt willst du mich nur herausfordern, einen jüngeren Pianisten zu benennen, der auch Beethoven einspielt, um mir dann aufzuzeigen, dass das, was er da speilt in keinster Weise mit Gilels et.al. vergleichbar ist. Da muss ich dich enttäuschen: ich kenne gerade die Klavierwerke von Beethoven fast gar nicht.

          Aber generell bestätigt das ja meine o.g. Vermutung, dass du aus völlig anderen Motiven und mit einem ganz anderen Hintergrund klassische Musik hörst. Nochmal: das ist ja dein gutes Recht. Man kann es aber nicht verallgemeinern.
          Ich weiß nicht, von welchem Pianisten dieses schöne Wort stammt: Wir Interpreten sind eigentlich verrückte Menschen, wir spielen ein Leben lang immer wieder dieselben Sachen. Genauso ist es beim Hören. Wenn man etwas öfter hört, dann möchte man das, was man so gern hat und immer wieder hört, einfach besser verstehen. Dann begnügt man sich nicht mit dem "Genußhören". Das birgt dann nämlich die Gefahr des Überdrusses in der Wiederholung der Wiederholung.

          Zitat von zatopek Beitrag anzeigen
          Mit einer solchen Meinung verschreckt man imo auch solche Hörer, die gerne klassische Musik hören möchten, aber sich nicht trauen, weil sie meinen, man müsse zumindest ein abgeschlossenes Musikstudium haben, damit man eine theoretische Grundlage bekommt, bevor man die richtigen Vergleiche ziehen kann.
          Nee! Auch Musikliebhaberei ist eine Form von Bildung, die mit Wissenschaft wenig zu tun hat. Ich selbst habe z.B. das Buch über Beethovens Klaviersonaten von Jürgen Uhde. Da gibt es jede Menge Analysen, von denen man einfach nichts hat, weil dieser Mensch sich oft nicht um solche Fragen kümmert wie: Was steckt denn hinter dieser Form für eine musikalische "Idee"? Der Musikliebhaber kommt da u.U. viel weiter, weil er nach dem Sinn des Ganzen sucht, statt sich in Gelehrtenmanier in lauter Details zu verfransen.

          Zitat von zatopek Beitrag anzeigen
          Ich bin froh, dass ich das Buch von Steffen Möller gelesen habe, der betont, dass er zwar ein Instrument gelernt hat, aber seine musiktheoretischen Kenntnisse aus dem fleissigen Lesen von Booklets bezieht und trotzdem gerne - wenn nicht schon übertrieben gerne - klassische Musik hört. Diese Form von Spass-hören finde ich einfach gut !
          Viele Booklets sind ja auch wirklich gut gemacht!

          Zitat von zatopek Beitrag anzeigen
          Ist das so ? Ich würde dir zustimmen, dass es Aufnahmen gibt, die noch nicht gealtert sind und von denen wir uns wünschen, dass sie zeitlos sind. Aber ob sie tatsächlich über den Tag hinaus gehört werden, wissen erst unserer Enkel und Urenkel.
          Aber schon heute schälen sich Aufnahmen heraus, die immer noch aktuell sind, die weit mehr verkauft werden als viele neue. Das ist eine Tendenz. Man darf auch nicht vergessen, daß die ausübenden Musiker auch mit entscheiden, was gehört wird. Die nämlich beschäftigen sich auf jeden Fall mit den "Großen". Krystian Zimerman z.B. studiert jede Aufnahme aus der Vergangenheit, bevor er eine eigene herausgibt. Das sagt er auch öffentlich und schwärmt dann z.B. von Rachmaninows Interpretation seiner eigenen Werke.

          Zitat von zatopek Beitrag anzeigen
          Du als Musikhistoriker müßtest doch am ehesten wissen, wie zeitgebunden Interpretationen von Musikwerken sind. Da sollte es doch keine Überraschung sein, dass auch Aufnahmen von Musikwerken die heute noch hochgelobt werden, in naher Zukunft ausser Mode sind. Und das betrifft eigentlich alle Aufnahmen, egal wann sie entstanden sind.
          Zeitgebundenheit und Zeitlosigkeit schließen sich überhaupt nicht aus, im Gegenteil. Jeder, der Debussy und Ravel mag, wird die historischen Aufnahme von Walter Gieseking kennen- und schätzen lernen. Das heißt aber nicht, daß man heute Debussy und Ravel genauso spielen muß wie Gieseking damals. Das macht aber nichts - sie bleibt trotzdem exemplarisch. Das ist einfach ein musikalischer Gipfel. Und es wird niemand geben, der nicht etwas von Gieseking mitnehmen wird!

          Zitat von zatopek Beitrag anzeigen
          Und ausserdem: auch wenn es diese Aufnahmen gibt, kann ich an einer nicht so guten aus neuerer Zeit wenigstens genauso gut meinen Spass haben ! Mag Hamelin nicht so gut die Sonaten von Chopin eingespielt haben, wie Pollini oder ABM: mir hat es gefallen und gefällt es noch (zum Glück bin ich nicht der einzige; sonst würde ich mir ernstlich Gedanken über meinen - fehlenden - Geschmack machen...).
          Natürlich! Aber ich habe auch schon Menschen kennengelernt, die dann irgendwann eine wirklich exemplarische Aufnahme gehört haben und dann sagten: Früher habe ich gar nicht geahnt, was das für eine Musik ist und sie jetzt zum ersten Mal richtig gehört o.ä.! Das kann Dir natürlich auch passieren!

          Beste Grüße
          Holger
          Zuletzt geändert von Gast; 13.01.2010, 20:49.

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            #35
            Hallo Holger!
            Hallo Babak!

            Besten Dank für Eure Antworten zu meinen Fragen, die mir weiter geholfen haben.

            Holger!

            Zu Deinem letzten Beitrag: Durch Deine Empfehlungen - wie Du weißt - ist bei mir die Soloklaviermusik zu Leben erweckt worden, Beethoven, Chopin, Debussy, Ravel, Liszt, Schumann, Schubert .... mit Arrau, Horowitz, Pollini, ABM, Berman, Gieseking, Rubinstein... - Meisterwerke in Meisterinterpretationen. Für mich waren diese Interpreten früher bloße Namen, ich dachte auch immer, die Pianisten von heute (wobei natürlich von den genannten ist Pollini ein Pianist von heute) können das doch auch alle sehr gut - ´kaufte sie, hörte sie einmal und dann nur noch sehr selten oder nie wieder. Jetzt höre ich die Klaviermusik mit den von Dir empfohlenen Aufnahmen regelmäßig, mit Freude und Begeisterung.

            Herzliche Grüsse

            Gerhard

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              #36
              Ein schönes Beispiel dafür, was ältere Aufnahmen haben, was neue nicht haben, erlebte ich gerade: Ich hörte Wilhelm Furtwänglers Interpretation von Bruckners 5. Symphonie mit den Berliner Philharmonikern - die Aufnahme ist mitten aus dem Inforno des 2. Weltkriegs: Aufnahmedatum 28.10.1942!

              Allein schon die historische Situation ist unvergleichlich und unwiederholbar. Ein Konzert mitten im Krieg - es war nicht ungefährlich angesichts der Bombenangriffe der Alliierten. Aber man wollte für diesen Moment die Kriegssituation vergessen und sich ganz nur auf die Musik konzentrieren. Das merkt man Furtwängler an. Das ist ein langes Stück - dauert 67 Minuten! Aber die zeit wird einem keine Sekunde lang. Eine knisternde Spannung von Anfang bis Ende. Und dann diese sprechenden Pausen! Atemberaubend, fast schon bestürzend! Das Orchester spielt unglaublich souverän, die Klangstaffelung ist perfekt, das Ganze hochexpressiv und bis ins letzte Detail schlüssig. Bruckner ist kein leichter Komponist, sehr sperrig. Da findet man nicht so leicht einen Zugang. Ich kenne kaum eine Aufnahme, die einem so plastisch diesen Bruckner in seiner ganzen Rätselhaftigkeit und Fazination vorführt. Die regt zum Nachdenken wahrlich an! Hier kann man einen Zugang zu dieser Welt Bruckners finden - bei vielen anderen Aufnahmen nicht!

              Die Aufnahme-Technik: Der Sender Rias-Berlin war damals schon sehr weit - sie haben sogar mit Stereo experimentiert. Hier hat man Mono - aber glasklar, zwar etwas beengt, aber das macht nichts. Die Aufnahmetechnik ist so gut, daß man sie schlicht vergißt. Alles, was diese Interprastion sagt, kann sie vermitteln. Sie verzerrt nichts, es fehlt nichts. Eine Sternstunde der Konzertgeschichte undKonzertaufnahme überhaupt! Da sage ich ohne zu zögern: Eine Aufnahme für die Ewigkeit! Wer sich dem verweigern will, weil es nicht modern hifidel ist, ist es selber schuld!

              Beste Grüße
              Holger

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                #37
                Zitat von Gerhard Beitrag anzeigen
                Ich bin immer erstaunt, welchen Bestand für mich aber auch für andere Musikfreunde ältere Aufnahmen (Ende 1950er Jahre, 1960er, 1970er Jahre) haben, Aufnahmen dieses Datums machen in so mancher Klassiksammlung einen überdurchschnittlichen Anteil aus.
                So ist es. Selbst bei sehr großen Sammlungen. Ich kenne Sammler, die sich für neue Produktionen gar nicht mehr interessieren. Wobei ich mich immer nur auf Opernaufnahmen beziehen kann.

                Allerdings fehlt den Plattenfirmen heute auch das Geld, früher wurden einfach mehr hochwertige Studioaufnahmen produziert.

                Zitat von Gerhard Beitrag anzeigen
                Das obwohl das heute zur Verfügung stehende Notenmaterial näher am "Urtext" des Komponisten ist
                Das kann man so generell keinesfalls sagen. Nehmen wir zum Beispiel Verdi-Aufnahmen. Keine Einspielung aus heutiger Zeit wäre näher am "Urtext" als die vorliegenden, klanglich leider meist sehr schlechten Toscanini Aufnahmen. Arturo Toscanini wird meiner Meinung nach allgemein zu wenig Beachtung gezollt. Vor allem die Tatsache, dass er so etwas wie ein "Missing Link" hin in die Aufführungspraxis einer Zeit ist, die uns mithin einige der größten Werke der Opernliteratur geschenkt hat, findet kaum Beachtung. Toscanini war als Orchestermusiker bei den Uraufführungen von Otello und Falstaff dabei, stand in regem Ausstausch mit dem Maestro und hat Verdis Requiem bei dessen Beerdigung dirigiert.
                Noch enger war seine persönliche Freundschaft mit Puccini. Die meisten seiner großen Opern hat er als Dirigent uraufgeführt.

                Wie erschütternd ist es immer wieder, das Bohéme-Finale in seiner Studioaufnahme mit dem NBC Orchestra zu hören. Nicht nur, dass Toscanini trotz der Studiomikrofone meisten laut zur Musik mitsummt, beim Tode Mimis weint er sogar hemmungslos während der Aufnahme!

                Näher am Urtext geht's nimmer!

                Zitat von Gerhard Beitrag anzeigen
                das spieltechnische Niveau von Ochestermusikern, Kammermusikern und Solisten höher als früher ist (sein soll).
                Bei den Orchestermusikern und Choristen würde ich sagen, in vielen Fällen zwar perfekter, aber auch steriler! Aber die Perfektion eines Bergonzi, Siepi oder Ghiaurov hat heute kaum einer.

                Zitat von Gerhard Beitrag anzeigen
                Sicher, es gibt auch heute hervorragende Aufnahmen und Interpreten, die Maßstäbe setzen.
                Fiele mir ehrlich gesagt im Bereich der im Studio hergestellten Operngesamtaufnahmen keine einzige ein.

                Zitat von Gerhard Beitrag anzeigen
                Was ist aber der Grund, dass für viele Hörer an so mancher Aufnahme von damals heutige Aufnahmen nicht herankommen. Ehrlich gesagt, mir ist es nicht ganz klar. Habt Ihr eine Erklärung?
                Ich erkläre es an einem einfachen Beispiel:

                Als Decca den Don Giovanni unter Krips mit Cesare Siepi in der Titelrolle produzierte, wurde die Oper von vorne bis hinten durchgespielt und aufgenommen.

                Wenn Herr Domingo heute Tristan aufnehmen lässt, werden an einem Tag nur hohe Töne aufgenommen. Dann gibt's drei Wochen Pause, damit er sich erholen kann. Dann kommen die Töne in der Mittellage dran.

                Man möge mich nicht falsch verstehen, ich halte Domingo für den Übersänger. Und er kann in seiner Genialität immer noch den Eindruck eines zusammenhängenden Ganzen vermitteln.

                Aber viele andere eben nicht. So sind allein schon aus diesem Grund heutige Aufnahmen im genannten Bereich meistens nur "Stückwerk".

                Die Authentizität geht auf Kosten perfekter Sterilität vielfach verloren.

                Kommentar


                  #38
                  [quote=Spalatro;169596]Genau das ist meiner Ansicht nach der Kernpunkt: Es ist der Interpretationsstil, der sich gewandelt hat. Bis in die 70er orientierten sich die Interpreten an einem eher romantisch-schwelgerischen Klangideal. Dazu paßt auch recht gut die Tatsche, daß das Interesse an alter Musik zu dieser Zeit vergleichsweise gering war. Als um 1980 die Originalklangbewegung (mit allen ihren konzeptionellen Problemen) an Boden gewann und sich in der Folge auch auf die Wiedergabe der Musik des 19. Jahrhunderts auswirkte, verschob sich das Klangideal insgesamt in Richtung (wie Holger es nennt) "Neusachlichkeit".

                  Ein konkretes Beispiel aus meiner Sicht ist Beethoven. Irgendwie fand ich zu seiner Musik - insbesonders den Symphonien - lange keinen richtigen Zugang; das änderte sich erst, als ich mit den Aufnahmen der Hanover Band bekannt wurde:



                  Erst da ist mir ein Licht aufgegangen.

                  Ich würde also sagen: Die Aufnahmetechnik mag eine Rolle spielen, aber wesentlich bei der Bevorzugung älterer oder neuerer Aufnahmen ist in erster Linie der Interpretationsstil - wenn man so will, der Zeitgeschmack.



                  Hallo Spalatro!

                  Wie bist Du eigentlich bei dieser Aufnahme, Goodman/Beethoven, mit der Aufnahmetechnii zufrieden. Ist die gut?

                  Mit einer Antwort wäre mir sehr geholfen.

                  Besten Dank!

                  Gerhard

                  Kommentar


                    #39
                    Ich hab' mich noch einmal schnell durchgezappt - hier mein Eindruck:

                    Am ehesten klingen diese Symphonien für mich nach Live-Aufnahmen ohne Publikum, mit leichtem bis stärkerem Hang zur Halligkeit. D.h. die einzelnen Instrumente sind meist nicht ganz sauber voneinander getrennt - wer darauf großen Wert legt, könnte es eventuell als zu verwaschen empfinden. Manchmal hört man Sesselknarren und Griffgeräusche, aber als jemand, der auf so etwas SEHR sensibel reagiert, sage ich: es ist nicht störend. Ansonsten: leicht höhenbetont, vorbildlich rauschfrei.

                    Noch eine Detailimpression: Die Hörner spielen nicht immer so sauber, wie man es von einem modernen Orchester gewohnt ist. Ob das an den Originalinstrumenten oder an den Musikern liegt, kann ich von hier aus nicht beurteilen.

                    Kommentar


                      #40
                      Hallo Spalatro!

                      Besten Dank für Deine Mühe extra nachzuzappen und Deine hilfreiche Antwort. Ich selbst habe mir unmittelbar nach Ihrem Erscheinen vor vielen Jahren die Aufnahme mit Gardiner gekauft, bekanntlich ebenfalls auf Originalinstrumenten. Gardiner ist jedoch in den Tempi extrem (schnell), Goodman soll auch zügig sein, jedoch nicht übertrieben. Ich habe bei amazon.com/amazon.co.uk Rezensionen nachgelesen und die einen haben die Aufnahmetechnik bei Goodman als realitätsnah gelobt, die anderen negativ berichtet. Jetzt hat mich Deine Einschätzung interessiert.

                      Vielen Dank für Deine Hilfe!

                      Herzliche Grüsse

                      Gerhard

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